Luxemburg Leaks: Kritik an Juncker wächst
Nach der Veröffentlichung geheimer Steuerdaten aus Luxemburg wächst die Kritik an dem Großherzogtum. Auslöser sind Absprachen, die die luxemburgische Steuerverwaltung mit Konzernen aus der ganzen Welt getroffen hat. Das geht aus Unterlagen hervor, die NDR, WDR und die "Süddeutsche Zeitung" zusammen mit internationalen Medienpartnern ausgewertet haben. Darin finden sich große internationale Konzerne wie Pepsi, FedEx, Ikea, die Deutsche Bank, Amazon und Fresenius, aber auch mittelständische Unternehmen.
"Die Enthüllungen befördern das Thema auf der Agenda weiter nach oben und verstärken den Druck auf die Politik, zu handeln - falls es tatsächlich verbotene Staatshilfen gegeben hat", sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager der dänischen Zeitung "Politiken". Mit Blick auf das bereits laufende EU-Prüfverfahren gegen Luxemburg, Irland und die Niederlande fügte sie hinzu: "Wir werden mit unseren Untersuchungen fortfahren und sie intensivieren."
Schäuble: "Noch viel zu tun"
In einer ersten Reaktion kritisierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die fragwürdigen Steuerpraktiken der Konzerne. "Es kann ja nicht sein, dass sich wenige auf Kosten vieler bereichern", sagte er am Donnerstag vor dem Bundestag. Dies gelte für Staaten wie Unternehmen sowie für kleine wie große, betonte er in einer Regierungserklärung. Im Kampf gegen legale und illegale Steuerhinterziehung bleibe "noch viel zu tun". Auf die von Luxemburg genehmigten Steuergestaltungen ging er nicht konkret ein. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte der SZ (Freitagsausgabe), Staaten dürften Steuerdumping nicht zum Geschäftsmodell erheben. Wer das dennoch tue, "legt die Axt an die europäische Solidarität". Gabriel forderte: "Dieser Spuk muss so schnell wie möglich aufhören." SPD-Finanzexperte Carsten Schneider forderte vom ehemaligen Luxemburger Premier- und Finanzminister und jetzigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker umgehend eine Aufklärung. Juncker müsse sagen, was er von den Handlungsweisen der Behörden seines Landes gewusst habe.
Glaubwürdigkeit Junckers "beschädigt"
Der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, bezeichnete Junckers Glaubwürdigkeit als "beschädigt". Er sei in Luxemburg für "die Einführung der maßgeschneiderten Steuerbescheide" verantwortlich gewesen und habe sich "zum Komplizen von Steuerdrückern" gemacht und damit den Nachbarstaaten und Europa geschadet. Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Sara Wagenknecht, sieht Juncker für die Steuerpraxis in Luxemburg in der Verantwortung. Es sei bemerkenswert, dass offenbar "Beihilfe zur Steuerhinterziehung" in Europa für höchste Ämter prädestiniere. Der Bundesregierung warf sie Untätigkeit vor, weil sie nicht mit deutschen Gesetzen der Steuerflucht einen Riegel vorschiebe.
Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, kritisierte die Steuertricks deutscher Konzerne scharf. Holznagel sagte der "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe), das Verhalten der Unternehmen möge in Luxemburg legal sein, "doch global gesehen handeln sie unfair". Auch Großkonzerne müssten dort Steuern zahlen, wo sie ihr Geld verdienten.
Luxemburg verteidigt Steuerpraktiken
Die luxemburgische Regierung verteidigte die Steuerpraktiken im Großherzogtum und bezeichnete als rechtmäßig. "Luxemburg hält sich an nationale Gesetze und internationale Gesetze", sagte Regierungschef Xavier Bettel am Donnerstag vor Journalisten im Großherzogtum. Der Finanzminister des Landes, Pierre Gramegna, sagte, ähnliche Praktiken gebe es in vielen anderen Ländern. Die seit Ende 2013 in Luxemburg amtierende Regierung von Liberalen, Sozialisten und Grünen sei grundsätzlich zwar gegen "steuerliche Optimierungen", doch könne Luxemburg diese nicht alleine beseitigen.
Juncker zeigt sich gelassen
Ein Sprecher Junckers sagte in Brüssel, Juncker selbst habe auf die "sehr gelassen" auf die Vorwürfe reagiert. Die zuständige EU-Wettbewerbskommissarin Vestager werde diese vollkommen unabhängig untersuchen. Dabei verwies er auf das bereits laufende Prüfverfahren, das neben Luxemburg auch Irland und die Niederlande beträfe. Zu Detailfragen müsse die derzeitige luxemburgische Regierung Stellung nehmen. Falls das Großherzogtum EU-Regeln gebrochen habe, sei die EU-Kommission sei zu einer Bestrafung Luxemburgs bereit.
PwC: "Massive Kampagne gegen das Großherzogtum"
Die Steuer- und Finanzberatungsfirma PriceWaterhouseCoopers (PWC) sieht in den Veröffentlichungen über die Steuerminimierung großer Konzerne in Luxemburg "eine massive Kampagne gegen das Großherzogtum". Der Manager des Unternehmens in Luxemburg, Didier Mouget, bestätigte am Donnerstag, dass die Veröffentlichungen in verschiedenen europäischen Medien "sehr wahrscheinlich auf Unterlagen aus unserem Haus" beruhten. Schon 2012 habe PWC wegen Diebstahls von Dokumenten eine Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Mouget wies darauf hin, dass Manager verpflichtet seien, "die Verpflichtungen ihres Unternehmens gegenüber dem Fiskus bestmöglich zu strukturieren". Die Steuerberater von PWC hätten nichts Illegales getan. "Wir reden über Aktivitäten, die täglich in einer Vielzahl europäischer Länder praktiziert werden."