Erster Linker in MV erwägt öffentlich Wechsel zu Wagenknecht-Partei
Ein Stralsunder Mitglied der Linken kann sich vorstellen, einer Sahra-Wagenknecht-Partei beizutreten. Er ist der erste in seinem Landesverband, der sich dazu bekennt.
Vergangene Woche Montag hat Sahra Wagenknecht die Katze aus dem Sack gelassen, sie möchte im Januar ihre eigene Partei gründen. Im neuen Deutschlandtrend der ARDkönnen sich 39 Prozent der Ostdeutschen vorstellen, die Partei zu wählen. Ein eisiger Wind weht durch den Stralsunder Hafen. Vor dem Ozeaneum treffen wir Klaus Kleinmann zum Interview. Seit sechs Jahren ist er Mitglied der Linken und arbeitete zeitweise auch im Stadtverbandsvorstand der Partei mit. Doch Kleinmann ist enttäuscht, die Linke dringe mit ihren Themen in der politischen Debatte nicht mehr durch, auch bei den Wahlen sei es stetig nur noch bergab gegangen. Sahra Wagenknecht aber schaffe es, von den Menschen wahrgenommen zu werden.
Russland-Politik Wagenknechts kommt an
Natürlich müsse man abwarten, bis die neue Partei tatsächlich gegründet werde und klar sei, welche Inhalte sie konkret vertritt, meint Kleinmann. Aber er denke ganz konkret über einen Austritt aus der Linken nach. Ganz wichtig ist ihm dabei neben der Sozialpolitik auch ihre Haltung zu Russland: "Sahra Wagenknecht steht klar für eine Friedenspolitik, für Diplomatie, für Ausgleich, für Entspannung", findet Kleinmann, "für ein Ende der Waffenlieferungen schon mal ganz zuerst". Da habe es in der Linken enorme Debatten gegeben, er verstehe gar nicht, wie man darüber überhaupt noch diskutieren könne.
Bisher kaum öffentliche Unterstützer in MV
Kleinmann ist öffentlich das erste Mitglied der Linken, das sich in Mecklenburg-Vorpommern aus der Deckung traut. Andere würden weiter darüber nachdenken, aber noch sei die Partei ja auch gar nicht gegründet, meint er. Tatsache ist: Kein Landtagsabgeordneter und auch kein aktiver Kommunalpolitiker der Linken hierzulande hat bisher für Sahra Wagenknecht Partei ergriffen. Trotzdem hat sie einen prominenten Unterstützer – den Liedermacher Tino Eisbrenner.
Ein Liedermacher für Wagenknecht
Auch wenn er es schade findet, dass die Linke sich spalten könnte, meint er doch, dass Wagenknecht vielen Menschen Hoffnung mache: "Bei vielen Leuten, die den Glauben an den richtigen Kurs der Linken verloren haben und dann ganz aus der Politik raus sind, also nicht mehr wählen oder AfD wählen", so Eisbrenner. Wenn eine Partei die Chance habe, diese Menschen da wieder abzuholen, dann sei das die Sahra-Wagenknecht-Partei. Auch Eisbrenner, der im Mai einen umstrittenen Auftritt bei einem Musikfestival in Moskau absolvierte, bezieht sich dabei auf die Russland-Politik Wagenknechts.
Wissenschaftler: Partei mit nur einem Gesicht
Noch ist die Schar der Wagenknecht-Unterstützer in Mecklenburg-Vorpommern also sehr übersichtlich. Der Rostocker Politikwissenschaftler Wolfgang Muno sieht deshalb ein Problem für die neue Partei auf Landesebene, weil sie ganz auf die Person Wagenknechts zugeschnitten sei: "Das reicht für die Europawahl, bei der Sahra Wagenknecht sicher als Gallionsfigur antreten wird, aber nicht bei Kommunalwahlen. Landtagswahlen stehen ja derzeit nicht bei uns an. Aber da müsste man mehr vorweisen als eine Person." Denn schließlich könne Wagenknecht nicht deutschlandweit bei jeder Landtagswahl antreten. Ob das "Bündnis Sahra Wagenknecht" überhaupt die Gründung eines Landesverbandes in Mecklenburg-Vorpommern plant, ist offen. Auf Anfragen des NDR dazu hat der Verein bislang nicht reagiert.