Waldbrände: Experten fordern bessere Prävention
Die verheerenden Waldbrände im Mittelmeerraum - insbesondere auf der griechischen Insel Rhodos - sind wie so oft kaum unter Kontrolle zu bekommen. Hitze, Trockenheit und starke Winde spielen eine große Rolle, doch Experten sind sich einig, dass vor allem in der Prävention zu wenig passiert.
"Die Wetterbedingungen, die Topografie und das reichlich vorhandene Brennmaterial stehen im Moment auf Seiten des Feuers, bildlich gesprochen. Und das macht diese Feuer so schwer zu kontrollieren", beschreibt Forstwissenschaftler und Brandexperte Alexander Held im Interview bei NDR Info die Situation auf Rhodos. Wetter und Topografie könnten wir nicht beeinflussen - jedenfalls nicht kurzfristig. Unter den derzeitigen Bedingungen auf Rhodos sei eine Bekämpfung "de facto unmöglich", auch wenn noch mehr Löschflugzeuge eingesetzt werden würden, so die Einschätzung des Brandexperten.
Prävention ist wichtig, um Waldbrände zu verhindern
Man müsse deshalb dringend präventiv tätig werden. Die verfügbare Brandlast, also das, was beispielsweise in den Wäldern leicht entflammbar ist, müsse entweder reduziert, entfernt oder in weniger brennbare Strukturen umgewandelt werden, sagt Held. Nicht nur in Griechenland sei zu wenig getan worden, sondern weltweit passiere da viel zu wenig. "Portugal ist vielleicht im Moment das prominenteste Beispiel, wo sich was ändert, der Fokus sich stark verschiebt Richtung Prävention und resilientere Landschaften zu schaffen." Aber es wäre eben einfacher, Fahrzeuge und Hubschrauber zu beschaffen, als in langfristige Prozesse einzusteigen. Dabei bräuchte es aus der Sicht des Forstwissenschaftlers im großen Stil Pufferzonen, um Infrastruktur und Dörfer tatsächlich vor Flammen schützen zu können - unter solchen extremen Wetterbedingungen.
Feuerökologe: "Landschaften werden empfindlicher gegenüber Feuer"
Johann Georg Goldammer geht noch weiter. Er ist Professor für Feuerökologie am Max-Planck-Institut für Chemie in Freiburg und Direktor des Global Fire Monitoring Center, das weltweit Vegetationsbrände überwacht. Die Empfindlichkeit der Landschaften in den mediterranen Ländern gegenüber Feuer werde ständig größer. Das Ganze werde durch die Klimakrise noch angeheizt, sagte der Feuerökologe bei NDR Info. Die alten Kulturlandschaften gerade im Mittelmeerraum hätten sich dramatisch verändert: "Wo bis vor 30, 40 Jahren noch sehr intensiv Land- und Weidewirtschaft betrieben wurde, ist die Landnutzung weitestgehend aufgegeben. Die Jugend zieht in die Städte, die Dörfer vergreisen, die Vegetation erobert sich den ländlichen Raum zurück. Felder, die nicht mehr bewirtschaftet werden, werden jetzt praktisch wieder überwuchert von Bäumen und Sträuchern. Jetzt findet das Feuer einfach mehr Nahrung als vergleichsweise vor 30 oder 50 Jahren." Wenn man früher schon solche Satellitensysteme gehabt hätte wie heute, dann hätte man vor einem halben Jahrhundert nur sehr wenige Feuer gesehen, "weil einfach weniger oder gar nichts zu brennen da gewesen wäre", erklärt Goldammer.
Im Grunde genommen müssten die alten Bewirtschaftungsmethoden - also Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Weidewirtschaft - wiederhergestellt werden, "um das Land wieder in einen Gleichgewichtszustand zu versetzen", fordert Goldammer. So könne man verhindern, dass das Feuer übermäßige Nahrung finde. "Und hier gilt es nachzudenken, wie der ländliche Raum wieder attraktiv gemacht werden kann, durchaus subventioniert. Es ist eine Mammutaufgabe", räumt er ein.
Wie sieht es mit Waldbrand-Prävention in Deutschland aus?
Anders als im Mittelmeerraum sei in Deutschland das Thema Waldbrand als sichtbares Symbol und Symptom des Klimawandels deutlich angekommen - bei den Feuerwehren, den Waldbesitzern und Forstverwaltungen, meint Brandexperte Held. Es werde viel darüber gesprochen, es gebe mittlerweile sogar Veranstaltungen dazu im Winter. Doch jetzt gelte es: "Die Akteure, die alle ihre Hausaufgaben erledigen müssten, müssen auf einen Nenner gebracht und in eine Richtung koordiniert werden, um dann Hand in Hand mit der Feuerwehr die Entwicklung voranzutreiben, die Bekämpfung effektiver zu machen, sicherer zu machen." Auch hierzulande müssten die Wälder weniger brennbar gemacht werden, sowohl durch kurzfristige Maßnahmen als auch langfristig. Der Wald müsste konzeptionell naturnäher umgestaltet werden, "sodass er weniger brennbar ist und wenn er brennt, weniger gut brennt und sich schneller von alleine regenerieren kann".
Das auf das Pflanzen bestimmter Baumarten zu reduzieren, hält Forstexperte Held für zu kurz gegriffen. "Wenn Sie in einen gesunden Wald hineinlaufen, dann merken Sie ein Waldklima, das ausgewogener, kühler, feuchter ist. Und da müssen wir hin." Das lasse sich festmachen an der Mischung, der Struktur, am Baumarten-Reichtum. Grundsätzlich gelte immer: Laub und Laubgehölze würden für mehr Verdunstung im Wald, besseren Boden, mehr Wasserspeicherkapazität sorgen. "In diese Richtung muss der Waldumbau stärker passieren."
In Europa Bewusstsein schaffen für mehr Prävention
Aus Sicht von Held gibt es in Europa mittlerweile eine "wunderbare" Waldbrand-Forschung. Auch von der Politik werde inzwischen mehr über Prävention und Resilienz geredet als früher. Doch der Zivilschutz-Ansatz - also mehr Löschmittel, mehr Flugzeuge zu beschaffen - sei nach wie vor sehr prominent. Sicher brauche man eine gut ausgerüstete Feuerwehr. Held sieht das Problem darin, dass Prävention nicht Zivilschutz sei, sondern in den Bereich Land- und Forstwirtschaft, Tourismus und räumliche Planung falle. "Da kommen verschiedene Akteure zusammen, da müssen wir Bewusstsein schaffen: Wer tut was? Oder wer sollte was tun, damit wir uns alle das Leben gegenseitig etwas leichter machen?"