Bedrohter Kiebitz: "Gaukler der Lüfte" auch in MV stark gefährdet
Der Kiebitz ist Vogel des Jahres. Der Naturschutzbund (Nabu) will damit auf die vielen Probleme aufmerksam machen, die der Bodenbrüter hat.
Ein Kiebitz tippelt durch die Wodorfer Wiesen bei Wismar. Lothar Daubner schaut durch sein Spektiv und kann die lange Federhaube auf dem Kopf des Vogels klar erkennen. Sein schwarz-weißes Gefieder glänzt in der Sonne.
Die Wodorfer Wiesen gehören zu einem Europäischen Vogelschutzgebiet, Teile der Wiesen sind feucht und kurz. Innerhalb eines Moorschutzprojektes des Landes wird hier versucht, das Wasser in der Landschaft zu halten. In diesem Gebiet zählt Lothar Daubner Kiebitze im Auftrag des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg. Der taubengroße Vogel hat hier nahezu perfekte Bedingungen. "Der Körperbau ist so angepasst, dass er in hoher Vegetation nicht zurechtkommt. Er hat keine Übersicht übers Gelände. Er braucht diese kurzgrasigen Teile der Landschaft und er braucht die feuchten Böden". Dort findet der Kiebitz seine Nahrung.
Larven und Regenwürmer auf dem Speiseplan
Gerade zieht ein Kiebitz einen Regenwurm aus dem feuchten Boden. Er frisst zudem Larven von Insekten. Ausgetrocknete Böden sind für den Kiebitz schlecht, weil er dann keine Nahrung findet. "Auch seine Küken verhungern dann qualvoll". Lothar Daubner ist Tierarzt im Ruhestand. Er schätzt, dass in den Wodorfer Wiesen in diesem Frühjahr etwa zehn bis 15 Kiebitzpaare brüten, Platz wäre für 30 Paare, so der Ornithologe. "Wir hatten eine hohe Anzahl an Trockenjahren, wo zeitig im Frühjahr das Wasser aus der Landschaft verschwunden und es im Laufe des Jahres so geblieben ist". Das zog laut Daubner viele Verluste mit sich.
Kiebitz ist stark gefährdet
Der Kiebitz gilt europaweit als gefährdet, deutschlandweit als stark gefährdet. In Mecklenburg-Vorpommern wurden zuletzt zwischen den Jahren 2005 und 2009 Brutpaare gezählt. Damals wurde ihre Zahl mit höchstens 3.400 Brutpaaren angegeben. Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern (OAMV) macht darauf aufmerksam, dass es hierzulande Jahre mit bis zu 8.000 Brutpaaren gab (1978-1982). Vogelkenner verweisen immer wieder darauf, wie schwierig es ist, genaue Daten über den Kiebitz zu erfassen, da er oft im Verborgenen brütet und Freiwillige zählen. Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft MV geht davon aus, dass aktuell deutlich weniger Kiebitze hierzulande brüten als in der Vergangenheit. Bundesweit ist seine Population allein zwischen 1980 und 2016 um 93 Prozent zurückgegangen.
Zählen für die Forschung
Aktuell möchte der Nabu Mecklenburg-Vorpommern herausfinden, wie viele Brutpaare es hierzulande gibt und vor allem wo. Jeder kann gesichtete Paare bis Ende Juni über die kostenfreie Web-App "Vielfalt erforschen" melden. Lothar Daubner baut gerade regelmäßig sein Spektiv auf, nicht nur bei den Wodorfer Wiesen, auch in anderen Regionen, um nach Kiebitzen Ausschau zu halten. Ziel des aktuellen Monitorings ist es, zu bewerten, wie sich die Population hierzulande entwickelt und welche Schutzprojekte der Kiebitz im Detail benötigt.
Lebensraum schwindet
In der Vergangenheit wurden zahlreiche Flächen entwässert, um sie landwirtschaftlich nutzen zu können. Ornithologen beobachten, dass sich der Kiebitz bereits seit den 1930er-Jahren versucht anzupassen. Er brütet auch auf Ackerflächen. "Er hat dort oft keine Chance mehr, seine Brut hochzuziehen, weil immer dann, wenn die Jungvögel gerade mal den Kopf aus dem Ei stecken, kommt die nächste Maschine und walzt sie wieder platt", so Lothar Daubner. Der Nabu schlägt vor, Gelege zu markieren, einzuzäunen und vorsichtiger, etwa von innen nach außen zu mähen.
Mehr Feuchtwiesen für den Kiebitz
Naturschützer und Ornithologen wie Lothar Dauber wollen in diesem Jahr aufklären, dass der Vogel des Jahres zum Beispiel Feuchtwiesen braucht, mehr Biotope wie die Wodorfer Wiesen. Die Renaturierung ist in den Augen von Lothar Daubner ein wichtiger Schritt. "Das bringt Vielfalt mit sich. Neben dem Kiebitz kommen dann auch die Bekassine zurück, der Rotschenkel oder bestimmte Entenarten wie etwa die Schnatterente". All diese Arten würden von wiedervernässten Landschaften profitieren.
Rohrweihe macht es dem Kiebitz schwer
Der Kiebitz ist ein Bodenbrüter und seine Eier oder Küken leichte Beute für Marderhund, Fuchs oder Rohrweihe. Dieser selten gewordene Greifvogel lebt im selben Gebiet und hält gern Ausschau nach Kiebitz-Küken, die er dann an seine Jungen verfüttert. "Das erscheint grausam, aber man muss das auch aushalten können und Natur Natur sein lassen". Ein großes Problem ist laut Daubner der Waschbär. Der Eierdieb streift durch die Feuchtwiesen und räubert die Gelege.
Sympathieträger Kiebitz
Lothar Daubner hofft, dass er den Vogel noch lange beobachten kann, der wegen seines auffälligen Flugstils auch als "Gaukler der Lüfte" bezeichnet wird. Der Kiebitz bewegt sich wie ein Akrobat durch die Luft. "Seine galanten Flugkünste, das ist das, was mich begeistert am Kiebitz". Der Kiebitz ist ein Zugvogel, allerdings ein Kurzstreckenflieger. Im Winter bevorzugt er wärmere Regionen unter anderem in Frankreich und Spanien.