Hühner in der Solidarischen Landwirtschaft in Upahl

Artgerechte Haltung durch Hühnerpatenschaften

Stand: 22.01.2021 06:24 Uhr

Vergaste Küken, eng eingepferchte, ausgelaugte Hennen - immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher sehen industrielle Eierproduktion skeptisch. Sogenannte Hühnerpatenschaften ermöglichen mehr Tierwohl.

von Astrid Wulf

Die Hühner auf dem Hof in Upahl in Mecklenburg Vorpommern wirken entspannt. Sie haben volles, weißes Gefieder und sehen gesund aus. Weil es - unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern, Fälle von Geflügelpest gab - sind sie in Quarantäne und müssen im Stall bleiben. Doch normalerweise sind sie draußen auf den Wiesen direkt am angrenzenden Gemüsehof, können picken, scharren und sandbaden, wie Gemüse- und Geflügelbauer Johannes Walzer sagt. Paradiesische Zustände - und die Eier gehen an die Paten. Das funktioniert so: Die Kunden finanzieren gegen einen monatlichen Betrag die nachhaltige Aufzucht von Hühnern sowie den Bruderhähnen, und bekommen im Gegenzug Hühnerfleisch und Eier von glücklichen Tieren - so zumindest das Versprechen der Anbieter. Johannes Walzer erklärt: "Man hat eigentlich keine Patenschaft für nur ein Huhn. Stattdessen teilen wir, was die gesamte Herde gelegt hat, und rechnen das auf ein Huhn runter. Diese Anzahl an Eiern bekommt man jede Woche. Zusätzlich bekommt man nach etwa 18 Monaten, am Ende der Legeperiode, die Henne als Suppenhuhn und den Bruderhahn."

Hühnerpatenschaft: Eier, Henne und Bruderhahn sind inklusive

Schon länger versorgen Joahnenes Walzer und seine Partnerin Laura-Kristin Koch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer Solidarischen Landwirtschaft mit Gemüse. Dahinter steckt ein Direktvermarktungskonzept, bei dem sich die Teilnehmer*innen über längere Zeit fest an einen Hof binden und wöchentlich das bekommen, was die Äcker und Gewächshäuser gerade hergeben. Das Konzept ist sehr im Trend. Zusätzlich bieten die Landwirte nun auch Hühnerpatenschaften an - für elf Euro im Monat. Damit sind die Bio-Eier etwa so teuer wie im Biomarkt, obendrauf gibt es die Legehenne und den Bruderhahn auch in Bio-Qualität.

Nichts für Vegetarier und Veganer

Johannes Walzer und Laura-Kristin Koch von der Solidarischen Landwirtschaft in Upahl
Johannes Walzer und Laura-Kristin Koch haben sich während ihres Studiums kennengelernt.

Das Interesse an den Patenschaften sei hingegen noch etwas verhalten, sagt Laura-Kristin Koch. Von rund 230 Patenschaften sind erst 100 vergeben: "Gerade für die Vegetarier, die gerne Eier essen, ist es eine Umstellung, denn die wollen das Fleisch eigentlich gar nicht. Aber darum geht es uns halt auch ein bisschen. Da aufzuklären, dass es keine Eier gibt, ohne dass zwei Tiere dabei den Tod finden werden. Wir wollen die bestmöglich aufziehen und ihnen ein schönes Leben, das ist Teil des Konzepts."

Die Sicherheit, dass es den Tieren gut geht

Hühner auf der Wiese in der Solidarischen Landwirtschaft in Upahl
Durch die Art der Haltung auf dem Hof wird garantiert, dass die Tiere ganzjährig Auslauf im Freien bekommen.

Einmal in der Woche bekommen die Patinnen und Paten ihre Eier. Ausgeliefert wird zusammen mit dem Gemüse in die Depots in Schwerin und Lübeck. Das Lübecker Depot ist eine private Garage. Wer mitmacht, hat einen Schlüssel. Karen Giller wohnt hier. Sie ist Solawi-Teilnehmerin und Hühnerpatin: "Ich wohne hier und habe immer mitbekommen, wie Obst, Gemüse und Eier gebracht werden. Da mein Sohn sehr gerne Pfannkuchen isst, fand ich es gut, die Eier gleich hier zu bekommen. Außerdem finde ich es sehr besonders, Patin von einem Huhn und einem Hahn zu sein. Das ist ja schon nicht normal so." Sie findet, es gebe genug, was sie nicht weiß - und will wenigstens wissen, dass es den Hühnern gut geht, die ihre Eier legen und als Suppenhuhn im Topf landen. Und dass die Hähne nicht geschreddert werden, sondern artgerecht aufwachsen dürfen: "Einen Hahn haben wir schon als Grillhähnchen verspeist und das war auch sehr lecker. Man hat gleich geschmeckt, dass er ein sehr gutes Leben hatte."

Landwirtschaft wird wieder greifbarer

Johannes Walzer neben Eiern seiner Hühner in der Solidarischen Landwirtschaft in Upahl © NDR Foto: Astrid Wulf/NDR
Johannes Walzer sagt, seine Hühner, seien weder ausschließlich auf Eierlegen noch auf Fleischansatz gezüchtet.

Ralf Loges von der Uni Kiel, Agrarwissenschaftler mit Schwerpunkt ökologischer Landbau, glaubt, dass dank Vermarktungswegen wie solidarischer Landwirtschaft und auch Hühnerpatenschaften Verbraucherinnen und Verbraucher wieder ein realistisches Bild von Landwirtschaft bekommen können: "Es ist der enge Kontakt zwischen Landwirt und dem Verbraucher, der zurzeit so gut wie gar nicht mehr vorhanden ist. Schließlich können auch Öko-Betriebe enorm groß sein. Der Verbraucher lernt auch, dass Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung kein Ponyhof, kein Streichelzoo ist." Damit die Hühnerpatenschaften profitabel werden, müssten noch mehr Patinnen und Paten her, sagen die beiden Solawi-Betreiber. Sie sind sich allerdings sicher, nach und nach immer mehr dafür begeistern zu können. "Gerade jetzt in Krisenzeiten haben wir gemerkt, dass den Leuten nicht nur wichtig ist, wo die Lebensmittel herkommen, sondern auch die Sicherheit zu haben, dass sie was bekommen. Die Regale waren ja teilweise unbegründet auch leergekauft. Einen lokalen Produzenten zu unterstützen wird gleichzeitig immer wichtiger."

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 22.01.2021 | 08:50 Uhr

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