Mitreden! Deutschland diskutiert
Montag, 10. Februar 2025, 20:15 bis
22:00 Uhr, NDR Info
Canceln, keifen, kritisieren - wie können wir (besser) miteinander diskutieren?
Hörerinnen und Hörer haben bei Mitreden! mit Experten über Streiten und Debattenkultur diskutiert. Die Sendung als Video-Mitschnitt.
Auch im aktuellen Bundestagswahlkampf zeigt sich, wie es um unsere Diskussionskultur bestellt ist: Verbale Ausfälle, Beleidigungen nehmen zu, ebenso die mitunter reflexartigen Versuche, andere Meinungen zu diskreditieren. Anderen wirklich zuzuhören scheint eine seltene Tugend. Warum ist das so? Wie können wir es besser machen? Das war das Thema bei "Mitreden! Deutschland diskutiert" am Montag.
Moderatorin Doreen Jonas begrüßte als Gäste:
Frank Richter
Ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, SPD-Mitglied und früherer Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen, jetzt Mitglied im sächsischen Landtag
Dr. Dennis Frieß
Kommunikationswissenschaftler, Uni Düsseldorf
Korbinian Frenzel
Moderator bei Deutschlandradio Kultur und Autor des Buches "Defekte Debatten"
Niederbrüllen statt Argumentieren
- Zwischen Streitlust und Streitvermeidung
- Maischberger: Constantin Schreiber über Meinungsvielfalt und Streitkultur
- Wer hat Angst, seine Meinung zu sagen?
- Die Kunst, konstruktiv zu streiten
- Debattenkultur - Warum es uns so schwer fällt, andere Meinungen zu ertragen
- Wahlkampfrhetorik: Noch Debatte oder schon Beleidigung?
Der Bundeskanzler (SPD) spricht dem FDP-Chef die "sittliche Reife" ab, in den sozialen Netzwerken wird unterstellt, beleidigt, gehetzt und die Familienfeier gerät zum Familienstreit: Unsere Debattenkultur scheint beschädigt. Gegnerische Argumente werden niedergebrüllt - jüngst etwa in der Neuen Nationalgalerie Berlin, als der Museumsdirektor von propalästinensischen Sprechchören mundtot gemacht wurde. TV-Entertainer Thomas Gottschalk hat Angst um die Meinungsfreiheit, genauso die Schriftstellerin Juli Zeh oder der Kabarettist Dieter Nuhr.
Viele trauen sich nicht, ihre Meinung zu sagen
Sie sind nicht allein: Laut einer Studie des Umfrageinstituts Allensbach von 2023 ist die gefühlte Meinungsfreiheit in der Bevölkerung auf dem tiefsten Stand seit den 1950er-Jahren angekommen. 44 Prozent der Befragten sind demnach der Ansicht, dass sie mit freien Meinungsäußerungen vorsichtig sein müssen. 1990 waren es noch 78 Prozent. Und die aktuelle Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass 28 Prozent der Deutschen politische Diskussionen meiden. Begründung: Es gibt sowieso nur Streit.
Die Kraft des besseren Arguments
Der Philosoph Jürgen Habermas prägte mal den Ausdruck vom "zwanglosen Zwang des besseren Arguments". Der Gedanke dahinter: Wenn wir aufrichtig, interessiert und uneitel miteinander diskutieren, dann können wir einen gemeinsamen Nenner finden. Weil das beste Argument überzeugt. Doch wenn in Debatten Emotionen mitschwingen, wenn es um Macht und Weltanschauungen geht, wird das schwierig.
Versuchen, den anderen zu verstehen
Und trotzdem müssen wir auf Dialog setzen, würde der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Frank Richter sagen. Er hatte 2014, als er noch Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen war, für seine Gespräche mit Pegida-Demonstranten viel Schelte einstecken müssen. Und auch der Journalist Korbinian Frenzel meint: Ja, wir müssen miteinander reden, wir müssen aber auch an gemeinsamen Lösungen interessiert sein. Sonst entstehen "defekte Debatten" - so der Titel eines Buches, das Frenzel zusammen mit der Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach rausgebracht hat. Ihr Vorschlag: Immer wieder den Versuch unternehmen zu verstehen, warum der andere so denkt, wie er denkt.
