Zoff zwischen Landwirten und grünen Ministern
Die Bauern in Niedersachsen sind auf Zinne. "Meyer muss weg!", schreien sie bei einer Bauerndemo in Hannover. Die Wut richtet sich nicht nur gegen Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen), sondern vor allem auch gegen dessen sogenannte Agrarwende: Symbolisch wird krachend Porzellan zerschlagen. Die Politik mache ihre Höfe kaputt. Zu viel Bürokratie, zu viel "grüne Utopie" - alles an der Realität vorbei. Meyer hingegen ist überzeugt von seinen Zielen: Mehr Platz für Nutztiere im Stall, mehr Bio und wieder mehr Entwicklung zur bäuerlichen Landwirtschaft. "Wir müssen eine Haltung haben, die den Tieren entspricht, dass sie unversehrt gehalten werden können", so der Minister.
Hassfigur der Landwirte
Der Streit hat sich zu einem erbitterten Kampf entwickelt. Dabei hat Christian Meyer ein Problem. Er ist Grünen-Politiker durch und durch, ohne landwirtschaftlichen Hintergrund - und hat sich bei vielen Landwirten zur Hassfigur entwickelt. Und das ausgerechnet in Niedersachsen, wo es mehr Schweine als Menschen gibt. In der sogenannten Kornkammer des Nordens.
1,36 Euro für ein Kilo Fleisch
Volker Hahn ist Landwirt. Er hat einen Schweinemastbetrieb im niedersächsischen Hagen. Er will auch, dass seine Schweine mehr Platz haben - ist am Tierschutz interessiert. Und dennoch ist er sauer auf den Minister. "Wir müssen von unserem Betrieb leben, wir müssen ein Einkommen erzielen, Herr Meyer hat sein Ministergehalt", schimpft Hahn. "Wir haben unser Einkommen aus dem Bauernhof und wir stehen am Markt. Und Herr Meyer sagt uns nicht, wie wir das Geld kriegen." Die Preise für Schweinefleisch sind im Keller. Oft bekommt der Hersteller nur 1,36 Euro für ein Kilo Fleisch. Es fehlt das Geld. Während die Agrarindustrie auf Masse setzt, schätzt Meyer Ökobetriebe.
"Ringelschwanzprämie" reicht oft nicht
Bei einer Pressereise durch Niedersachsen schaut Meyer sich konventionelle Vorzeigebetreibe an. Ab 2017 sollen den Schweinen beispielsweise nicht mehr die Schwänze kupiert, also gekürzt, werden. Ein Streitthema. Die Bauern befürchten Kannibalismus in ihren Ställen. Ließe man den Tieren die Schwänze dran, könnten sie sich gegenseitig von hinten auffressen. Das Schwänzebeißen, so vermutet man, entstehe aus Langeweile und der Enge in den Ställen. Meyer sucht nach Lösungen und setzt erste Anreize. Wer den Schweinen die Schwänze nicht kupiert, bekommt in Niedersachsen einen Zuschuss von 16,50 Euro pro Schwein, die "Ringelschwanzprämie". Aber das reicht offenbar nicht. Denn das große Geld liegt in Brüssel. Derzeit werde das Geld wie eine Gießkanne verteilt, so Minister Meyer. Man müsse es stärker und gezielter für bestimmte Prämien nutzen.
Bauern fühlen sich bevormundet
Auch der Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Robert Habeck (Grüne), spürt massiven Widerstand. Bei einer Demonstration in Kiel kommt er nicht einmal zu Wort. Er wird regelrecht vom Podium gepfiffen. Auch er will weniger Massentierhaltung und mehr Tierschutz. Weniger Pestizide auf den Feldern und mehr Naturschutzgebiete. Doch viele Bauern wollen seinen Weg nicht mitgehen. Besonders durch die vielen Verordnungen fühlen sich die Bauern bevormundet. "Ich verstehe jeden einzelnen Landwirt, der den Kopf schüttelt und sagt: 'Was kommt als Nächstes? Verdammte Kiste. Vorschriften für Antibiotika, neue Programme für die europäischen Fördergelder, die da kommen, neue Auflagen für den Naturschutz, Düngevorschriften, und wann immer ich was Neues mache, muss ich einen Antrag ausfüllen", sagt Habeck. Wie Meyer hat auch er die undankbare Aufgabe etwas durchzusetzen, dass auf großen Widerstand stößt.
Problem der Machbarkeit
Wie genau die Agrarwende machbar sein kann, wissen die Grünen selbst noch nicht genau. Aber an den Zielen führt letztlich kein Weg vorbei. Für viele Landwirte wie Volker Hahn sind das utopische Visionen. "Es ist ein Problem der Machbarkeit", sagt er. "Die Grünen haben ein Wunschkonzert, aber leider leben wir in der Wirklichkeit und nicht in einem Phantasieland." Die Minister werben indes weiter für ihre Agrarwende. Für sie bedeutet das noch viel Überzeugungsarbeit.