Wenig Spendenbereitschaft für Myanmar: "Gerade viel an Krisen"
Während das Leid der Erdbebenopfer in Myanmar hoch ist, bleibt die Spendenbereitschaft für sie in Deutschland verhalten. Als Gründe dafür vermuten Hilfsorganisationen, dass es kaum Bilder von vor Ort und keine geografische, persönliche und emotionale Bindung zu dem Land gibt.
Eine Meldung aus den Hörfunk-Nachrichten auf NDR Info aus der vergangenen Woche: "In Myanmar steigt die Zahl der Toten nach dem schweren Erdbeben weiter an. Hilfsorganisationen sprechen von katastrophalen Verhältnissen. Nach Angaben des Nothilfebüros der Vereinten Nationen fehlt es an Unterkünften, Nahrungsmitteln und Trinkwasser."
Zudem warnen internationale Hilfsorganisationen, dass die anhaltend extreme Hitze und heftige Regenfälle in Myanmar zu Ausbrüchen von Krankheiten wie Cholera, Malaria und Dengue-Fieber unter den im Freien ausharrenden Überlebenden führen könnten.
Großes Leid, nicht so große Spendenbereitschaft
"Mehr als neun Millionen Menschen sind direkt vom Erdbeben betroffen. Das heißt sie haben ihr Haus verloren, Angehörige verloren, ihre Existenz verloren", sagt Simone Pott, Pressesprecherin der Welthungerhilfe. "Die Not ist groß, aber bisher ist die Spendenbereitschaft noch etwas verhalten." Im Vergleich mit dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien vor zwei Jahren sei das Spendenverhalten deutlich zurückhaltender. Hauptgründe dafür sind laut Pott eine fehlende persönliche, emotionale und geografische Nähe zum Katastrophenort.
Je näher ein Katastrophenereignis an der Bundesrepublik stattfinde, desto größer sei der Gedanke: "Das müssen wir unterstützen, das ist praktisch vor der Haustür", meint Peter Ruhenstroth-Bauer, der Chef der Uno-Flüchtlingshilfe in Bonn. Er nennt hier neben dem Erdbeben in Syrien und der Türkei vor allem auch den Krieg gegen die Ukraine. Hier sie die Hilfsbereitschaft sehr groß.
Emotionale und geografische Nähe bedeutende Faktoren
"Grundsätzlich sind für die Spendenbereitschaft mehrere Faktoren ausschlaggebend, zum Beispiel die geografische oder emotionale Nähe, wenn es sich um ein Urlaubsland handelt", sagt Maria Rüther. Sie ist Geschäftsführerin der Aktion Deutschland hilft. In dem Bündnis haben sich große Hilfsorganisationen wie Malteser, Johanniter und Care zusammengeschlossen, um gemeinsam zu Spenden aufzurufen. Vier Millionen Euro für erste Nothilfemaßnahmen seien in der ersten Woche nach dem Beben eingegangen. Rüther sei damit ganz zufrieden. Aber: "Wenn jetzt Thailand tatsächlich stärker betroffen gewesen wäre, hätte es sicherlich auch mehr Spenden gegeben, weil viele Leute einfach große Sympathien für Thailand als Urlaubsland haben."
Abschottung des Landes führt zu Skepsis
Ein weiterer Grund für die Spendenzurückhaltung für Myanmar: die Abschottung des Landes durch die regierende Militärjunta, die auch nach dem Erdbeben kaum gelockert wurde. Ein solches politisches System schaffe Unsicherheit unter potenziellen Spendern, dass die Spende womöglich in dunklen Kanälen versickert.
"Das Wichtigste ist, dass die Menschen, die in Deutschland für eine Katastrophe spenden, das Gefühl haben und mit gutem Gewissen sagen können: Meine Hilfe, meine Spende kommt an", sagt Simone Pott. Bei der Welthungerhilfe sei das sichergestellt, da sie seit vielen Jahren mit lokalen Partnern vor Ort zusammenarbeite - in sogenannten Dorfkomitees. Auf diese etablierten Strukturen können die Helfer auch jetzt nach dem Erdbeben zurückgreifen.
Transparenz der Spendenverwendung sehr wichtig
Die Uno-Flüchtlingshilfe sieht Transparenz ebenfalls als ein entscheidendes Kriterium an. "Mit unserer aktuellen Kampagne 'Hilft sicher' wollen wir genau das ansprechen: Wie kommt das Geld an und vor allen Dingen: Wie wird es auch eingesetzt?", so Peter Ruhenstroth-Bauer. Alle Spenderinnen und Spender hätten ein Recht zu wissen, wie ihre Spende eingesetzt werde.
Um die Menschen davon zu überzeugen, dass das Geld und die Hilfe wirklich ankommen, seien unabhängige Berichte aus den betroffenen Ländern von großer Bedeutung, sagen alle Hilfsorganisationen. Doch solche Berichte fehlen aus Myanmar.
Bilder sind Mangelware
ARD-Korrespondent Florian Bahrdt etwa kann nur von jenseits der Grenze aus Thailand berichten. In der Tagesschau hörte sich das dann so an: "Die Grenze zu Myanmar liegt nur fünf Kilometer diese Straße runter. Aber die Militärregierung hat nun auch offiziell ausländischen Journalisten die Einreise verboten."
Aus Sicht von Simone Pott von der Welthungerhilfe fehlt dadurch das Entscheidende: Bilder. "Wenn Sie vor dem Fernseher sitzen und es sagt Ihnen jemand, da ist eine riesige Katastrophe, Sie sehen in den Bildern aber nur ein Haus oder zwei, die ein bisschen kaputt sind, dann haben Sie ja gar kein Vorstellungsvermögen davon, wie groß das wirklich ist." Die Zuschauer müssten über die Bilder und Berichte berührt werden. "Wenn Sie dann irgendwann auch Bilder von Helfern sehen, die durchkommen, und von Menschen, die auch wirklich Hilfe bekommen, dann haben Sie das Gefühl: Wow, ich kann helfen, ich kann was tun."
Hilfsorganisationen machen die Bilder notfalls selbst
Auch Maria Rüther von Aktion Deutschland hilft hält Bilder für sehr ausschlaggebend für die Spendenbereitschaft. "Wir können aktuell gar nicht rüberbringen, was an Hilfe alles geschieht, außer dass in Deutschland in Interviews zu sagen, nämlich: Trinkwasser, Nahrungsmittel, medizinische Hilfe, Zelte et cetera werden von uns schon ins Katastrophengebiet geliefert."
Notfalls müsse man in Sachen Bilder selbst nachhelfen. "Wenn es kein Bildmaterial gibt oder der Zugang schwierig ist, dann versuchen wir auch selbst über Kontakte, Fotografen zu aktivieren, die Bildmaterial für uns erstellen können, was wir dann wiederum auch den Medien zur Verfügung stellen können. Der Zugang von Hilfsorganisationen ist da manchmal doch ein anderer."
Spenden werden auch später noch gebraucht
Doch auch mit Bildern ist noch nicht gewährleistet, dass für Myanmar ausreichend viele Spenden zusammenkommen. Denn es sei neben der Ukraine, Jemen, dem Sudan und Gaza letztlich nur noch ein weiterer Ort auf der Welt, an dem großes Leid herrscht, meint Simone Pott. Es gebe zurzeit eine Überforderung durch eine Übermacht an Krisen, "wo man das Gefühl hat, um Gottes Willen, das hört ja gar nicht mehr auf. Es ist gerade auch viel an Krisen." Die Möglichkeit zu helfen sei da bei jedem einzelnen auch beschränkt.
Wer es dennoch tun wolle und finanziell leisten könne, der dürfe aber gerne auch erst mal abwarten. Zwar sei die Spendenbereitschaft in den ersten Tagen extrem wichtig, um Soforthilfemaßnahmen finanzieren zu können, sagt Pott. Doch der Wiederaufbau nach einem Erdbeben dauere lange. Insofern könne jeder, der unsicher ist, ob er für Myanmar etwas spenden möchte, auch noch abwarten. Denn: "Die Spende ist auch in einigen Monaten noch sehr willkommen."
