Wie Festivals klimafreundlicher ablaufen könnten
Sommer-Festivals haben oft eine miese Klimabilanz. Schließlich reisen Tausende Menschen mit Autos an, Strom wird mit Diesel-Generatoren produziert und die Besucher hinterlassen Berge von Müll. Das Hamburger Festival Futur 2 hingegen will zeigen, wie Open-Air-Veranstaltungen klimafreundlich organisiert werden können.
Die Veranstalter des Futur 2 Festivals haben sich von Anfang an viel vorgenommen: Möglichst klimaschonend soll das zweitägige Open-Air-Event im Hamburger Elbpark Entenwerder sein - und als erstes Festival Deutschlands komplett energieautark. Das heißt: Der Strom soll vollständig auf dem Festival-Gelände erzeugt werden - und zwar klimafreundlich. Dies soll mit einem Dreiklang gelingen: Solarenergie, grünem Wasserstoff und Muskelkraft. So sind auch die Besucher und Besucherinnen gefordert: Sie können sich auf spezielle Fahrräder setzen und während der Konzerte in die Pedale treten. Durch die Bewegung wird Strom für die beiden Bühnen erzeugt.
Für Dixi-Klos gibt es eine grüne Alternative
Das Futur 2 ist ein eher kleines Festival. Maximal 5.000 Besucherinnen und Besucher sind vorgesehen. Sie sollen möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Rad anreisen - umweltfreundlich eben. Das Speise-Angebot kommt ohne Fleisch aus, ist also komplett vegetarisch oder vegan. Auch die Toiletten sind gut für die Klimabilanz: Die typischen Dixi-Klos sucht man vergeblich. Stattdessen kommen Trocken-Toiletten zum Einsatz. Dort gibt es statt Chemie und beißenden Gerüchen natürliche Sägespäne. Die Inhalte der Toiletten holt der Anbieter dieser Klos am Ende ab und macht das Zeug zu Dünger.
Am Ende bleibt viel weniger Müll
Auch beim Thema Müll läuft einiges anders. Die Gerichte werden alle im Mehrwegbehälter ausgegeben - gegen Pfand. Nur das Besteck aus Holz landet im Restmüll. Pro Person kommt das Futur 2 Festival auf circa 36 Gramm Restmüll - ohne recyclingfähige Sachen wie Glasflaschen. Bei "normalen Festivals" fällt wesentlich mehr Müll an. Dort sind es pro Person und Tag rund 1.500 Gramm.
Bislang fehlt vielen die Fantasie
Sarah Lüngen lobt die Vorreiter-Rolle des Festivals. Sie arbeitet für die Agentur The Changency, die sich für mehr Nachhaltigkeit in der Musikindustrie einsetzt: "Das Futur 2 zeigt auf, wie es sein kann. Es fehlt ansonsten vielen an der Fantasie, wie ein klimafreundliches Festival aussehen kann", sagt Lüngen im NDR Info Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise". "Und bei Futur 2 sieht man: Es gibt Lösungen. Wenn das bald immer mehr Festivals so machen, dann wird es auch günstiger, dann geht es plötzlich."
"Kaffeemaschinen sind ein Dauerproblem"
Auch die Hamburger Umweltbehörde sieht das kleine Festival als Experiment und gibt für die Finanzierung circa 65.000 Euro dazu. Das ist ungefähr die Hälfte des Budgets. Der Rest kommt von weiteren Sponsoren, aus dem Verkauf von Speisen und Getränken und von der Agentur Morgenwelt, die das Festival organisiert.
Eine der Macherinnen ist Wiebke Schumacher. Für sie ist das Ganze ein Herzensprojekt. Was die Organisation von Futur 2 so besonders macht: Das Organisations-Team klärt vorher ganz genau, wie viel Strom die Musiker und die Aussteller mit ihren Food-Trucks benötigen. "Wir fragen wirklich genau ab, welche Kochstelle, welche Bühne, welcher Kühlschrank verbraucht wie viel Strom. Dann können wir gut planen, wie viel Strom wir benötigen." Ein Dauerproblem seien zum Beispiel Kaffeemaschinen und Wasserkocher, die sehr viel Strom verbrauchen. "Das haben die Leute oft gar nicht auf dem Schirm", sagt Schumacher.
Der Solarstrom reicht nicht für alles
Beim Futur 2 Festival erzeugen sie rund ein Drittel des Stroms mit Solarenergie. Den Rest liefert ein Wasserstoff-Generator vor Ort. Deshalb ist in diesem Jahr Ole Hering von der Firma Swatt das erste Mal dabei. Er ist sozusagen der Wächter des Wasserstoffs. "Den Trailer, in dem grüner Wasserstoff ist, habe ich aus Nordfriesland mitgebracht", sagt Hering. "Wir haben in Hamburg eine Wasserstoff-Tankstelle, wir wären ohnehin hergefahren - also ist auch der Transport nachhaltig gewesen."
Wasserstoff-Trailer nachhaltiger als Diesel-Generator
Ein Vorteil des Wasserstoff-Trailers auf dem Festival-Gelände: Es wird nur so viel Strom erzeugt, wie auch wirklich gebraucht wird. Wenn beispielsweise an einem Food-Truck eine Großbestellung Pommes reinkommt und gleichzeitig drei elektrische Gitarren spielen, erkennt das System den erhöhten Bedarf, die Brennstoffzelle springt an und verwandelt den Wasserstoff in Strom. Bei anderen Festivals hingegen würde immer ein Diesel-Generator laufen - egal wie hoch der Strombedarf gerade ist.
Klimafreundlicher Strom kostet mehr
Allerdings hat der klimafreundliche Wasserstoff auch seinen Preis. "So eine Brennstoffzelle kostet 150.000 Euro für 20 Kilowatt. Wenn ich aus China einen Diesel-Generator importieren lasse, kostet der nur 5.000 Euro", sagt Ole Hering. Und folglich liegt auch der Strompreis beim Wasserstoff höher. "Für eine Kilowattstunde liegen wir bei etwa drei Euro." Laut Wiebke Schumacher zahlen sie bei dem Festival mehr als 4.000 Euro für den Wasserstoff. Das sei deutlich mehr als beim "normalen Strom".
Ist Nachhaltigkeit unterm Strich gar nicht teurer?
"Natürlich kann man sagen: Nachhaltigkeit ist teurer. Die Frage ist, ob es wirklich stimmt", so Schumacher. "Wenn man es auf die Kilowattstunde rechnet, ja." Andererseits mussten Festivals wegen Folgen des Klimawandels wie extremem Hochwasser und Sturm abgesagt werden. Und auch das komme die Veranstalter teuer zu stehen. "Von daher ist es wohl die günstigere Lösung, auf Nachhaltigkeit umzusteigen und den Klimawandel nicht weiter voranzutreiben."
Nachhaltigkeit ist ein großes Thema
Das Thema Nachhaltigkeit treibt inzwischen viele in der Veranstaltungs-Branche um. "Das Interesse ist in den vergangenen drei bis vier Jahren explodiert", sagt die Umweltwissenschaftlerin Helen Schepers von Green Events Hamburg - einem Netzwerk, das Akteure in Hamburg und Umgebung in Verbindung bringt und sie dabei berät, nachhaltiger zu werden. "Und es gibt tatsächlich auch Fördermittel-Geber, die sagen: Wenn du Geld von uns willst, musst du gewisse Nachhaltigkeits-Kriterien erfüllen. Oder Flächengeber wie das Heiligengeistfeld in Hamburg, die Auflagen zum Thema Nachhaltigkeit haben, die von Veranstaltern erfüllt werden müssen."
Green Events Hamburg arbeitet gerade an einem Nachhaltigkeits-Siegel für Festivals und Veranstaltungen. Die Idee: Wenn man bestimmte Kriterien erfüllt, soll man ein entsprechendes Zertifikat erhalten.
"Am besten wäre, wir werden überflüssig"
Für Wiebke Schumacher vom Futur 2 Festival geht die Entwicklung somit genau in die richtige Richtung. "Unser geheimer Wunsch ist, dass wir uns selber überflüssig machen: also dass wir nicht mehr das eine nachhaltige Festival sind, sondern ein nachhaltiges Festival von vielen, weil es einfach alle so machen." Dann müssten sie auch keine Überzeugungsarbeit mehr leisten. "Und dann könnten wir unser Festival so weiter machen, einfach weil wir es gerne machen."