Beratung für Fachkräfte aus dem Ausland vor dem Aus

Stand: 23.11.2022 18:34 Uhr

von Jette Studier, Politik und Recherche NDR MV

Fachkräfte wie Oleh Koval werden in Mecklenburg-Vorpommern händerringend gesucht. Der Ukrainer hat in seiner Heimat Medizin studiert, mit der Fachrichtung Orthopädie und Unfallchirurgie. Seit Dezember vergangenen Jahres ist er nun in Mecklenburg-Vorpommern, um hier als Arzt zu arbeiten. Doch seine ersten Versuche, Studium und Abschluss in Deutschland anerkennen zu lassen, scheiterten: "Ich wusste nicht, welche Unterlagen man genau braucht", erzählt er, "ich habe zuerst auch eine falsche Übersetzung gemacht und sehr viel Zeit verloren - und auch Geld".

"Behördendschungel-Deutschland": Der lange Weg zur Anerkennung

Koval hatte seine Zeugnisse bereits in der Ukraine übersetzen lassen. Doch für Mediziner in Mecklenburg-Vorpommern gilt: Übersetzungen müssen von einem öffentlich bestellten und vereidigten Dolmetscher gemacht werden - sonst sind sie für die Berufsanerkennung wertlos. Das sei ein Problem, das ihr häufig begegne, sagt Imke Brandt. Sie berät in Schwerin Fachkräfte aus dem Ausland bei der Anerkennung ihrer Berufe. Für die meisten von ihnen sei es schwer, überhaupt herauszufinden, welches ihr sogenannter Referenzberuf in Deutschland sei und welche Stelle demnach für ihre Anerkennung zuständig ist: "Das sind alles Experten für ihr Fach und ihre Branche", erzählt sie, "aber sie sind keine Experten für den Behörden-Dschungel in Deutschland."

Förderung für weite Teile in MV entfällt

Eine MV-Karte zeigt die Berungsstellen in Rostock, Greifswald, Neubrandenburg und Schwerin. © NDR.de Foto: NDR.de
Nur der Träger für Neubrandenburg und Greifwswald erhält weiterhin eine Förderung.

In diesem Dschungel helfen ihnen Beraterinnen wie Imke Brandt derzeit noch in ganz Mecklenburg-Vorpommern. Im sogenannten "IQ-Netzwerk" arbeiten die Beratungsstellen in Schwerin, Rostock, Greifswald und Neubrandenburg, fahren aber auch zu Terminen in kleineren Städten rund um die Zentren. Doch diese flächendeckende Beratung, die bislang vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert wurde, steht nun vor dem Aus. Nur der in Neubrandenburg und Greifswald ansässige Träger bekommt nach jetzigem Stand weitere Fördermittel nach Jahresende. Im Westen des Landes, und im Raum Rostock sowie Vorpommern-Rügen müssten die Träger ihre Arbeit einstellen. Sie stünden offziell auf einer Warteliste, so Imke Brandt, doch das Bundesministerium habe ihnen auch mitgeteilt, dass mehr als 99 Prozent der Fördermittel bereits vergeben seien.

Beraterin: "Die Leute sind dann auf sich allein gestellt"

Falls es so kommt, sieht Imke Brandt ihre Klienten vor dem Nichts: "Die Leute sind dann auf sich allein gestellt", sagt sie. Viele seien mitten im Anerkennugnsprozess, teils schon seit Jahren. "Wir wissen nicht, an wen wir sie weitergeben sollen. Das ist ein Desaster.“ Auch die Arbeitgeber in Mecklenburg-Vorpommern können die Förderpolitik des Bundesministeriums nicht nachvollziehen: "Das ist weder arbeitsmarkt- noch wirtschaftspolitisch noch integrationspolitisch zu verstehen", sagt Jens Matschenz vom Unternehmerverband VUMV. "Wir haben ein Fachkräfteproblem in ganz Deutschland. Wir brauchen Zuwanderung", meint er. Es sei nicht die Zeit, Beratung einzuschränken, sondern mehr davon anzubieten.

Bundesministerium sieht auch Länder in der Pflicht

Das zuständige Bundesarbeitsministerium verweist auf Anfrage des NDR MV darauf, dass endgültige Entscheidungen noch nicht getroffen seien und das Antragsverfahren noch laufe, erklärt aber auf Nachfrage in seiner schriftlichen Stellungnahme auch: "Es ist aus Sicht des BMAS wünschenswert und erforderlich, dass sich verschiedene Akteure (auch die Länder) bei der Integration von Migranten und Migrantinnen in den Arbeitsmarkt einbringen und den Anerkennungsprozess unterstützen."

Landesarbeitsministerium verweist zurück an den Bund

Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) © NDR.de Foto: NDR.de
Die Auswahlentscheidung sei "unverständlich" und "ein fatales politisches Signal", sagt Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD)

Das Landesarbeistministerium kennt das Problem. Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) lässt mitteilen, er habe sich bereits mit einem Brief in dieser Frage an das Bundesministerium von Hubertus Heil (SPD) gewandt. Man verfolge das Verfahren "mit großer Sorge", heißt es darin. Die Auswahlentscheidung sei "unverständlich" und "ein fatales politisches Signal". Die Entscheidungen müssten dringend korrigiert werden, so Meyer. Ob es dazu kommt, dazu sagt aber auch der Landesminister nichts. Nur soviel: Man sei derzeit in Gesprächen mit der Bundesagentur für Arbeit. In der Pflicht sieht er auf jeden Fall den Bund.

Egal, woher die Mittel am Ende kommen, der Arzt Oleh Koval hofft in jedem Fall, dass er weiter Hilfe bekommt - auch für die bürokratischen Schritte nach seiner Berufserlaubnis. Wenn alles glatt geht, könnte er ab April in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten. Eine Zusage für eine Stelle hat er schon.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 23.11.2022 | 17:10 Uhr

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