Zehn Jahre Frauenquote: "Wir sind noch lange nicht am Ziel"
Im Jahr 2015 haben Bundestag und Bundesrat beschlossen, dass Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen mindestens zu 30 Prozent mit Frauen besetzt werden müssen. Die Vorgabe wird inzwischen deutlich übertroffen. Expertinnen und Betroffene sehen das aber nur als ersten Schritt zu mehr Gleichberechtigung.
Katy Roewer hat seit ein paar Wochen die Verantwortung für 38.000 Mitarbeitende weltweit. Im Stechschritt eilt die 49-Jährige durch die Flure der Otto Group in Hamburg. Ihre Tage sind durchgetaktet. Denn die Personal- und Finanzvorständin des Unternehmens hat auch noch einen elfjährigen Sohn und einen Ehemann - sie arbeitet deshalb in 80 Prozent Teilzeitarbeit. "Dazu gehört natürlich ganz viel Organisation, ganz viel Verständnis in der Partnerschaft und ein Umfeld, das mir hilft."
Das Wichtigste für sie - und wohl auch für andere Frauen - sei dabei: "Der Anspruch, ich bin weder die perfekte Managerin noch die perfekte Mutter. Ich versuche, mein Bestes zu geben. Und solange ich mich wohlfühle, wird das auch funktionieren."
Frauen-Förderung zum Beispiel durch flexible Arbeitszeitmodelle
Auch manche nicht-börsennotierte Unternehmen wie die Otto Group fühlen sich der Frauenquote freiwillig verpflichtet. Das Hamburger Handels-Unternehmen fördert Frauen gezielt - durch flexible Arbeitszeitmodelle, Mentoren, Frauennetzwerke. Das zeigt Wirkung: Katy Roewer ist nicht allein an der Spitze. Erstmals in der Geschichte des Unternehmens wird die Otto-Group seit dem 1. März 2025 von einer Frau geleitet - von Petra Scharner-Wolff.
Führungslaufbahn nicht mit Familienleben vereinbar?

So etwas wie bei Otto sei noch keine Selbstverständlichkeit, betont Wiebke Ankersen von der AllBright Stiftung, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt. Es gebe vor allem zwei Felder, auf die man schauen müsse, wenn es um die Frage geht, warum in Deutschland weniger Frauen als Männer in Führungspositionen seien: "Das ist zum einen das Talent-Management. Das heißt, Frauen werden seltener für Führungspositionen vorgeschlagen und ausgewählt als Männer." Der zweite Punkt: "Sie wählen selber teilweise auch nicht die Führungslaufbahn, weil sie glauben, dass es mit einem gelungenen Familienleben in Deutschland heute noch nicht vereinbar ist."
Mehr Frauen in Aufsichtsräten als in Vorstandsjobs
Dennoch hat das Frauenquoten-Gesetz aus dem Jahr 2015 einiges gebracht. Danach sollen Positionen in Aufsichtsräten von börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen mindestens zu 30 Prozent mit Frauen besetzt werden. Heute liegt der Frauenanteil in Aufsichtsräten von DAX-Konzernen bei 39,5 Prozent. Allerdings ist in den Vorständen solcher Unternehmen nur jedes vierte Mitglied weiblich.
"Stereotypes Rollenbild, dass die Kinder zur Mutter gehören"
"Das Problem beginnt nicht erst im Vorstand, es beginnt weiter unten", meint Ankersen. "Mit jeder Karriere-Stufe werden es weniger Frauen." Das liege daran, dass Frauen in der Zeit, wo Karrieren richtig in Gang kämen oft auch mit dem Thema Kinderkriegen und Kinderbetreuung zu tun hätten. "Und wir sehen, dass die Karriere-Wege von Männern und Frauen an der Stelle auseinandergehen, wo Kinder ins Spiel kommen." In Deutschland gebe es ein stark geprägtes, stereotypes Rollenbild, "dass die Kinder zur Mutter gehören", sagt Ankersen.
Ankersen: "Noch 15 Jahre, bis wir bei 50:50 sind"
Die Geschäftsführerin der AllBright-Stiftung sieht noch einen langen Weg: "Wenn wir so weitermachen mit der Erhöhung des Frauenanteils in den Vorständen wie in den letzten fünf Jahren - und da hatte tatsächlich das Tempo schon deutlich angezogen - dann brauchen wir noch 15 Jahre, bis wir bei 50:50 sind. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Wir sind gerade erst in Gang gekommen in Deutschland."
Für mehr Frauen in Führungspositionen brauche es eine bessere Vereinbarkeit von Karriere und Beruf, zum Beispiel durch mehr Kitas. Wichtig sei aber auch, dass die männlichen Partner mitziehen, findet Ankersen: "Ich glaube, Männer können damit anfangen, die Hälfte der Haus- und Familienarbeit zu übernehmen. Das klingt banal, aber es ist die Basis dafür, dass Frauen sich im Job genauso engagieren können, wie Männer."
Ohne Unterstützung durch männliche Kollegen kaum Veränderung
Katy Roewer von der Otto-Group muss schon wieder weiter. Ihr nächster Termin steht an. Sie findet, für den Erfolg der Frauen brauche es auch das andere Geschlecht: "Wie immer im Leben geht es eben nicht ohne die Männer - und an der Stelle auch." Es würden männliche Führungskräfte und männliche Kollegen gebraucht, "die das unterstützen, die das begleiten". Sie selbst habe "das große Glück gehabt, dass ich auch männliche Vorgesetzte und Kollegen hatte, die sich dem Ziel der Frauenförderung verschrieben haben - auch als es noch nicht üblich war, in Teilzeit in einer Führungsposition zu arbeiten". Die Frauenquote sei ein guter erster Schritt gewesen, aber sie allein reiche nicht aus, so Roewer.
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