Kommentar zum Weltklimagipfel COP29: Dicke Luft in Baku
Die Weltklimakonferenz 2024 in Baku hat für Ernüchterung gesorgt. Und überhaupt: Klimakonferenzen in Ölstaaten abzuhalten, ist fatal. Dennoch ist das Forum unverzichtbar, meint Wissenschaftsjournalistin Yasmin Appelhans.
Die Weltklimakonferenz COP29 ist beendet - die Erwartungen vieler wurden enttäuscht. Doch: Es lag von Anfang an in der Luft. Schon bei der Ankunft konnten die Teilnehmenden der Weltklimakonferenz riechen: Hier spielen fossile Energien eine entscheidende Rolle. Der Geruch von Tankstelle legt sich an windstillen Tagen über die ganze Stadt Baku - die Hauptstadt eines Landes, in dem Bohrtürme auf Münzen geprägt und Schneekugeln mit Ölförderanlagen als Andenken zu kaufen sind. Eines Landes, in dem der Handel mit Öl und Gas so tief in die Geschichte verwoben ist, dass sie Teil der Identität ist.
Aserbaidschan bewirbt fossile Energien als "Geschenk Gottes"
So ist es vielleicht auch kein Wunder, dass bei der Konferenz ziemlich schnell dicke Luft herrschte. Denn trotz Begrüßungsplakaten mit Windrädern hat Gastgeber Aserbaidschan nicht für weniger fossile und mehr erneuerbare Energien geworben. Das witterten Beobachtende schon bei der Rede zum Auftakt der Konferenz von Präsident Ilham Alijev. Er pries die fossilen Brennstoffe als "Geschenk Gottes".
Fatal für das Klima: Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vertagt
Nun wurde also ein sehr wichtiger Punkt vertagt: Der verbindliche Ausstieg aus den fossilen Energien soll erst bei der Klimakonferenz im kommenden Jahr in Brasilien verhandelt werden. Die Bundesregierung will es als Erfolg verkaufen, dass die Entscheidung aus dem vorigen Jahr nicht noch schwächer statt stärker ausgefallen ist. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Dabei könnte der Aufschub des Endes der Fossilen eine fatale Entscheidung für das Klima sein. Denn mit jedem Jahr, in dem die Welt die Abgase der fossilen Industrie in die Luft pustet, wird es bedrohlicher - für die Natur und für uns Menschen. Das gilt besonders für Länder wie die kleinen Inselstaaten: Der steigende Meeresspiegel lässt Landesteile oder teilweise ganze Staaten untergehen. Extremwetterereignisse wie Hurricanes können schnell große Landstriche der kleinen Inseln verwüsten.
Betroffene Staaten von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen
Der Gastgeber hat diese Gruppe der Inselstaaten und auch die ebenfalls schwer betroffene Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder weitgehend aus dem Verhandlungsprozess ausgeschlossen. Das muss als Strategie interpretiert werden. Die Staaten, die auf besonders strenge Regeln gepocht hatten, durften nicht mitreden. Das ist zutiefst undemokratisch. Denn nur im Rahmen von UN-Konferenzen haben alle Staaten der Welt eine Stimme und werden gehört. Dass es überhaupt ein Abschlussdokument gab und nicht der ganze Prozess gescheitert ist, ist so schon ein wichtiger Erfolg.
Vereinbarung über Klimafinanzierung unzureichend
Das gilt aber nicht für die Inhalte, wie auch die Vereinbarung zur Klimafinanzierung. Klar, es liegt in der Natur der Sache, dass mit einem Kompromiss meist keine der Parteien zufrieden ist. Und ein Forum, in dem alle Staaten einem Beschluss zustimmen müssen, ist auch kein Weg der besonders schnellen Entscheidung. Dennoch bleibt: Der Beschluss - das, was finanziell herauskommt - reicht nicht!
Denn auch wenn es zukünftig mehr Geld für die Entwicklungsländer geben soll: Die beschlossene Summe wird nicht nur erst in zehn Jahren fällig. Sie bleibt ebenso weit hinter dem eigentlichen Bedarf der Länder zurück. Auch Deutschland und die EU müssten finanziell deutlich mehr leisten. Das hat beispielsweise die Corona-Pandemie gezeigt: Bei Bedarf können Gelder durchaus schnell locker gemacht werden. Die ungleich größere und längerfristige Bedrohungslage durch die Klimakrise scheinen die reicheren Länder aber noch immer nicht anzuerkennen.
Versicherungen wollen bei Klimaschäden künftig nicht mehr zahlen
Die Konferenz das dritte Mal in Folge in einem Staat stattfinden zu lassen, der von fossilen Energien abhängig ist, könnte in Zukunft mehr Menschenleben kosten, als einigen Beteiligten klar zu sein scheint.
Vielleicht wird ja die Entscheidung für konsequenten Klimaschutz wirklich nicht auf politischer Ebene getroffen. Die Technologien zu erneuerbaren Energien entwickeln sich immer weiter und haben einen immer größeren Anteil an der weltweiten Energieversorgung. Wer hier als Land nicht mitspielt, wird längerfristig abgehängt. Und auch Versicherungen haben genau berechnet, was die Krise sie in Zukunft kosten wird: Sie werden für Klimaschäden zukünftig nicht mehr aufkommen - und so vielleicht ein Umdenken hin zu mehr Klimaschutz bewirken.
Es muss investiert werden, sonst wird es teuer
Wichtig für den Umbau in eine klimafreundliche Welt sind aber die richtigen Impulse aus der Politik, auch und vor allem von Klimakonferenzen. Für die Zukunft des Planeten reichen die Beschlüsse dieses Gipfels, mal wieder, nicht aus. Es muss jetzt in Klimaschutz investiert werden, sonst wird es in Zukunft teuer. Tausende mehr Menschenleben werden gefährdet. Wer Wind sät, wird Sturm ernten, heißt es - das gilt auch fürs Klima. Es wird endlich Zeit, dass er sich dreht, der Wind in Sachen Klimaschutz.
Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.