Marihuana in Form von Blütenständen in Nahaufnahme © dpa-Bildfunk Foto: Matthias Balk/dpa
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Drogen in Mecklenburg-Vorpommern: Das sind die Händler

Stand: 19.11.2024 07:00 Uhr

Wie sieht Drogenkriminalität in Mecklenburg-Vorpommern aus? Wer dealt im großen Stil? Die hier beschriebenen Fälle sind eine Auswahl von Prozessen, die 2024 vor den Landgerichten verhandelt wurden.

von Hannes Stepputat und Reiko Pinkert

Während die Abwasseranalysen zeigen, wo wie viel von welcher Droge konsumiert wird, sollen Langzeitbeobachtungen einen Einblick in die Drogenkriminalität geben. Auch Details aus Drogenprozessen erhellen die illegalen Geschäfte.

Arbeitsloser verkauft Drogen an Minderjährige

Über mindestens neun Monate hinweg verkaufte ein zum Zeitpunkt des Urteils 38-jähriger Neubrandenburger Speed, Ecstasy und Marihuana. Auch wenn er jeweils nur kleine Portionen verkaufte, wurde er Ende Juli dieses Jahres vom Landgericht zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, denn viele seiner Kunden waren Minderjährige. Unter den verkauften Ecstasy-Pillen waren auch die berüchtigten, hochdosierten "Blue Punisher"-Tabletten.

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Im Sommer 2023 war eine 13-Jährige in Altentreptow gestorben, nachdem sie eine solche Pille genommen hatte. Eine große Boulevardzeitung rückte den Mann nach seiner Festnahme in einen Zusammenhang mit dem Tod des Mädchens und kritisierte, dass er als vermeintlich dafür verantwortlicher Dealer nicht wegen Mordes angeklagt wurde. Die Mitgefangenen in der Untersuchungshaft erfuhren von dem Artikel, sodass der Mann durch die "aggressive und im erheblichen Maße vorverurteilende Presseberichterstattung [...] Ablehnung und Anfeindungen" seitens seiner Mitinsassen erlebte, wie die Richter im Urteil schrieben.

Tatsächlich aber hatte der Angeklagte nach Überzeugung des Gerichts nichts mit dem Fall der verstorbenen 13-Jährigen zu tun. Wie das Jugendschöffengericht Neubrandenburg in einem anderen Urteil festhielt, hatte ein 17-jähriger Dealer ihr die Tabletten verkauft. Wie so oft, blieben auch im Prozess gegen den 38-jährigen Drogenhändler die Hinterleute im Dunkeln. Zwar gab der Mann zu, Drogen verkauft zu haben, allerdings machte er keine Angaben zu seinen Bezugsquellen. Der Grund für seine Taten seien unter anderem Geldprobleme gewesen, er hatte Mietschulden.

Die Schweriner Bande

Einen lukrativen Handel mit Marihuana, Amphetamin und Kokain hatten sich mehrere Schweriner aufgebaut. Der Kopf der Bande hatte zunächst allein gedealt, holte später jedoch einige Freunde dazu. Für mehr als zwei Jahre verkauften sie Drogen in der Landeshauptstadt. Der Anführer verfügte über die nötigen Kontakte, sorgte mit einem EncroChat-Handy – ein speziell verschlüsseltes Mobiltelefon, das vor allem von Kriminellen eingesetzt wurde - jeden Monat für den Drogennachschub und verteilte den Stoff unter den anderen Mittätern. Sie gingen arbeitsteilig vor: Einer seiner Mitstreiter half beim Verkauf, die anderen übernahmen vor allem Hilfstätigkeiten. Sie stellten ihre Wohnungen und Keller als Lager für den Stoff zur Verfügung, halfen beim Portionieren der Drogen oder vertraten die beiden Hauptverkäufer während ihres Urlaubs. Dafür bekamen sie etwas Geld und kleinere Mengen der Drogen zum Eigenverbrauch.

Die Geschäfte liefen gut und über die Zeit ging viel Geld durch die Hände der Gruppe: Knapp 294.000 Euro soll allein der Anführer im angeklagten Zeitraum umgesetzt haben, rund 97.200 Euro der zweite Haupttäter. Was sie nicht ahnten: Fast ein Jahr hörten Ermittler die Telefone der Mitglieder ab, bevor sie zugriffen. Für den Handel mit knapp 30 Kilogramm Marihuana, acht Kilo Amphetamin und 1,5 Kilo Kokain verhängte das Schweriner Landgericht im Juni dieses Jahres Haftstrafen zwischen drei und fünfeinhalb Jahren.

Der Gastronom und der Koch

Mehr als eine Million Euro haben zwei Männer aus dem Raum Wismar mit ihren Drogengeschäften umgesetzt. Der eine, ein Gastronom, der eine Pension mit Restaurant und Imbiss betrieb, trat als Finanzier der Unternehmung auf und stellte seine Pension als "Geschäftsort" zur Verfügung. Er wollte aber nicht mit den Drogen in Berührung kommen. So war er nach Auffassung des Gerichts nie bei den Übergaben dabei und wollte auch nicht, dass der Stoff in seinem Geschäft gelagert wurde. Dafür wurden in umliegenden Waldstücken Erddepots angelegt. Im normalen Geschäftsbetrieb des Restaurants fielen die Drogenkäufer unter seiner regulären Kundschaft kaum auf.

Das praktische Geschäft erledigte sein Mittäter, der als Koch in dem Restaurant arbeitete. Über verschlüsselte EncroChat- und SkyECC-Handys besorgte er die Ware, versteckte sie in den Erdlöchern und regelte den Verkauf. Am Ende teilte er das eingenommene Geld Hälfte-Hälfte mit dem Pensionsinhaber. Über die Zeit handelten sie nach Überzeugung der Richter mit fast 90 Kilo Marihuana, 18,5 Kilo Kokain und 15 Kilo Speed/Amphetamin. Die Ermittler hielten fest, wie vorsichtig beide sich verhielten. Absprachen trafen sie bei persönlichen Spaziergängen, außerdem wechselten sie immer wieder ihre Telefonnummern. Die Polizei trieb deshalb einigen Aufwand, um beide zu überführen: Sie observierte die Männer, hörte ihre Telefone ab und verwanzte die Autos. Das Restaurant wurde videoüberwacht.

Doch während der Koch nach seiner Festnahme über seinen Geschäftspartner offenbar bereitwillig aussagte, schwieg er zu seinen Lieferanten – aus Angst, wie er sagte. Er wisse, dass „Verräter“ häufig Repressalien zu fürchten hätten und die Täter auch vor der Familie nicht Halt machen würden. Gemeinsam mit seiner Ehefrau habe er sich deshalb entschlossen, nur über sich selbst sowie seinen Mittäter auszupacken. Der Koch wurde vom Landgericht Schwerin im Januar 2024 zu fünf Jahren und drei Monaten Haft, der finanzierende Gastronom, bei dem zudem eine scharfe Schusswaffe und Munition gefunden wurden, vier Jahren und neun Monaten verurteilt.

Der Rostocker Kaufmann

Noch nicht abgeschlossen ist ein Prozess gegen einen 39-jährigen Rostocker. Er soll laut Anklage zu den Abnehmern von Aleksej G. gehört haben, einem Rostocker Drogendealer mit Verbindungen zur russischen Mafia, der zum Kronzeugen geworden war. Unter anderem von ihm soll der Angeklagte jeweils kiloweise Marihuana, Kokain und Amphetamin gekauft und an seine eigenen Kunden weiterverkauft haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass er so mehr als 200.000 Euro eingenommen hat. Sollte er verurteilt werden, wäre es nicht das erste Mal: Der ausgebildete Kaufmann ist nicht nur wegen Drogendelikten, sondern auch wegen mehrfacher Körperverletzung und Vergewaltigungen vorbestraft.

Der Sportler

Als die Polizei in einem Sportcenter im Raum Nordvorpommern zur Hausdurchsuchung einrückte, fand sie einen großen Vorrat an Medikamenten, Dopingmitteln sowie Speed, Kokain, Marihuana, Haschisch und Ecstasy. Der Betreiber des Fitnessstudios soll sie in verschiedenen Tüten und Taschen in seinem Sportcenter gelagert haben. Außerdem fanden die Beamten eine Pistole mit Munition, die zwar alt, aber funktionsfähig und nicht registriert war. Der zum Zeitpunkt des Urteils im Februar 2024 43 Jahre alte Mann war für die Behörden kein Unbekannter. Er ist seit seiner Jugend vielfach mit Gewaltdelikten aufgefallen, aber auch wegen Steuerhinterziehung. Bereits früher saß er wegen Drogenhandels im Gefängnis. Das aktuelle Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

So viele Drogen-Straftaten werden in MV begangen

Zuletzt registrierte die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern jährlich etwa 8.000 Straftaten in diesem Bereich. Den größten Teil dieser Taten stellen die sogenannten konsumnahen Delikte dar, also kleinere Taten. Wer etwa mit kleineren Drogenmengen für den Eigenverbrauch in der Tasche erwischt wird oder in geringem Umfang dealt, fällt in diese Kategorie. Ihre Zahl lag zuletzt jährlich bei etwa 7.000 Taten. Drogenhandel im größeren Stil heißt im Juristen-Deutsch "unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge". Diese Zahlen bilden nur das sogenannte Hellfeld ab. Die Polizei kann nur Taten registrieren, von denen sie erfährt, sei es durch Strafanzeigen oder im Zuge von Ermittlungen.

Das Landeskriminalamt führt auch eine Statistik darüber, wie viele Straftaten pro Kopf in den einzelnen Landkreisen und Städten registriert wurden. Dabei wird ersichtlich: In Rostock und Schwerin sowie in Vorpommern-Rügen wurden 2022 und 2023 mehr Drogenstraftaten als im Landesdurchschnitt registriert. Im Jahr 2023 kam außerdem noch der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte hinzu.

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 19.11.2024 | 06:00 Uhr

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