Greifswalder Nein zum Bau von Containerdörfern - Reaktionen auf Abstimmung

Stand: 19.06.2023 14:20 Uhr

Nach dem Aus für Containerdörfer für Flüchtlinge in Greifswald fallen die Reaktionen auf den Bürgerentscheid vom Sonntag unterschiedlich aus. Oberbürgermeister Fassbinder fürchtet um das Ansehen seiner Stadt.

Porträtfoto von Stefan Fassbinder, Oberbürgermeister von Greifswald. © dpa bildfunk Foto: Stefan Sauer
Fürchtet um das Ansehen Greifswalds: Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne)

Greifswalds Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Die Grünen) sagte am Montag dem NDR in MV, er respektiere natürlich die Entscheidung. Sie könne sich aber negativ auf Menschen auswirken, die darüber nachdenken, in Greifswald zu leben und zu arbeiten. Er mache sich dabei insbesondere Sorgen um die Zuwanderung von Fachkräften. Es sei auf jeden Fall kein positives Zeichen für eine Stadt, die auch im Wettbewerb um Fachkräfte stehe, die durchaus auch aus dem Ausland ankommen könnten, so Fassbinder weiter.

Landrat Sack: "Bund und Land müssen Verantwortung übernehmen"

Der Landrat des Landkreises Vorpommern-Greifswald, Michael Sack (CDU), teilte auf NDR Anfrage mit, der Landkreis nehme die Entscheidung zur Kenntnis. Dies sei ein deutliches Signal an das Land und insbesondere an den Bund über die Unzufriedenheit von großen Teilen der Bevölkerung mit der gegenwärtigen Migrationspolitik. Sack hofft, dass man in Berlin und Schwerin erkenne, dass es nicht gehe, einfach immer mehr Menschen in die Landkreise zu schicken, ohne die Akzeptanz in der Bevölkerung zu haben. Hier sei insbesondere der Bund in der Pflicht, zu reagieren.

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Der Dom überragt die Häuser am Greifswalder Markplatz. © imago images / pemax

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Politikwissenschaftler Muno: "Entscheidung so nicht erwartet"

Der Rostocker Politikwissenschaftler Wolfgang Muno sagte bei NDR MV Live, letztlich sei es so, dass sich hier zwei Gruppen getroffen hätten: "Einmal die Menschen, die Container nicht wollen für Flüchtlinge, sondern alternative Unterbringungsarten. Und dann die Menschen, die gar keine Flüchtlinge wollen." Dieses Bündnis habe dann eine klare Mehrheit geschaffen. Das sei in der Deutlichkeit schon ein bisschen überraschend gewesen, so Muno weiter.

Wohin mit den Flüchtlingen?

Jetzt stellt sich die Frage, wo sollen die Geflüchteten in Zukunft untergebracht werden sollen. Denn kommen werden Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald muss sich jetzt darum kümmern, den Menschen eine Bleibe zu geben. Ein Containerdorf ist zwar weiter möglich, allerdings nur auf einem privaten Grundstück. Auch könnten Geflüchtete, wenn Kapazitäten frei sein sollten, in anderen Gemeinden unterkommen. Eine dritte Option wäre die Unterbringung der Menschen in Sporthallen der Stadt.

Abstimmung über Containerdorf: Wählerinnen und Wähler dagegen

Mit einem Bürgerentscheid wurde am Sonntag in Greifswald über eine wichtige Frage in der Flüchtlingspolitik entschieden. Die Frage lautete: "Sind Sie dafür, dass im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald stehende Grundstücke zwecks Errichtung von Containerdörfern zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Vorpommern-Greifswald verpachtet werden?" Neben einer Mehrheit musste auch mindestens ein Viertel der 47.410 Wahlberechtigten mit "Nein" stimmen, damit der Bürgerentscheid aus Sicht der Initiatoren erfolgreich sein würde. Dieses Quorum wurde erreicht.

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Um welche Flächen geht es?

Es geht derzeit um vier Flächen: die Festspielwiese, die Wiese in der Lise-Meitner-Straße, das Philipp-Müller-Stadion und den Sportplatz in der Feldstraße. Planungen zufolge könnten dort jeweils bis zu 100 Menschen in Containerdörfern untergebracht wer

Was sagten Befürworter vorab?

Greifswald muss sich solidarisch mit den Geflüchteten zeigen - diese Auffassung vertreten als Befürworter der Verpachtung mehr als 80 Vereine, Verbände, Kirchen, Initiativen und Institutionen sowie Parteien, darunter die SPD, Bündnis90/Grüne und Die Linke. Sie bevorzugen eigentlich eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen und sehen Containerdörfer aber als Notlösung, um nicht wieder Sporthallen belegen zu müssen.

Was sagen die Gegner?

Die Gegner der Containerdorf-Lösung sehen sich mehrheitlich selbst nicht als unsolidarisch, jedoch stellen sie die Migrationspolitik von Bund und Land sowie die Integrationsmöglichkeiten der Stadt generell in Frage. Außerdem ist ihrer Auffassung nach die Kapazität für die Aufnahme weiterer Geflüchteter erschöpft, das sagen zum Beispiel CDU und AfD. Nach Ansicht der FDP ist es menschenunwürdig, Geflüchtete in Containern unterzubringen.

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Dieses Thema im Programm:

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