Daniel Trepsdorf: "Bildungsperspektiven durch junge Menschen"
Daniel Trepsdorf (46) ist Vorsitzender der Linksfraktion in der Stadtvertretung von Schwerin. Eines seiner Ziele: Er will die Landeshauptstadt als Universitäts- und Bildungsstandort weiterentwickeln. Welche Vorstellung er noch für die Stadt hat, verrät er im Interview mit dem NDR.
Daniel Trepsdorf: Hallo.
Einen schönen guten Tag Herr Trepsdorf.
Trepsdorf: Ich grüße Sie.
Wo möchten Sie gerne hin?
Trepsdorf: Ja ich schlage vor, wir drehen mal eine kleine Runde, dass wir vielleicht nochmal am Fernsehturm vorbeikommen. Das ist ja so ein klassisches Symbol für die Schwerinerinnen und Schweriner. Und dann könnten wir hinten am Ost 63 vorbei, das ist ein Jugendclub und Abschluss wäre dann der Plattenpark.
Okay gut, dann geht es los. Bitte einmal anschnallen.
Trepsdorf: Die Stille des Fortschritts.
Ja ungewohnt. Ich fahre einen alten Volvo. Der klingt anders.
Trepsdorf: Aber da weiß man auch noch was kaputt geht. Oder kaputt ist.
Das stimmt. Der Fernsehturm von Schwerin. Ein Thema, was Schwerin bewegt. Und Sie haben sich den Fernsehturm auf die Fahnen geschrieben. Zur Chefsache würden Sie das erklären. Warum?
Trepsdorf: Erstmal ist es ganz wichtig, dass man mit einem Thema sehr konkret wird. Gerade in der Kommunalpolitik. Der Fernsehturm ist ein Symbol für das, was in der Landeshauptstadt leider nicht so ideal läuft.
Weil?
Trepsdorf: Er steht schon seit einigen Jahren leer und es gab verschiedene Initiativen, die aber so halbseiden dann geendet sind. Leider Gottes. Und ich bin ja nun viel unterwegs in Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern. Und die sagen: Mensch das ist so ein Identifikationspunkt. Und den braucht jede Stadt und auch die Landeshauptstadt. Es ist also ein Symbol, was in der ganzen Stadt anschlussfähig ist. Und deswegen fand ich es wichtig, dass ich meine Kampagne konkret unterlege mit einem Projekt. Und ich denke, das ist tatsächlich eine wichtige Geschichte. Da hinten sehen wir ihn. Dass da wieder ein soziokulturelles Zentrum reinkommt, eine Gastronomie, ein touristischer Anlaufpunkt. Und dass wir einfach auch zeigen mit Symbolkraft für das 21. Jahrhundert, Schwerin macht sich auf den Weg, wir können ein paar Sachen besser anpacken und wir können Dinge voran bringen.
Als Slogan für Ihre Wahl haben Sie jetzt: Stärker durch Zusammenhalt. Wer soll denn wie zusammenhalten und wie schafft man das?
Trepsdorf: Also ich glaube, so eine OB-Wahl ist ja nicht losgelöst vom Rest des Landes. Oder von den Entwicklungen in der Bundesrepublik. Und ich habe das Gefühl, dass die spalterischen Tendenzen in unserer Gesellschaft zunehmen. Ressourcen-Konflikte. Auch die Auseinandersetzung um die Klimakrise. Und es gibt eigentlich nur drei Wege um in der Politik unterwegs zu sein, nach meinem Dafürhalten. Das ist einmal ein konservatives, bewahrendes Element. Möglichst wenig verändern. Es läuft gut. Dann gibt es ein destruktives Element. Das würde ich tatsächlich auch rechts von der CDU ansiedeln. Wo es geht, Hauptsache wir machen alles kaputt. Wir haben keine Konzepte. Aber es wird zerstört. Und dann gibt es ein progressives Element. Das wären eben die linken Kräfte nach meiner Perspektive. Die sagen, wir müssen Dinge verändern, damit unsere Gesellschaft zukunftsfähig ist. Und ich glaube, das geht nicht indem wir Alt gegen Jung, Frau gegen Männer, Menschen, die eine neue Heimat suchen in Schwerin oder Mecklenburg-Vorpommern und Alteingesessene oder verschiedene soziale Gruppen gegeneinander ausspielen. Sondern, dass wir mehr Zusammenhalt wagen, sag ich mal an der Stelle. Und, dass wir mehr in ein Miteinander und Kommunikation treten, welche Projekte können wir wie mit welchen Methoden angehen? Damit möglichst wenig Menschen Leidtragende sind in dem Zusammenhang.
Es gab ja schonmal in Schwerin eine linke Oberbürgermeisterin. Ist das von Vorteil? Oder ist das von Nachteil?
Trepsdorf: Das kommt natürlich drauf an, von welcher Perspektive man das aus sieht. Angelika Gramkow war eine sehr kluge, oder ist eine sehr kluge Frau und dazu auch auch noch äußert attraktiv. Da muss man natürlich erstmal gegen ankommen. Sie hat auch eine Menge Erfahrung mitgebracht und viele Dinge angestoßen. Nichtsdestoweniger hatte sie schlicht und ergeifend auch sehr viele Herausforderungen zu stemmen. Denn damals gab es noch nicht dieses Finanzausgleichsgesetz FAG, von dem auch die Landeshauptstadt enorm profitiert. Und wir wirklich strukturell in einem lange ausgearbeiteten Prozess mit dem Land zusammenkommen, um uns zu entschulden. Damals hat tatsächlich auch die Richtungskompetenz der Oberbürgermeisterin wahnsinnig darunter gelitten, dass wir so hoch verschuldet sind. Und wir sind es noch. Es liegen Anfang 2023 bei den Kassenkrediten ungefähr 95 Millionen in den Argen. Die müssen natürlich abgebaut werden. Daran kommt auch keiner der Bewerberinnen und Bewerber vorbei. Nichtsdestoweniger glaube ich, dass wir entsprechende Schwerpunkte setzen müssen um den sozialen, den kulturellen, aber auch den demografischen Zusammenhalt in Schwerin nicht aus den Augen zu verlieren.
Aber wie kann man aus Ihrer Sicht den Schuldenberg abbauen?
Trepsdorf: Wir müssen natürlich auf das FAG setzen. Das heißt, die Landeshauptstadt muss den Betrag von drei Millionen Euro pro Jahr einsparen. Damit das Land dann nochmal sechs Millionen drauflegt und wir dann so - und das hat ja auch der gegenwärtige Amtsinhaber vor - in zehn Jahren, zumindest was die Kassenkredite angeht, entschuldet sind. Das würde uns natürlich als Kommune die Möglichkeit geben, wieder selbständiger, emanzipierter aufzutreten. Gerade gegenüber der Kommunalaufsicht. Dem Innenministerium. Damit wir Projekte anstoßen können und nicht permanent um Erlaubnis fragen müssen. Das ist eine große Herausforderung, die auch die Deutungshoheit, die Identifikationsfindung in Schwerin sehr einschränkt. Weil ich glaube viele Bürgerinnen und Bürger, so merke ich das in BürgerInnengesprächen immer, sagen, na ihr könnt ja gar nichts machen. Ihr müsst euch immer erstmal das Okay holen von der Kommunalaufsicht. Und das lähmt natürlich auch immer kommunale Projekte. Ich finde, so eine Wahl ist ja auch immer ein bisschen wie ein TÜV. Wie ist der große Reisebus Schwerin aufgestellt? Wo soll es hingehen? Wie ist das Fahrwerk? Ist die Batterie noch in Ordnung? Funktioniert die Scheibenwischanlage? Und gerade durch die Schuldenkrisensituation in Schwerin, ja eigentlich seit zwanzig Jahren, die wir verstärkt nochmal seit der Kreisgebietsreform vor zwölf Jahren mit uns herumtragen, merken wir, dass die Menschen auch ein Stück weit passiv geworden sind und kaum noch Projekte, Anträge vorstellen, die was kosten. Ach, Finanzierungsvorbehalt. Das kriegen wir nicht hin. So landen viele, viele gute Ideen für die Stadt im Papierkorb. Und das würde ich gerne ändern.
Was glauben Sie denn, wie kann man denn den Schwerinern politische Entscheidungen näher bringen? Oder sie zuvor mit einem Thema schon vertraut machen?
Trepsdorf: Das ist natürlich auch eine Frage von Aufklärung. Das ist eine Sache von Bildung. Ich bin ja im Hauptberuf Demokratieförderer. Mach also viel politische Bildung. Beratungsarbeit. Ziehe im Land hin und her. Und das Zauberwort in diesem Zusammenhang ist tatsächlich Selbstwirksamkeit. Also wir müssen auf Kinder und Jugendliche zugehen und ihnen zeigen, Demokratie ist nicht nur ein System was in die Parlamente gehört. Sondern das ist ein System, das Selbstwirksamkeit ermöglicht. Das Menschen, die ihre Stimme erheben auch erhört werden von Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträgern und ihre eigenen Konzepte nach vorne bringen können. Ich mache es mal praktisch. Wir haben tatsächlich mal im ländlichen Raum eine Jugendgruppe dabei beraten, den Basketballplatz zu etablieren. Und die sind tatsächlich dann auch auf die Gemeindevertretung zugegangen, haben ein Konzept ausgearbeitet. Und es hat ein paar Monate gedauert. Aber tatsächlich haben sie es hinbekommen, einen Bolzplatz/Basketballplatz hinzubekommen. Und jetzt noch, zehn Jahre später, sprechen mich die Jugendlichen an und sagen: Mensch Herr Trepsdorf, daran kann ich mich noch erinnern. Da wurde meine Stimme gehört, da wurde ich wahrgenommen. Da hatte ich die Möglichkeit mich einzubringen in meiner Kommune. Und das hat im Endeffekt dazu geführt, dass ich auch Vertrauen gefasst habe in demokratische Prozesse. Ich glaube, das ist auch die beste Möglichkeit, Menschen von politischen Extremen abzuhalten. Und dann funktioniert Demokratie gut.
Jetzt waren wir gerade in einer Sackgasse. Passiert ja auch mal.
Trepsdorf: Ja, passiert.
Sie sagen, nicht die Demokratie muss marktfähiger werden, sondern der Markt muss demokratiefähiger werden. Wie kann man das auf Schwerin anwenden?
Trepsdorf: Also ich bin der festen Überzeugung als demokratischer Sozialist, dass es verschiedene gesellschaftliche Areale gibt, die halt losgelöst sein sollten von der Marktlogik. Dazu gehören die Bereiche Bildung, Sicherheit, Justiz. Krankenhauswesen. Wir haben jetzt aktuell die großen Herausforderungen, dass auch das Krankenhaus in Schwerin, als größter privater Arbeitgeber, sich da das Management scheut, entsprechend gute Löhne zu zahlen den Pflegekräften. Und ich glaube das hat große Spaltungstendenzen. Da sind wir wieder bei dem schwierigen Wort, die in der Gesellschaft lanciert sind. Und ich glaube, dass wir insbesondere was den Bereich Sozialpädagogik, Bildung, Ausstattung mit SchulsozialarbeiterInnen. Aber auch Verkehr und Menschen sozusagen sozialökologisch miteinander zu verbinden, dass wir da stärker progressive Projekte nach vorne bringen müssen. Wir haben das maßgeblich auch mit initiiert, zum Beispiel was den kostenfreien SchülerInnen-Nahverkehr angeht. Und wir müssen das natürlich auch auf andere Gesellschaftsbereiche ausdehnen. Wir haben in Schwerin, lassen sie mich das sagen, schlicht und ergreifend auch eine ganze Menge Herausforderungen. Das hören die Akteure, die jetzt in der Verantwortung stehen nicht so gerne. Wir sind in Ostdeutschland Suchtkranken-Hauptstadt. Wir haben die meisten Suchtkranken in der Landeshauptstadt Schwerin, die zweitmeisten in der Bundesrepublik.
Woran liegt das, was glauben Sie?
Trepsdorf: Das liegt zum Beispiel an der Perspektivlosigkeit und auch daran, dass wir eine wahnsinnig hohe Segregation haben. Wir sind bundesweit die Stadt mit der höchsten Segregation, also der Spaltung zwischen Arm und Reich, nach dem Referenzwert wohnen. Vielen ist das gar nicht klar.
Also Arm und Arm leben mehr zusammen und Reich und Reich.
Trepsdorf: Und die Durchmischung der Bevölkerung ist, sowohl was die sozialen Milleus angeht, als auch was die ethnische Wurzel angeht, als auch die demografische Disposition der Bevölkerung, sehr stark gespalten. Und das würde ich gerne wieder zusammenführen. Ich möchte, dass die Menschen diverser, in diverseren Quartieren im Quartiersmanagement zusammenkommen. Und auch gut miteinander Zukunft gestalten können.
Aber ist das realistisch?
Trepsdorf: Ich glaube, das ist realistisch.
Dass ein Gutverdiener neben jemandem wohnen möchte, ich überspitz das jetzt mal ein bisschen, der Bürgergeld empfängt?
Trepsdorf: Ja das muss realistisch sein. Weil wir leben in einer Demokratie und die Würde des Menschen ist unantastbar. Und der Wert eines Menschen bemisst sich eben nach meinem Dafürhalten nicht nach seinem Einkommen. Sondern nach der Würde, wie es auch in der allgemeinen Erklärung oder im Grundgesetz vorgesehen ist. Deswegen glaube ich, ist es ganz wesentlich, dass wir auch Bürgerinnen und Bürgern, die privilegiert sind und unterprivilegierte Bürgerinnen und Bürger, die oftmals selbst gar nicht Schuld daran tragen, wieder zusammenführen. Das stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und wenn andere Akteure meinen, einen Spaltkeil in die Bevölkerung zu treiben und die Armen gegen die Reichen, in einer sogenannten Opferkonkurrenz, die Menschen gegeneinander ausspielen, dann ist Demokratie schlicht und ergeifend nicht möglich. Wir müssen immer nach konstruktiven Kompromissen suchen und gerade in der Sozialpolitik die Menschen zusammenführen.
Sie möchten einen Bürgerhaushalt. Was ist ein Bürgerhaushalt und was soll das bringen?
Trepsdorf: Ein wesentlicher Punkt meines Programms ist natürlich auch demokratische Beteiligung. Weil wir haben die große Herausforderung, dass wir insbesondere bei der Kommunalwahl eine relativ geringe Wahlbeteiligung haben. Die lag über 63 Prozent das letzte Mal. Aber auch nur weil verschiedene Wahlen zusammengeführt wurden. In Rostock hatten wir das Problem, dass sich über die Hälfte der Menschen gar nicht beteiligt hatte an der OberbürgermeisterInnenwahl. Und ich glaube, das ist ein Problem. Weil mit fehlender Wahlbeteiligung auch die Legitimation der Demokratie als Solches immer wieder auf dem Prüfstand steht. Und je mehr Menschen sich beteiligen, desto besser ist es eigentlich. Je mehr ihre Ideen einbringen und je mehr sich zukunftszugewandt und auch mit Zuversicht an politischen Prozessen beteiligen.
Ein wesentlicher Aspekt wäre zum Beispiel die Etablierung eines BürgerInnenhaushalts. Mal gesagt, man nimmt beispielsweise 200.000 Euro raus aus dem klassischen Haushalt. Das läuft natürlich auch alles über die Stadtvertretung. Das kann man als Oberbürgermeister nicht allein tun. Das muss mit den Fraktionen abgesprochen werden. Muss natürlich auch mit der Kommunalaufsicht abgesprochen werden. Da steht man nicht allein im luftleeren Raum. Aber versucht dann ein Projekt nach vorne zu bringen, verschiedene Projekte einzureichen seitens der BürgerInnengesellschaft: Wir wollen das sanieren, wir wollen das nach vorne bringen. Wir wollen hier die Bildungsarbeit an unserer Kita, an unserer Schule stärken. Und dann stimmen die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam darüber ab, welches Projekt wir nach vorne bringen wollen. Und haben so gleich dieses Moment der Selbstwirksamkeit. Diese Erfahrung, dass Demokratie gut funktioniert. Ich wundere mich oft auch so, wir machen ja am Anfang einer jeden Stadtvertretung so eine aktuelle Stunde. Das sind relativ wenige Bürgerinnen und Bürger, die sich an uns wenden. Und Politik hat immer auch die Aufgabe, wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann eben andersherum. Dass die Propheten sich auf den Weg machen und dass wir gucken, dass wir als MultiplikatorInnen der Demokratie uns auf die BürgerInnen zubewegen und sagen, hej Leute beteiligt euch. Gerade die Kommune, die ist ganz nah dran. Das sind die Prozesse, die euch direkt betreffen. Die sind dafür verantwortlich, was mit der Straße vor dem Haus passiert, was mit der Kita, der Schule nebenan passiert. Und deswegen ist es wichtig, dass wir die Menschen da mitnehmen.
Wir haben unsere Zuschauer, beziehungsweise Zuhörer ja auch gefragt: Was möchten Sie gerne den Kandidaten fragen? Großes Thema war natürlich öffentlicher Nahverkehr und Fahrradwege. Wie ist Ihre Perspektive auf diese Sache? Oder was denken Sie wo sind die dringendsten Baustellen?
Trepsdorf: Die dringenste Baustelle, die ich nach vorne bringen will als progressiver, sozialer Politiker ist, dass die ökologische Wende gerade auch eine Verkehrswende ist. Und dass sie aber auch sozial bezahlbar bleiben muss. Also es kann nicht sein, dass überall die Preise ansteigen und sich nur noch Vermögende leisten können, von A nach B zu kommen. Wir haben da in dieversen BürgerInnenforen schon gesprochen über das Thema. Ich bin der festen Überzeugung, dass nur dann Maßnahmen gegen den Klimawandel und die sozialökologische Verantwortung gelingt, wenn sie auch vermittelbar ist bei den Menschen. Wenn sie die auch annehmen. Es ist nicht in Ordnung, wenn die Leute gezwungen werden, irgendwie auf ein Elektro-Auto umzusteigen oder sich teure Heizungen einzubauen, wenn sie es sich überhaupt nicht leisten können. Das muss mit dem Alltag der Menschen irgendwie auch verknüpfbar sein. Und da ist die Politik natürlich auch in der Verantwortung, den Menschen Wege aufzuzeigen, wie das geht. Wir sind glaube ich in Schwerin in der guten Lage, wir sind nicht zu groß mit knapp 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Wir haben jetzt schon den kostenfreien SchülerInnen-Nahverkehr auf den Weg gebracht. Es gibt vom Radentscheid Schwerin eine BürgerInneninitiative, die maßgeblich und auch mit viel Sachverstand auf die Dinge eingeht. Es gibt Klimainitiativen. Es gibt auch Pläne schon zu sagen, okay wir müssen Schwerin zu einer 15 Minuten Stadt machen. Was heißt das? Dass wir tatsächlich den Radverkehr so attraktiv machen, dass viele umsteigen vom Automobil aufs Fahrrad und in 15 Minuten die wesentlichen Sachen - zum Einkauf, zur Verwaltung, um ihre Dinge zu klären, Schule und Kita etc. zu erreichen. Und dann hätten wir glaube ich eine gute Möglichkeit, Schwerin hier zu einer Fahrradhauptstadt zu machen. Warum soll uns nicht gelingen, was auch in Freiburg schon gelungen ist. Da müssen wir halt die Sachen richtig anpacken und in die Wege leiten.
Ein wiederkehrendes Thema sind ja sozusagen die kriminellen Sachen, die auf dem Marienplatz zum Beispiel passieren. In Schwerin nehmen nachweisbar die Gewaltdelikte zu. Wo glauben Sie liegen die Probleme? Sozusagen die Wurzel des Übels.
Trepsdorf: Da gibt es natürlich ein weites Spektrum an Herausforderungen, die zu bewältigen sind. Schwerin ist leider Gottes in Mecklenburg-Vorpommern die Stadt mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit. Schwerin ist ebenso die Stadt, wo Kinder und Jugendliche besonders häufig von Armut betroffen sind. 27 Prozent aller Kinder und Jugendlichen, die in Schwerin unterwegs sind, sind von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen abhängig. Und die Armut der Kinder ist oftmals auch die Armut der Eltern. Das heißt also wir müssen gucken, dass wir die Menschen mit guten Bildungsangeboten abholen. Auch in der Freizeit abholen. Dass wir ihnen Perspektiven aufzeigen können. Und dass die Menschen das Gefühl haben, ich werde keine Bürgergeldkarriere etablieren. Die Kinder und Jugendlichen müssen ermächtigt werden, sich zu emanzipieren. Sich auch von den sozialen Umständen zu emanzipieren. Ich habe die Möglichkeit und ich finde die Strukturen vor in meiner Kommune, mich aus der Armut herauszulösen. Das ist in den letzten sieben Jahren nach meinem Dafürhalten viel zu stark liegen geblieben und steht ganz oben bei mir auf der Agenda. Denn gerade der Abbau von Kinder- und Jugendarmut aber auch die Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit muss ganz vorn sein, da sind wir stecken geblieben. Was kann man machen, das war Ihre Frage. Natürlich sind neben den Maßnahmen auch Jobs nach Schwerin zu holen. Und wenn ich bei Jobs bin, dann sehe ich, dass keine Bundesbehörde angesiedelt ist. Das auch die letzten Ansiedlungsinitiativen gescheitert sind, was größere Konzerne angeht. Intel war ein großes Problem gewesen. Aber auch der Bund hatte ausgeschrieben, das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit in Europa.
Was nach Halle gegangen ist.
Trepsdorf: Was nach Halle gegangen ist. Da hatte der Oberbürgermeister, der amtierende, explizit den Auftrag, sich darauf zu bewerben. Und wir haben uns gar nicht mehr drauf beworben, weil auch leider die Landesspitze schon beizeiten gesagt hat, wir unterstützen Frankfurt/Oder bei dem Bewerbungsprozess. Und ich denke, wir müssen als Schwerinerinnen und Schweriner und können auch als Schwerinerinnen und Schweriner uns mit stolzgeschwellter Brust auch auf solche Projekte bewerben. Müssen da in der Verwaltung natürlich auch entsprechend aufgestellt sein mit dem Personal. Wir haben tolle Leute in der Verwaltung, die auch sowas angehen können. Und dann müssen wir zukünftig solche Bewerbungsanstrengungen unternehmen. Wenn man auf Intel guckt, da gib es auch ein Déjà-vu. Also Intel ist ja auch nach Magdeburg jetzt gegangen. Und wir haben das ja transparent gemacht. Interessanterweise ist ein Grund gewesen, dass wir auch in Schwerin einen Süßwassermangel haben. Das ist vielen auch nicht klar. Aber vom Grundwasserspiegel gibt es da durchaus Herausforderung.
Ja, wirklich?
Trepsdorf: Genau. Ein wesentlicher Punkt war aber gewesen, wir haben keine Hochschule. Und nach meinem Dafürhalten ist das ein klassischer Webfehler nach der Wende gewesen. Auch in den 90er Jahren. Dass die damals Verantwortlichen sich nicht dafür eingesetzt haben oder dafür gekämpft haben, einen Hochschulstandort nach Schwerin zu bekommen. Da müsste ich als Oberbürgermeister direkt Kontakt aufnehmen mit der Hochschule Wismar. Kontakt aufnehmen mit dem Land und sehen, Leute wie kriegen wir das hin? Denn wo wir junge Menschen haben, wo wir Bildungsperspektiven haben, wo wir Möglichkeiten haben qualifizierte High-Potentials, wie man im Neudeutschen so sagt, Schülerinnen und Schüler mit Abitur hier zu behalten. Dann ist es wissenschaftlich erwiesen, evident, dass es ausstrahlt auch auf weniger gebildete Bevölkerungsmilieus. Das heißt also, dass wir den Sprung schaffen mit Schwerin hin zu einer konstruktiven, ökologichen, sozialverantwortlichen Großstadt im 21. Jahrhundert. Und dann müssen in den nächsten sieben Jahren die Pflöcke eingeschlagen werden, um die soziale Schieflage zu beseitigen. Um die Bildungsdefizite zu beseitigen, insbesondere was die Hochschulbildung angeht. Um die Jugendarmut und Jugendarbeitslosigkeit zu beseitigen und um die Generationen stärker zusammenzuführen. Dafür trete ich an.
Wo müssen wir jetzt eigentlich lang?
Trepsdorf: Geradeaus. Aber ist auch eine große Herausforderung die Sie hier...
Dann hatten wir auch noch eine Zuschrift von einer Zuschauerin. Was soll mit den Schandflecken von Schwerin passieren. Zum Beispiel Zippendorf. Wie kann man da als OB, hat man da eine Handhabe, die Dinge in die Hand zu nehmen?
Trepsdorf: Ja also mit Blick auf die Herausforderungen, gerade die Entwicklung des Strandhotels mit den umliegenden Grundstücken. Einmal ist es wichtig, dass wir die Bürgerinnen und Bürger beteiligen. Und dann ist es auch wichtig, dass wir künftig viel mehr darauf achten, nicht einfach so Sahnestücke und Grundstücke in Schwerin an private Investoren einfach so herauszugeben. Es gibt ja die Möglichkeit, zum Beispiel auch über Erbpachtverträge, Regionen zu entwickeln und auch Stadtteile zu entwickeln. Und da sollten wir viel mehr darauf achten, dass wir es künftig machen. Nach meinem Dafürhalten kommen wir da um ein Bangel-Out, wie man so schön sagt, nicht heraus.
Was ist ein Bangel-Out?
Trepsdorf: Dass wir als Stadt das einem neuen Investor zuschanzen. Der alte Investor, das sind die Nachteile der Privatisierung, wird natürlich weiter seine Profitabsichten da verfolgen. Da müssen wir in Verhandlungen treten. Und das würde ich zum Beispiel als OB auch tun und sagen: Gucken sie mal hier. Für Sie ist das ein Abschreibungsobjekt. Sie wollen hier vierhundert Ferienwohnungen unterbringen. Das ist nach meinem Dafürhalten - oder nach dem Dafürhalten der betroffenen Stadtteilanrainer, der Zippendorfer nicht möglich, weil das Schlicht und ergreifend den Charakter des Stadtteils ändern würde. Da müssen wir halt gucken, dass wir eine Alternative finden. Sie haben es bisher nicht geschafft, würde ich zu dem Investor sagen, es bisher vernünftig zu entwickeln. Wir wollen die Brache beseitigen. Das ist unser Anliegen. Und da müssen wir in Verhandlungen treten. Und dann natürlich an den Investor herantreten oder natürlich auch mit einer Public Pivate Partnership zu verbinden.
Geradeaus?
Trepsdorf: Ja. Um den Stadtteil nach vorne zu bringen. Wir sind jetzt auch schon vorbeigefahren am Plattenpark.
Achso. Sie müssen mir sagen, wo ich langfahren soll.
Trepsdorf: Ja, Entschuldigung. Ist immer schwierig zu reden und Stopp zu sagen. Müssen wir nochmal irgendwo drehen. Und das ist für die Zukunft natürlich von entscheidender Bedeutung. Deswegen trete ich ja auch an. Also was die Bürgerbeteiligung angeht. Dass wir nicht erst, wenn das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wurde, auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen. Sondern, dass wir auch proaktiv die Bürgergesellschaft ansprechen. Denn das ist natürlich so, dass wir sehr viele Kompetenzen haben. Sehr viele spannende Menschen in der Zivilgesellschaft, die wir auch beteiligen wollen. Und auf diese Expertise müssen wir als Verwaltung und handelnde Politik zurückgreifen. Das kann unsere Entscheidung nur besser machen.
Im Kreisel müssen wir jetzt...?
Trepsdorf: Erstmal geradeaus. Und hier sind wir beim Plattenpark.
Wo können wir da am besten parken?
Trepsdorf: Da können wir gleich links abbiegen.
Warum haben sie sich diesen Ort hier gewählt?
Trepsdorf: Also ich finde es ganz entscheidend, dass wir Menschen auch Perspektiven aufzeigen können. Das ist die vornehmlichste Aufgabe auch von Politik. Dass wir zeigen, hej, es gibt Herausforderungen, die es zu bewältigen gibt. Es gibt einen Ressourcen-Konflikt. Es gibt Herausforderungen mit dem Klimawandel, mit der ungerechten Verteilung von gesellschaftlichen Reichtümern. Aber es gibt Möglichkeiten, diese Herausforderungen anzupacken und wir haben eine gute Wertebasis, auf die wir zurückgreifen können. Das ist die allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit den 30 Artikeln vom 10. Dezember 1948. Natürlich ist es das Grundgesetz. Und ich finde, auch ein OberbürgermeisterInnen-Wahlkampf ist natürlich immer auch ein Wettbewerb. Aber ich finde es wichtig, dass wir Wertebasis immer wieder auch betonen. Trotz aller politischer Unterschiede im Detail. Und dass wir die Menschen zusammenführen und nicht spalten. Und deswegen habe ich mir den Plattenpark ausgesucht, einmal im herausfordernden Stadtteil aber auch in einem Stadtteil, der sehr viel Hoffnung und sehr viel Potenzial bietet und ich glaube, da müssen wir an die Menschen ran um die gemeinsam zu aktivieren.