Mitreden! Deutschland diskutiert

Gottlos glücklich - taugen Kirchen nur noch für die Feiertage?

Donnerstag, 31. Oktober 2024, 20:15 bis 22:00 Uhr, NDR Info

Gottlos glücklich - taugen Kirchen nur noch für die Feiertage?

Sendung: Mitreden! Deutschland diskutiert | 31.10.2024 | 20:15 Uhr

Hörerinnen und Hörer haben bei Mitreden! mit Experten über Kirchen, Kirchensteuer und Austritte diskutiert. Die Sendung als Video-Mitschnitt.

Sonntag für Sonntag leere Kirchenbänke. Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt seit Jahren. Brauchen die Menschen in einer aufgeklärten Welt Gott und den Glauben nicht mehr? Oder übernehmen andere kulturelle Phänomene die Rolle der Religion?

Moderator Stefan Rank begrüßte als Gäste:

Wulf Gallert
Vizepräsident Landtag Sachsen-Anhalt, religionspolitischer Sprecher der Linken

Joachim Liebig
Ex-Präsident Evangelische Landeskirche Anhalt

Prof. Dr. Monika Wohlrab-Sahr
Kultursoziologin Uni Leipzig mit Schwerpunkt Religion

Weitere Informationen
Blick auf die Hauptkirche St. Jacobi (von der Steinstraße aus). © NDR Foto: Anja Deuble

Ampel will Zahlungen an Kirchen beenden

Die beiden großen Kirchen in Deutschland erhalten jedes Jahr Hunderte Millionen Euro vom Staat. extern

Sinkende Mitgliederzahlen in beiden großen Kirchen

Mit rund 20,4 Millionen Mitgliedern im Jahr 2023 war die römisch-katholische Kirche in Deutschland die größte Religionsgemeinschaft. Dahinter folgten die evangelischen Landeskirchen mit 18,6 Mio. Mitgliedern. Vergleichen wir den Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung in Deutschland in den Jahren 2001 und 2023, so sank er bei den Protestanten von 31,1 Prozent auf 21,9 Prozent, bei den Katholiken ging er von 26,8 auf 20,4 Prozent zurück.

Tiefer liegende gesellschaftliche Ursachen für diese Entwicklung

Im Juli 2023 ergab eine YouGov-Umfrage, dass rund die Hälfte der befragten Christen in Deutschland die Missbrauchsskandale (zum Beispiel in der katholischen Kirche) als einen Grund für den Kirchenaustritt sehen könnte. Zudem gaben 43 Prozent an, dass das "Zahlen der Kirchensteuer" sie zum Austritt aus der Kirche bewegen könnte. Viele empfinden das Einziehen der Kirchensteuer als nicht mehr zeitgemäß. Außerdem habe das Verbundenheitsgefühl mit der eigenen Kirche nachgelassen: Dieses sei unter den Mitgliedern der evangelischen Kirche um 31 Prozent zurückgegangen, innerhalb der katholischen Kirche sogar um 62 Prozent.

Staat finanziert Kirche mit

Eine der Haupteinnahmequellen der Kirche ist die Kirchensteuer - im Jahr 2021 etwa sechs Milliarden Euro für die evangelische und 6,7 Milliarden Euro für die katholische Kirche. Eine weitere Finanzierungsquelle sind die sogenannten Staatsleistungen: 2024 erhalten die Kirchen rund 618,4 Millionen Euro an Staatsleistungen von den Bundesländern (außer Bremen und Hamburg), also direkt vom deutschen Staat. Das Gesetz der Staatsleistungen für die Kirchen existiert seit dem Jahr 1949 - über eine Abschaffung wird diskutiert.

Kirchliches Engagement in der Gesellschaft und für die Gesellschaft

Im Jahr 2023 gab es insgesamt 633.830 Kinder, die in Kindertagesstätten katholischer Träger betreut wurden. Bei den Kindertagesstätten evangelischer Träger waren es 600.887 Kinder. Katholiken und evangelische Kirchenmitglieder waren häufiger ehrenamtlich engagiert als Konfessionslose. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2023 gaben unter den Katholiken 49 Prozent der Befragten an, im letzten Jahr ehrenamtlich tätig gewesen zu sein. Bei den Befragten mit evangelischer Konfession waren es mit 46 Prozent fast genauso viele. Bei den Konfessionslosen waren es hingegen nur 32 Prozent. Gerade in ländlichen Regionen gehören Gemeinden und Kirchen zu den wenigen Akteuren, die Gemeinsinn stiften, Zivilgesellschaft organisieren.

Kirche im Osten - ein Kapitel für sich

Kultursoziologin Monika Wohlrab-Sahr von der Universität Leipzig hat unter anderem untersucht, welche Bedeutung religiöse und weltanschauliche Ansichten in verschiedenen Generationen haben. Sie stellt fest, dass junge Ostdeutsche sich eher mit religionsnahen Fragen beschäftigen als die Vor-Wende-Generation. Allerdings zeigt sich das Interesse "häufig als experimentelle Denkbewegung, selten als explizites Bekenntnis" zu Kirche und Religion.

Ex-Kirchenpräsident Liebig sieht Landeskirche Anhalt in gutem Zustand

Seit März ist der frühere Kirchenpräsident der Landeskirche Anhalts im Ruhestand. Noch immer ist seine Stelle in der kleinsten Gliedkirche der EKD vakant. Kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt resümierte Liebig: "Es gibt viele Felder, auf die unsere Landeskirche stolz sein kann: Wir haben eine, sehr lebendige Kirchenmusik. Anders als ich das aus früheren Zeiten aus dem Westen kenne, haben wir eine hohe Dichte an Chören jeder Art, an Posaunenchören, Musicals, Singwochen, sogar eine evangelische Singschule. Wir haben eine Jugendkirche, die zahlreiche Jugendangebote macht, und Freizeiten organisiert. Da gibt es Wartelisten, und die Eltern unterstützen das, egal ob sie in der Kirche sind oder nicht. Wir haben es geschafft, in allen Gemeinden Gemeindekirchenräte zu wählen. Es gibt immer noch genügend Menschen, die sich interessieren und die Kirche nach außen vertreten wollen."

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Nina Zimmermann moderiert die Sendung Mitreden!. Sie spricht mit einem Gast, der zugeschaltet ist. © Screenshot

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