Glücksatlas: Mecklenburg-Vorpommern Schlusslicht im Glück?
Die Menschen in Deutschland sind trotz Inflation, wirtschaftlicher Lage und Ukraine-Krieg laut dem "Glücksatlas 2024" wieder zufriedener. Nur nicht in Mecklenburg-Vorpommern. Hier gibt es Werte, die selbst während der Corona-Jahre in anderen Bundesländern selten erreicht wurden.
"Mecklenburg-Vorpommern hat sich seit Corona nie wieder erholt", sagt Bernd Raffelhüschen, wissenschaftlicher Leiter des "SKL Glücksatlas" und Professor an der Universität Freiburg. Und er setzt sogar noch einen drauf: "Sogar ohne Corona ist Mecklenburg-Vorpommern weiter auf dem absteigenden Ast." Im "SKL Glücksatlas", der seit 2011 jährlich erscheint, bewerten Einwohner in den Bundesländern ihre subjektive Lebenszufriedenheit und das auf einer Skala von eins (nicht zufrieden) bis zehn (vollkommen zufrieden).
Raffelhüschen: "Städte kommunale Altenheime"
Wie der Glücksatlas 2024, der Mitte November erschienen ist, zeigt, sind die Menschen in Hamburg mit 7,38 Punkten am zufriedensten, während Mecklenburg-Vorpommern mit 6,17 Punkten das Schlusslicht bildet. Allerdings gibt es laut der Studie innerhalb von Mecklenburg-Vorpommern einen bemerkenswerten Unterschied. Denn mit 6,79 Punkten sind die Vorpommern zufriedener als die Mecklenburger mit 5,98 Prozent. Und damit befindet sich Vorpommern im regionalen Vergleich im unteren Mittelfeld, während Mecklenburg auf dem letzten Platz in Deutschland liegt. Was heißt, unzufriedener als die Menschen in Mecklenburg sind sie sonst nirgendwo in Deutschland. Die Gründe sieht Raffelhüschen in der mangelnden Infrastruktur und der massiven Abwanderung. Einige Städte seien "kommunale Altenheime". "Im Städteranking 2024 ist Rostock eine der unzufriedensten Städte Deutschlands", erklärt der Wirtschaftswissenschaftler. Vorpommern dagegen besitze eine bessere Infrastruktur und intaktere Strukturen auf dem Land. Auch genieße Greifswald als Universitätsstadt einen sehr guten Ruf. Weit unterdurchschnittliche Einkommen gebe es in beiden Landesteilen.
Einkommenszufriedenheit hinter dem Bundesdurchschnitt
Während der "Glücksatlas" die rein subjektive Lebenszufriedenheit untersucht, also das reine Empfinden der Menschen, stellt er auch die objektive Lebensqualität gegenüber. Dazu gehört auch das Einkommen. Und mit der Einkommenszufriedenheit liegt Mecklenburg-Vorpommern um 1,18 Punkte hinter dem Bundesdurchschnitt zurück. Zum Vergleich: In Mecklenburg-Vorpommern verdient laut dem Statistischen Bundesamt ein Vollzeitbeschäftigter 3.641 Euro brutto im Monat, in Schleswig-Holstein 3.983 Euro brutto und in Hamburg 4.833 Euro brutto. Etwa 11,4 Prozent mehr als der Bundesdurchschnitt zahlen die Hamburger laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln für Wohnen, Lebensmittel und Co., die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern rund vier Prozent weniger als der Bundesdurchschnitt.
Hohe Kosten in Mecklenburg-Vorpommern
"Mecklenburg-Vorpommern hat im Vergleich zu Schleswig-Holstein viel weniger Industriearbeitsplätze sowie sehr hohe Energiekosten und Netzentgelte", sagt Lars Schwarz, Dehoga-Präsident Mecklenburg-Vorpommern. Und all das sei im Portemonnaie der Menschen zu spüren. Dazu würden die Hotelbetten im Land mehr als 60 Prozent im Jahr leer bleiben. "Wir sind ein reines Saisonurlaubsland."
Gründe für Glück: Die "vier Gs"
"Geld macht glücklich", ist sich Bernd Raffelhüschen sicher. Allerdings nehme der Grenznutzen eines wachsenden Einkommens ab. Geld ist auch einer der Gründe für Glück, der sich im "Glücksatlas" wiederfindet. Dazu kommen die Gesundheit, die Gemeinschaft und die Genetische Disposition (Mentalität). Raffelhüschen verweist auf das halb volle und das halb leere Glas.
Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit
"Sport, eine gesunde Ernährung und Achtsamkeit", Prof. Christof Kessler, Facharzt für Neurologie, weiß, was Menschen glücklich macht. Er hat sogar ein ganzes Buch ("Glücksgefühle – Wie Glück im Gehirn entsteht") zu dem Thema geschrieben: "Glücksgefühle sind die Grundlage für Motivation." Wer ökonomisch gut ausgestattet ist, keine Existenzsorgen hat, einen Beruf und eine Familie, der ist seiner Meinung nach zufrieden. Und wer gerade nichts zu lachen hat, dem empfiehlt er folgenden Witz aus der neurologischen Witzforschung, der auch in internationalen Zeitschriften erwähnt wird: "Warum essen Kannibalen nicht so gerne Clowns? Sie schmecken so komisch."
Datenbasis für den "SKL Glücksatlas"
Befragt wurden deutschlandweit 12.452 Menschen ab 16 Jahren persönlich durch das Institut für Demoskopie Allensbach zwischen Juli 2023 und Juni 2024. Zu den Lebensbereichen Arbeit, Einkommen, Familie und Gesundheit wurden von Februar bis April 2024 persönlich 3.161 Bürger ab 16 Jahren befragt. Das Berliner Meinungsforschungsinstitut Ipsos befragte 2.000 Deutsche zwischen 18 und 65 Jahren (computergestützte Online-Befragung) zum Einfluss von Inflation und Ukraine-Krieg auf die Lebenszufriedenheit.
Welche Gründe es für die Unzufriedenheit der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern gibt, ist Thema in der aktuellen Folge des NDR Podcasts "MV im Fokus - Darüber spricht Mecklenburg-Vorpommern", zu finden in der NDR MV App und überall da, wo es Podcasts gibt.