Warum Bauern die Rente verweigert wird
Landwirt Rolf Rohlfs aus dem niedersächsischen Beckeln ist 72 Jahre und damit längst im Rentenalter. Vier Jahrzehnte lang hat er in die landwirtschaftliche Alterskasse eingezahlt - ausbezahlt bekommt er seine Rente jedoch nicht. Erst soll er dafür seinen Hof und seine Ländereien vererben, verkaufen oder verpachten. So will es die so genannte "Hofabgabeklausel", eine spezielle Regelung im Gesetz zur Alterssicherung für Land- und Forstwirte, die von 1957 stammt. Rohls empfindet das als "kalte Enteignung", die Regelung sei längst nicht mehr zeitgemäß.
Regelung beruht auf Nachkriegszeit
Nach dem Krieg war die Agrarstruktur in Deutschland geprägt von kleinen Höfen mit alten Bauern, die ihren Betrieb nicht an den Nachwuchs abgeben wollten. Denn dann waren sie auf das Wohlwollen ihrer Kinder angewiesen: Eine Altersvorsorge hatten sie nicht erwirtschaftet. Es war ohnehin schwierig, mehrere Generationen mit einem Hof von nur wenigen Hektar Land zu versorgen.
Deshalb gründete die damalige Regierung die Alterskasse für Landwirte. Und die Hofabgabeklausel sollte dafür sorgen, dass die Bauern der jungen Generation die Verantwortung übergeben und aus kleinen Höfen größere Betriebe werden. Die Klausel sieht vor, dass Landwirte mit 65 Jahren nur dann ihre Rente aus der Alterskasse erhalten, wenn sie den Hof an ihren Nachfolger übertragen, den Hof verkaufen oder alle Flächen verpachten.
Damals schien das eine gute Idee zu sein. Doch 55 Jahre später hat sich die Landwirtschaft längst verändert: In weiten Teilen Deutschlands gibt es eine riesige Agrarindustrie, während anderswo viele Höfe nicht mehr ertragreich genug sind. Die Folge: Die Pachtpreise sind schlecht. Laut Landwirtschaftszählung 2010 hat nur noch ein Drittel der Bauern einen gesicherten Hofnachfolger.
Ministerium will "den Strukturwandel erhalten"
Trotzdem hält die Regierung weiterhin an der Hofabgabeklausel fest. Im Interview mit Panorama 3 betont der parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Peter Bleser: "Die Voraussetzung zum Erhalt der landwirtschaftlichen Altershilfe ist die Abgabe des Hofes in der Regel an die Kinder oder einen Dritten, um dann auch Renten beziehen zu können. Das ist auch sinnvoll, damit der Strukturwandel aufrecht erhalten bleibt."
In keinem anderen Beruf gibt es ein solches Rentensystem. Ein System, in das selbständige Unternehmer einzahlen müssen, aber nicht sicher sein können, je eine Rente daraus zu erhalten. "Besonders hart trifft die Hofabgabeklausel diejenigen Landwirte, die entweder keine Nachkommen haben oder ihren Hof mangels Nachfrage nicht verpachten können. Sie sind unter Umständen gezwungen, den ganzen Hof zu veräußern, den sie über Jahrzehnte betrieben und aufgebaut haben", so Rechtsanwältin Jutta Sieverdingbeck-Lewers. Sie vertritt zahlreiche Landwirte, die gegen diese Klausel gerichtlich vorgehen wollen.
Scheinpachtvertrag statt Gesetzestreue?
Landwirt Rolf Rohlfs will seinen Hof noch nicht abgeben. Noch fühlt er sich körperlich fit und er hat noch Hoffnung, dass sein Enkel den Betrieb einmal übernimmt. Um seine Rente doch zu erhalten, könnte er einen Scheinpachtvertrag abschließen. Sein Sohn übernähme den Hof nur auf dem Papier, er selbst würde weiterhin alles bewirtschaften. Diese Vorgehensweise ist zwar ungesetzlich - aber mittlerweile durchaus üblich. Wenn er sich aber an das Gesetz halten will, bleibt ihm nur der Weg vor das Bundessozialgericht, um seine Rente zu erstreiten.