NDR Info - Redezeit
Donnerstag, 09. November 2023, 20:33 bis
22:00 Uhr, NDR Info
NDR Info Redezeit: Welche Rolle spielt die Erinnerungskultur?
Hörerinnen und Hörer haben in der NDR Info Redezeit zusammen mit Experten über moderne Erinnerungskultur diskutiert. Die komplette Sendung als Video-Mitschnitt.
Die Reichspogromnacht am 9. November 1938 markiert eine der dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte. Juden wurden ermordet oder verschleppt, Synagogen und Geschäfte jüdischer Bürger zerstört. Wie erinnern wir uns heute an den Tag vor 85 Jahren?
Am 9. November 1938 befehlen die Nationalsozialisten, jüdische Geschäfte und Synagogen zu zerstören. Es folgt eine Welle der Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland. In der Reichspogromnacht zum 10. November 1938 werden jüdische Läden und Synagogen ausgeraubt, demoliert und angezündet. Juden werden ermordet oder verschleppt. Viele werden in Konzentrationslager gebracht, wo sie später sterben.
"Wohnung verwüstet, Fenster eingeschlagen"
Eine Zeitzeugin der Pogromnacht erinnert sich in einem Gespräch mit dem NDR im Jahr 1978 an den 10. November 1938 in Hannover: "Wir hörten in unserer Wohnung draußen einen Tumult und ahnten nicht, was da war. Mein Junge lief natürlich gleich runter, um zu sehen, was da los war. Er kam zurück und sagte: 'Die schlagen da unten die Wohnung kaputt, die SA.' Wir guckten aus dem Fenster und sahen, dass sie mit schweren Gegenständen tatsächlich die Parterrewohnung verwüsteten, Fenster einschlugen. Wir sahen, wie sie auch den Küchenschrank zerschlugen. Wir wussten nicht, dass da eine jüdische Familie wohnte, aber das erfuhren wir dann."
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Zeitzeugen berichten
Welche Rolle spielt das Erinnern an die Reichspogromnacht vor 85 Jahren? Der 90-jährige Ivar Buterfas-Frankenthal aus Jesteburg ist Zeitzeuge. Seit mehr als 30 Jahren tourt er durch Deutschland und erzählt Schülerinnen und Schülern, was er in der NS-Zeit erlebt hat. "Meine Mission ist, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholt", sagt er im Interview mit NDR Info. Nur durch Aufklären könne verhindert werden, dass sich Geschichte wiederholt. "Wir haben zu viel verdrängt und dadurch, dass wir verdrängt haben, wundern wir uns jetzt, dass sich die Vergangenheit wiederholt."
Erinnern auf TikTok
Auch in den sozialen Medien gibt es neue Ideen, um die Erinnerung wach zu halten. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme informiert auf dem Videoportal TikTok über die Zeit des Nationalsozialismus und den Holocaust. Die 26-jährige Marie Zachger ist eine der Presenterinnen. Weltweit ist die Gedenkstätte damit Vorreiterin und ein Beispiel dafür, wie digitale Erinnerungskultur weiterentwickelt wird.
In vielen Städten in Deutschland wird am 9. November der Opfer der Reichspogromnacht gedacht. Kränze werden niedergelegt, Stolpersteine geputzt. Doch wie gelingt es, die Erinnerung wach zu halten? Wie wichtig ist uns in unserer Gesellschaft Erinnerungskultur noch? Und was lernen wir gerade aktuell aus der Vergangenheit?
NDR Info Moderator Marius Zekri begrüßt als Gäste:
Ivar Buterfas-Frankenthal
Holocaust-Überlebender
Dr. Ulrike Jureit
Historikerin an der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur
Marie Zachger
Presenterin des TikTok-Kanals der KZ-Gedenkstätte Neuengamme