Mitreden! Deutschland diskutiert

Extreme im Aufwind: Was müssen andere Parteien verbessern?

Montag, 08. Juli 2024, 20:15 bis 22:00 Uhr, NDR Info

Extreme im Aufwind: Was müssen andere Parteien besser machen?

Sendung: Mitreden! Deutschland diskutiert | 08.07.2024 | 20:15 Uhr

Hörerinnen und Hörer haben bei Mitreden! mit Experten über die Wahlerfolge von Populisten diskutiert. Die Sendung als Video-Mitschnitt.

Populisten, Nationalisten und extreme Parteien erzielen europaweit Wahlerfolge oder hohe Wahlergebnisse, zuletzt unter anderem in den Niederlanden, Belgien und Frankreich - und womöglich bald in Österreich sowie in den Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Warum ist das so? Und was können die anderen Parteien dem entgegensetzen? Das war unser Thema bei "Mitreden! Deutschland diskutiert".

Moderator Christian Orth begrüßte als Gäste:

Laura Strohschneider
CDU-Jungpolitikerin, die in Brandenburg für den Landtag kandidiert

Marie-Agnes Strack-Zimmermann
FDP-Politikerin, die vom Bundestag in das EU-Parlament wechselt, das nach der Europawahl politisch nach rechts gerückt ist

Marina Weisband
Demokratie-Aktivistin, die mit ihrem Verein Aula für Demokratiebildung eintritt

Prof. Alexander Wuttke
Demokratieforscher an der LMU München, der Populismus wissenschaftlich untersucht

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In vielen Ländern triumphieren derzeit die Populisten

Frankreich sah in der ersten Runde der Parlamentswahl zum ersten Mal die Nachfolgepartei des rechtsextremen Front National - den Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen und Jordan Bardella - ganz vorne. Bei der zweiten Wahlrunde siegte dann überraschend das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP). In den Niederlanden wurde eine Regierung mit der PVV (Partei für die Freiheit) gebildet, an der Spitze der Partei der Antieuropäer und Islamgegner Geert Wilders. Premier ist der parteilose Dick Schoof, die Koalitionspartner sind konservativ und teils gegen die EU.

Auch in Belgien wird die Regierungsbildung ohne Extremisten schwer: Rechtsextreme und nationalistische EU-Gegner kamen bei der Wahl vor rund einem Monat gemeinsam auf rund 30 Prozent bei der Parlamentswahl. In der Slowakei triumphierte im vergangenen Herbst erneut Robert Fico - ein Populist, den die Bürger schon einmal gewählt und dann abgewählt hatten. In den USA könnte mit Donald Trump (Republikaner) dasselbe passieren.

Ablehnung der Demokratie, wie wir sie kennen

Die Populisten haben Gemeinsamkeiten: Sie lehnen die Demokratie ab, wie wir sie kennen. Sie geben sich als wahre Volksvertreter, wollen aber die erprobte Gewaltenteilung und die Grundrechte für Minderheiten aufweichen oder sogar abschaffen. Unabhängige Gerichte und unabhängige Medien sollen sich einem "Volkswillen" beugen - den praktischerweise die Populisten selbst vorgeben. Denn "Volk" denken die Populisten von sich aus und oft rassistisch: eine weiße Mehrheit, die entscheidet, wer dazugehört, wer nicht und wer was tun darf - während sie selbst über Verbote im Tun und Denken klagen, die es gar nicht gibt.

Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) startet in Umfragen durch

Im deutschsprachigen Raum stehen weitere Erfolge der Populisten bevor: Umfragen sehen vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Ende September in Brandenburg die AfD vorne - ungeachtet der jüngsten AfD-Skandale um China-Spionage und Russland-Nähe der EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron. Noch schwer zu sagen, was Sahra Wagenknechts Linken-Abspaltung BSW schaffen wird: Ohne Parteistrukturen und Personal, aber mit populistischen Aussagen gegen vermeintliche Denk- und Sprechverbote, für Frieden mit Putin und gegen Einwanderung schoss das BSW in Thüringen und Sachsen auf zweistellige Umfragewerte. Forscher sehen in der bisher bekannten Programmatik einen Mix aus links- und rechtspopulistischen Inhalten, die durch ein "Wir gegen die da oben" definiert ist.

Ein Aufmarsch der Idendtitären Bewegung mit der AfD-und FPÖ-Jugend in Wien (29. Juli 2023). © ARD Foto: Oliver Soos
AUDIO: Die Identitäre Bewegung und ihr Einfluss auf AfD und FPÖ (24 Min)

Wer auch im September wählt: Unsere südlichen Nachbarn in Österreich. Dort nimmt die Rechtsaußen-Partei FPÖ die gemäßigt-sozialdemokratische SPÖ und die regierenden Konservativen der ÖVP und die Grünen in die Zange. Aktuell sehen Umfragen die FPÖ ganz vorne: Dem Populisten und selbsternannten "Volkskanzler" Herbert Kickl werden mehr als 25 Prozent zugetraut. Mit dem ungarischen Rechtspopulisten Viktor Orban formt Kickl im EU-Parlament nach dem Rechtsrutsch bei der Europawahl am 9. Juni womöglich eine neue Fraktion namens "Patrioten für Europa", die in Wahrheit meint: weniger europäische Integration. Interessiert beobachtet das die AfD.

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Mitreden!-Sendungsgast und Politologe Alexander Wuttke forscht schon lange zur Gefahr für Demokratien von innen. Demokratie ohne Demokraten, das funktioniere nicht, sagt er. Noch während seiner Zeit am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) hat Wuttke mit Kollegen abgefragt, wie treu die junge Generation der Demokratie ist. "Damit ein demokratisches System dauerhaft bestehen kann, kommt es letztlich auf die Bereitschaft der Bürger an, im Zweifelsfall der Einhaltung demokratischer Prinzipien den Vorrang vor parteipolitischen Vorlieben und anderen Eigeninteressen einzuräumen." Das Ergebnis damals wie heute: Viele finden die Demokratie nach wie vor eine gute Staatsform.

Aber inzwischen hat die Europawahl gezeigt: Viele 16- bis 24-Jährige, darunter auch die Erstwähler, sind populistischen Parolen gefolgt: Zusammen 22 Prozent machten bei AfD oder BSW das Kreuz. Erst danach folgten mit 17 Prozent die Unionsparteien.

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