Die Figuren eines Mannes und einer Frau sitzen auf Stapeln aus Geldmünzen. (Illustration) © picture alliance / dpa Themendienst Foto: Andrea Warnecke
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AUDIO: Frauen in Führungspositionen: Was hat die Quotenregelung gebracht? (8 Min)

Frauen in Führungspositionen: Mangelnde Diversität kann in die Krise führen

Stand: 07.03.2025 06:00 Uhr

Auch in deutschen Unternehmen geben noch größtenteils Männer den Ton an. Wieso vor allem Familienunternehmen wenig divers sind und was Schweden anders macht, erklärt Wiebke Ankersen im Interview.

Zwar arbeiten in börsennotierten Unternehmen in Deutschland mehr Frauen in Führungspositionen als in großen Familienunternehmen. Doch insgesamt geben weiße Männer aus Westdeutschland die Richtung der deutschen Wirtschaft vor. Wieso das so ist, was Schweden besser macht und was Gleichberechtigung mit kranken Kindern zu tun hat, erläutert Wiebke Ankersen von der AllBright-Stiftung im Interview mit NDR Info.

Die AllBright Stiftung

Die AllBright Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Stockholm und Berlin. Sie setzt sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft ein. Gegründet wurde sie 2011 in Stockholm vom schwedischen Unternehmer Sven Hagströmer.

Bei den DAX-Konzernen ist mittlerweile jedes vierte Vorstandsmitglied eine Frau. Klingt nach einer positiven Entwicklung in der deutschen Wirtschaft?

Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der AllBright Stiftung © AllBright Stiftung
Wiebke Ankersen zufolge behindert fehlende Diversität in Unternehmen den Erfolg. Ein Beispiel dafür sei die deutsche Autoindustrie.

Wiebke Ankersen: Wir haben in Deutschland in den Vorständen der 160 börsennotierten Unternehmen immer noch einen Männeranteil von gut 80 Prozent. In den größten 40 Konzernen im DAX sieht es etwas besser aus, ja. Da sind es 75 Prozent Männer, 25 Prozent Frauen. Und bei den großen deutschen Familienunternehmen, also in der Größenordnung Bertelsmann, Bosch, Miele, Dr. Oetker, die ja die deutsche Wirtschaft auch sehr stark prägen, da sind es sogar 87 Prozent Männer.

Das ist doch ziemlich haarsträubend, wenn man bedenkt, dass wir in Deutschland schon seit 2012 jedes Jahr mehr BWL-Absolventinnen haben als BWL-Absolventen. Die meisten Personen in den Vorständen und in den Geschäftsführungen sind tatsächlich ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler. Und die Frauen, die schon seit vielen Jahren mehr als 50 Prozent der Absolventen ausmachen, starten auch in den Unternehmen - aber die kommen eben nicht in den oberen Führungsetagen an. Da sind andere Länder wie Großbritannien, USA, Frankreich und Schweden schon viel weiter.

Ist es eine Folge der Quote, dass in den DAX-Konzernen jetzt so viel mehr Frauen in den Vorständen sind?

Ankersen: Jedenfalls hat sich das Bewusstsein in der Öffentlichkeit für das Thema stark verändert und der Druck, der aus der Öffentlichkeit in die Unternehmen reinwirkt. Das ist ähnlich, wie wir es auch bei der Nachhaltigkeit ein paar Jahre zuvor gesehen haben. Das ist ja auch ein großes Thema, in das die Unternehmen nicht aus eigenem Antrieb eingestiegen sind, sondern weil man irgendwann nicht mehr nichts machen konnte. Weil die Erwartungshaltung aus der Bevölkerung einfach so groß ist, dass man sich da verantwortlich engagiert. Und diese Entwicklung, die sehen wir jetzt auch beim Thema Chancengleichheit und Diversität. Es wird einfach erwartet, dass Frauen mit in der obersten Führungsebene sind, dass Chancengleichheit besteht für Männer und Frauen im Unternehmen.

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Aber ist dieser Druck nur bei den großen Konzernen angekommen? Denn ihre Untersuchungen zeigen auch, dass besonders Familienunternehmen großen Nachholbedarf haben.

Ankersen: Die Transparenz spielt eine große Rolle - und das ist auch der große Unterschied zwischen den börsennotierten Unternehmen und den Familienunternehmen. Die börsennotierten Unternehmen stehen ja ganz anders im Licht der Öffentlichkeit, haben Transparenzpflichten, müssen ihre Entscheidungen - auch die strategischen Entscheidungen - alle gut begründen. Für die ganzen Shareholder und Stakeholder (Anmerkung der Redaktion: Aktionäre und Teilhaber), die alle ein Wörtchen mitzureden haben. In den Familienunternehmen ist das nicht der Fall. Da ist die Entwicklung sehr viel später in Gang gekommen. Die strategischen Entscheidungen liegen da in den Händen der Familie und ganz oft über einen sehr langen Zeitraum auch bei einer Person oder einer kleinen Gruppe von Personen. Und wenn die das Thema nicht erkannt haben als wichtig für das Unternehmen, dann passiert da eben auch nichts, weil ihnen sozusagen keiner reinredet.

Was muss sich in Deutschland ändern, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen?

Ankersen: Wenn wir nachhaltig mehr Frauen in Führung sehen wollen in Deutschland, dann brauchen wir zum einen Karrierewege, bei denen Frauen nicht mehr Hindernisse im Weg haben als Männer. Und wir brauchen mehr Männer in Elternzeit. Wir brauchen mehr Männer in Teilzeit. Wir brauchen mehr Männer, die mit dem kranken Kind zu Hause bleiben. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Nur so bekommen wir dann dauerhaft ähnliche Karrierewege von Männern und Frauen hin und haben irgendwann hoffentlich genauso viele Frauen in den Führungs- und Entscheidungspositionen wie Männer.

Wir werden an der Situation der Frauen und ihren Chancen nicht viel verändern, wenn wir am Verhalten und an den Entscheidungen der Männer nichts verändern. Und Männer spielen in diesem Prozess, anders als oft von ihnen selbst angenommen, eine zentrale Rolle, denn sie besetzen ja zurzeit die Schlüsselpositionen. Sie sind diejenigen, die jetzt in den Entscheidungspositionen sind und die Unternehmen mit ihrer Kultur als Führungskräfte prägen. Und damit haben sie auch die Schlüsselpositionen in diesem Veränderungsprozess und alles, was sie tun oder nicht tun, das ist ganz entscheidend dafür, dass Frauen vorankommen.

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Was läuft in Ländern wie Schweden, die Sie als Vorbild nannten, denn besser? Ist es dort schon so, dass die Männer mehr Care-Arbeit übernehmen?

Ankersen: In Schweden ist die Aufteilung von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen deutlich ausgeglichener als in Deutschland. Da wird mehr Elternzeit von Vätern genommen, die bleiben mit den kranken Kindern zu Hause. Da werden in der Regel in den Unternehmen die Führungskräfte, gerade auch die männlichen Führungskräfte, ermuntert, Elternzeit zu nehmen und zwar die Hälfte der Elternzeit. Und es ist auch üblich, die Hälfte der Elternzeit zu nehmen. Das gibt den Frauen die Möglichkeit, früher zurückzukommen, weniger Zeit zu verlieren sozusagen.

In Schweden arbeiten Männer und Frauen eigentlich alle Vollzeit oder vollzeitnah und die ganze Gesellschaft und die Arbeitskulturen sind darauf ausgerichtet. Das heißt, das Privatleben hat eine hohe Priorität. Es gibt so eine Art Safe Space am Tag: Ab etwa 16.30 Uhr muss eigentlich niemand mehr erreichbar sein. Alles ist darauf ausgerichtet, dass man vollzeitnah arbeiten und ein gelungenes Familienleben haben kann. Und das funktioniert tatsächlich ganz gut.

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Welche Rahmenbedingungen gibt es dafür?

Ankersen: Das ist so gelöst, dass der Staat einen ökonomischen Anreiz dafür gesetzt hat. Die haben das Ehegattensplitting als Fehlanreiz schon vor mehr als 50 Jahren abgeschafft. Denn das hält eben die gut ausgebildeten Frauen vom Arbeitsmarkt fern. Man hat die Kitas so ausgebaut, dass tatsächlich alle mit gutem Gewissen auch vollzeitnah arbeiten können, weil die sehr gute, sehr günstige Kitas haben. Viele Führungskräfte setzen sich dann abends noch mal kurz an den Rechner. Das ist ein flexibleres Arbeiten mit einer hohen Priorität für Familie und Privatleben. Die Frauen in Schweden arbeiten etwas mehr als in Deutschland, also etwas häufiger und es gibt weniger Hausfrauen. Und sie bekommen mehr Kinder. Und trotzdem funktioniert das, weil die Wirtschaft und die Gesellschaft genau auf dieses duale Karrieremodell zugeschnitten sind. Das fehlt in Deutschland noch.

Sehen Sie aktuell die Gefahr, dass jetzt, wo wir in der Wirtschaftskrise sind, diese Themen nach hinten rücken und dass gesagt wird: Wie viele Frauen wir hier in Top-Positionen haben, ist irgendwie zweitrangig?

Ankersen: Ich glaube, da geht die Schere zwischen den Unternehmen sehr weit auseinander. Zwischen denen, die das tatsächlich strategisch analysiert haben und wissen, dass diese Frauen noch eine riesige ungenutzte Ressource sind in Deutschland, auf die sie nicht verzichten können in Zeiten des Fachkräftemangels. Der erlaubt es den Unternehmen ja gar nicht, auf die weiblichen Talente, auch auf die Talente mit einer Migrationsgeschichte in der Familie, zu verzichten. Das wissen die Unternehmen, die sich das genau angeguckt haben.

Und dann gibt es natürlich Unternehmen, bei denen die Entscheider das nicht wirklich begriffen haben, und wo dieses Bekenntnis zu "wir wollen mehr Frauen in der Führung" maximal ein Lippenbekenntnis ist. Aber ich glaube, das ist ein kleinerer Teil. Es gibt sehr viele Unternehmen in Deutschland, die gerade erst entdeckt haben, welche riesige ungenutzte Ressource sie mit den Frauen haben. Und ich bin da gar nicht so pessimistisch. Die Unternehmen brauchen jetzt die besten Köpfe - mehr denn je. Und die besten Köpfe sind nicht nur männliche Mitte 50-jährige Wirtschaftswissenschaftler aus Westdeutschland. Deshalb arbeiten die an ihrem Talentmanagement und sehen zu, dass sie gemischte moderne Führungsteams aufstellen.

Es heißt immer wieder, dass Unternehmen auch wirtschaftlich davon profitieren, wenn sie mehr Gleichberechtigung leben und mehr Frauen in den Top-Positionen haben. Wie lässt sich das nachweisen? Denn es gab ja nun jahrzehntelang auch sehr erfolgreiche Unternehmen, die Automobilkonzerne etwa, die vorwiegend von Männern geführt wurden.  

Ankersen: Die Automobilkonzerne sind tatsächlich gerade die, die am stärksten in der Krise sind. Und es ist interessanterweise die männlichste, die deutscheste und die veränderungsresistenteste Branche überhaupt. Das sehen wir oft, dass Unternehmen, die bei der Digitalisierung hinterherhinken, genauso auch bei der Diversität hinterherhinken, weil sie insgesamt nicht sehr veränderungsfreudig sind. Diese sehr homogenen Teams sind für die Manager oft sehr angenehm. Die entstehen ja dadurch, dass einer Personen um sich herum versammelt, die ihm selber sehr ähnlich sind. Dann versteht man sich ohne viele Worte, und das ist ein angenehmes Zusammenarbeiten und es gibt wenig Reibung. Aber der Nachteil solcher unglaublich homogenen Teams ist natürlich, dass der Erfahrungshorizont und der Blickwinkel total begrenzt sind, weil sie bei allen gleich sind.

Wozu kann so ein begrenzter Blickwinkel wirtschaftlich führen?

Ankersen: Das kann, wie wir in der Autoindustrie gesehen haben, einstimmig und ohne viel zu diskutieren in die Krise führen. Da fehlen die Elemente, die was Neues einbringen, die korrigieren, die noch mal nachfragen: Machen wir eigentlich immer noch das Richtige? Das ist etwas anstrengender, da wird etwas mehr diskutiert. Aber da kommen unterm Strich die besseren Entscheidungen bei raus. Die Entscheidungsfindung ist dann nicht ohne viele Worte im Sinne von "Wir sind eh alle vom selben überzeugt und müssen da nicht viel darüber reden". Stattdessen wird sich da mehr gerieben, da wird mehr abgeglichen, da wird mehr infrage gestellt - und am Ende kommt eine bessere Entscheidung dabei heraus.

Das Interview führte Ines Burckhardt.

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NDR Info | 07.03.2025 | 07:35 Uhr

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