Eurofighter aus Laage in Japan: Lärm im Land des Schweigens
Kampfpiloten vom Luftwaffenstützpunkt in Laage trainieren erstmals mit der japanischen Luftwaffe. Es ist eine militärische, aber auch sehr politische Mission.
Das Heulen der Kampfjets ist genauso allgegenwärtig wie die schwüle Hitze im japanischen Sommer. In einer kleinen Baracke auf der Airbase von Chitose zieht Marco Brunhofer sich seine g-Hose über die Fliegerkombi. "Manchmal wirken 9g auf mich, also das Neunfache meines Körpergewichts", sagt der Kampfpilot aus dem taktischen Luftwaffengeschwader 73 in Laage (Landkreis Rostock). "Die g-Hose pumpt sich auf und hält so mein Blut im Oberkörper. Ansonsten bekomme ich in den Manövern zuerst einen Tunnelblick, dann sehe ich keine Farben mehr und schließlich werde ich ohnmächtig." Das kann er sich in einer Kampfmaschine wie dem Eurofighter natürlich nicht erlauben. Im Notfall muss Oberstleutnant Brunhofer in 15 Minuten startklar sein.
Militärisches Neuland
Wenn er jetzt das erste Mal mit seinem Eurofighter in den Himmel über der japanischen Nordinsel Hokkaido donnert, dann liegt ein dreiviertel Jahr Arbeit hinter ihm. Es ist eine Premiere, dass deutsche und japanische Kampfpiloten gemeinsam trainieren. Vor zwei Jahren waren sie erstmals zu einem Besuch hier. Japan und Deutschland arbeiten traditionell eng zusammen, angesichts der strategischen Lage im Indopazifik rücken auch die Militärs näher zusammen. Das ist aber mit Hürden verbunden. "Das Mindset der Japaner ist anders," sagt Marco Brunhofer. "Wir müssen erstmal eine gemeinsame Sprache finden." In der NATO gibt es für jedes Flugmanöver eine festgelegte Vokabel, aber Japan ist nicht in der NATO und Englisch ist in dem Inselreich nicht besonders weit verbreitet. Dazu kommen die kulturellen Unterschiede. "Wir reagieren in der Luft häufig spontan," sagt ein weiterer Pilot aus Laage, der hier Major Snomi heißen soll. "Die Japaner planen jedes einzelne Manöver minutiös vor."
Wirtschaftspolitik am Himmel
Im Cockpit eines deutschen Airbus A400M Transportflugzeugs sitzt hinter den Piloten ein bulliger Mann mit Glatzkopf: General Ingo Gerhartz, oberster Soldat der deutschen Luftwaffe auf dem Weg von Tokio nach Chitose, um seine Soldaten zu besuchen. Er schickt seine Kampfflugzeuge und den Logistiktross in diesem Sommer einmal um die ganze Erde. Von Deutschland über Alaska nach Japan, Australien, Hawaii und schließlich Indien. Letztlich geht es ihm darum, weltweit Bündnisse zu schließen und zu vertiefen. "Wir können sicherheitspolitisch keinen Unterschied mehr machen zwischen dem Indopazifik und Europa." Ihm geht es darum zu zeigen, dass die deutsche Luftwaffe nicht nur den Himmel über dem Baltikum sichern kann, sondern gleichzeitig auch im Indopazifik Präsenz zeigen kann. Um einen Gast an Bord des A400M bemüht sich Gerhartz ganz besonders. Er heißt Kikawada Hitoshi und ist einer der entscheidenden Abgeordneten im japanischen Parlament.
Rendezvous an der offenen Heckklappe
Plötzlich taucht Marco Brunhofer mit seinem Kampfjet neben dem A400M auf, manövriert den Flieger vorsichtig an den Tankschlauch heran, den der Airbus ausgerollt hat. Schließlich steht die Verbindung zwischen beiden Flugzeugen und 1.000 Liter Kerosin pro Minute fließen in den Eurofighter. Bei dem Manöver bekommt Hitoshi Kikawada den besten Fensterplatz. Schließlich öffnet der Airbus in 3.000 Metern Höhe seine Heckklappe. Der japanische Abgeordnete steht angegurtet und staunend auf der Rampe, während nur ein paar Meter weiter Oberstleutnant Brunhofer mit seinem Eurofighter schwebt.
Zeitenwende in Japan
"Wow, what a show," sagt ein drahtiger Mann, der neben uns im Airbus sitzt. Es ist Dr. Narushige Michishita, Politikwissenschaftler an einer Tokioter Hochschule. "Nennen Sie mich Michi." Michi ist ein Glücksfall, denn er hat die Angewohnheit Klartext zu reden. Das unterscheidet ihn von vielen anderen in diesem Land der Etikette. "Wir werden Taiwan verteidigen", sagt Michi, "und wir werden die Taiwanstraße verteidigen." Glasklar sieht er die Bedrohung, die China im gesamten indopazifischen Raum darstellt. "Deswegen brauchen wir so viele Partner wie möglich. Natürlich auch Deutschland." Japan hat sein Verteidigungsbudget um 60 Prozent erhöht. Und die Japaner brauchen ein neues Transportflugzeug. Kein Wunder also, dass sich die Deutschen dem japanischen Abgeordneten gegenüber von der besten Seite zeigen. Es spricht hier niemand aus, aber die Hoffnung ist da, dass Japan den A400M kaufen könnte.
Von Laage um die Welt
Wenn Marco Brunhofer später wieder schweißgebadet am Boden ist, dann ist sein Job noch lange nicht vorbei. Am 26. Juli fliegt er weiter zum nächsten Manöver nach Hawaii, dann über Guam, Malaysia und die Vereinigten Arabischen Emirate zurück nach Deutschland. Am 17. August wird er wieder in Laage landen.