Big Four: Die Rolle der Beraterfirmen
Auf den mehr als 340 Dokumenten, die internationale Journalisten in den vergangenen Monaten ausgewertet haben, prangt stets dieselbe Anschrift: Route d’Esch 400 in 1014 Luxemburg. An dieser Adresse sitzt ein Unternehmen, das das Geschäft mit den Steuererklärungen der Unternehmen perfekt beherrscht: PricewaterhouseCoopers, Ableger Luxemburg. Hier entwickelten die Berater die komplexen Umstrukturierungen und Schlupflöcher, mit denen Firmen wie E.ON, Pepsi und Ikea ihre Steuerlast radikal drücken - zur Freude der Anleger und zu Lasten der Staatskassen.
Die Big Four
Vier Unternehmen sind es, die das maßgeschneiderte Beraten der multinationalen Firmen perfektioniert haben: PricewaterhouseCoopers (PwC), Deloitte, KPMG und Ernst&Young, die sich neuerdings nur noch EY nennen. Gemeinsam haben sie sich den Spitznamen Big Four erarbeitet: die vier Großen, die den lukrativen Markt der Unternehmensberatung im Griff haben. Zusammen beschäftigen sie ein Heer von über 700.000 Beratern, Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern und erwirtschaften einen Jahresumsatz von mehr als 100 Milliarden US-Dollar. Sie beraten nahezu jedes börsennotierte Unternehmen der Welt, prüfen Bilanzen, geben Rechtsauskünfte und erstellen Konzepte, um die Effizienz zu trimmen. Und natürlich optimieren sie die Steuern. PwC alleine setzte nur mit seiner Steuer-Abteilung im vergangenen Jahr fast neun Milliarden US-Dollar um – mehr als der Internet-Gigant Facebook.
"Die Big Four sind in jeder Steueroase dieser Welt aktiv"
Das Angebot, das PwC und Co. den großen Firmen bieten, ist simpel: Gib du uns ein paar Tausend, wir sparen dir Millionen. Den Schaden tragen alle anderen Steuerzahler. Allein in Deutschland gehen den Finanzämtern durch die Tricks der Berater je nach Schätzungen zwischen 20 und 30 Milliarden Euro verloren, jedes Jahr. Es ist ein ungleicher Kampf: "Aus meiner Einschätzung ist die deutsche Finanzverwaltung restlos unterlegen", sagt der ehemalige Steuerfahnder Frank Wehrheim. "Auf einen Finanzbeamten, der diesem Bereich prüft, kommen bestimmt 20 Leute, 30 Leute und mehr auf der anderen Seite." Ähnlich sieht es auch Richard Murphy, der früher selbst für KPMG gearbeitet hat und heute Mitglied im Internationalen Netzwerk Steuergerechtigkeit ist: "Die Welt hat sich verändert, als die großen Beratungsfirmen anfingen, Steuerminimalisierung als Produkt zu verkaufen", sagt er. "Ohne die Big Four gäbe es keine Steueroasen in dieser Welt. Man muss das ganz deutlich sagen: Die Big Four sind in jeder Steueroase dieser Welt aktiv."
Schmaler Grad zwischen Legalität und Kriminalität
In den Leitlinien von PwC Deutschland liest sich das ein wenig anders: "Wir handeln gesellschaftlich verantwortungsvoll. Unsere Geschäftspraktiken sind ethisch vertretbar", heißt es dort. Und: "Wir tragen aktiv zur Entwicklung des Gemeinwesens bei." Nach außen geben sich die Berater, die sonst alles daran setzen, dass ihre Aktivitäten im Verborgenen bleiben, fröhlich und offen. PwC Luxemburg präsentiert auf seiner Homepage lustige Partybilder, auf einem eigenen Youtube-Kanal dürfen Mitarbeiter das Unternehmen preisen. In Wirklichkeit überschreiten die Big Four jedoch regelmäßig den schmalen Grat zwischen dem, was gerade noch so legal ist, und handfester Wirtschaftskriminalität. Erst im August musste PwC in New York 25 Millionen US-Dollar Strafe zahlen, weil sie einem Kunden geholfen hatten, illegale Geschäfte mit dem Iran zu verschleiern. Und 2012 wurde PwC in Großbritannien zu einer Millionenstrafe im Zusammenhang mit faulen Papieren der Bank JP Morgan verurteilt. Zurzeit ermittelt die EU-Wettbewerbskommission auch im Falle eines prominenten Kunden von PwC Luxemburg: Der Versandhändler Amazon soll 2003 unsaubere Steuerdeals mit Luxemburg ausgehandelt haben. Von wem Amazon in diesem konkreten Fall beraten wurde, ist unklar. Die Dokumente aus den Luxemburg Leaks zeigen allerdings, dass Amazon sich zumindest 2010 und 2011 von PwC beraten ließ.
Aggressive Steuerplanung oder Steuerinnovation?
Die Europäische Kommission spricht bei den Dienstleistungen, die PwC, KPMG und Co. in ihren Steuerabteilungen entwickeln, von "aggressive tax planning" (aggressive Steuerplanung). Bei den Big Four stößt man sich an dieser Bezeichnung. KPMG nennt seine Arbeit lieber "Tax Innovation" (Steuerinnovation). Dazu haben sie Ende der 90er sogar ein eigenes "Tax Innovation Centre" gegründet. Die Innovation besteht freilich allein darin, unter Ausnutzung weltweiter Steuerschlupflöcher neue Beratungsprodukte entwickeln, die man möglichst vielen Firmen verkaufen kann. PwC entwickelte zur gleichen Zeit einen Steuertrick, den die US-Steuerbehörden später als missbräuchlich einstuften. Der Name: Bond and Option Sales Strategy (BOSS). Auch im Verkauf der Steuertricks setzen die Big Four auf Kreativität und Diskretion. "Kundenpräsentationen wurden auf Kreidetafeln oder abwischbaren Whiteboards durchgeführt und schriftliches Material wurde den Kunden wieder abgenommen, bevor sie das Meeting verlassen haben", heißt es in einem Bericht des US-Senats zu den Arbeitsmethoden der großen Beratungsfirmen. Hauptsache keine Spuren hinterlassen.
Deloitte schiebt Schuld auf Politik
Auf Anfrage teilte ein Sprecher von EY mit, man betrachte es als seine Aufgabe "Unternehmen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben verschiedene Möglichkeiten einer sinnvollen Steuerplanung aufzuzeigen". KPMG äußerte sich ähnlich, gesetzliche Vorgaben würden "vollumfänglich beachtet". Deloitte sagt ebenfalls, man handle nur nach geltendem Recht und schiebt die Schuld auf die Parlamente: "Frage nach dem fairen Beitrag von Unternehmen zum Steueraufkommen", heißt es in einer Stellungnahme, sei allein "auf politischer Ebene zu lösen". PwC wollte sich auf Nachfrage von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" nicht zu seinen Geschäften äußern. Ein Sprecher teilte lediglich mit man werde einzelne Vorgänge in Luxemburg nicht kommentieren. Schließlich sei die Arbeit mit Firmenkunden äußert vertraulich.
Kein Kommentar von PwC zu Luxemburg
Fast zur gleichen Zeit erreicht uns ein Schreiben einer Anwaltskanzlei, beauftragt von PwC. Darin steht, man halte sich weltweit an einen Verhaltenskodex, der keine unethischen Verhaltensweisen erlaube. Zu den Dokumenten des Leaks erklärt die Beratungsgesellschaft, diese seien "gestohlen" und "veraltet". In einem Internet-Video geht der Chef von PwC in Luxemburg, Didier Mouget, etwas offener mit Informationen zu seiner Firma um. Demnach sind die Berater in Luxemburg extrem erfolgreich: In den vergangenen zehn Jahren konnten PwC Luxemburg die Umsätze verdreifachen, auf zuletzt fast 290 Millionen Euro. Die Umsätze der Beratungs- und Steuerabteilungen wachsen jährlich deutlich zweistellig. PwC gehört zu den größten Arbeitgebern im Land, allein 2014 wird das Unternehmen 600 neue Mitarbeiter einstellen.
PwC Luxemburg: Kristallpalast auf 30.000 Quadratmetern
Dass die Geschäfte gut laufen, sieht man auch ohne Blick in die Jahresabschlüsse, in einem Vorort von Luxemburg Stadt. Im Quartier Ban de Gasperich. Wenige Autominuten von Luxemburgs historischer Altstadt entfernt, hat PwC gerade einen gigantischen Neubau namens "Crystal Park" bezogen. In der Größe eines Einkaufszentrums vereint der neue Kristallpalast auf 30.000 Quadratmetern Arbeitsplätze für mehr als 2.500 Mitarbeiter, ein gigantisches Atrium, ein eigenes Sportstudio, ein Restaurant und eine Bar. Hier ist alles auf Effizienz getrimmt, feste Arbeitsplätze gibt es nicht, wer einen Schreibtisch braucht, kann ihn per PwC-App von seinem Smartphone buchen, den Firmenwagen für die Fahrt in die Innenstadt oder ein Fahrrad ebenfalls. Und nach Feierabend können die Steuerexperten sich in dem Park entspannen, in den PwC den Glas-und-Stahl-Klotz gesetzt hat. Vielmehr, setzen ließ: Die Berater ließen das Gebäude von einer anderen Firma bauen und verkauften es dann an eine belgische Versicherung. PwC hat indes nur langfristig gemietet - das ist günstiger für die eigene Unternehmensstruktur.