Umdenken in der Modewelt: Wenn der Pulli mir nicht gehört
Die Massen-Produktion von Kleidung ist schlecht fürs Klima. Lösungsansätze gibt es einige. Aber die Produktion in Asien ist weiterhin oft umweltschädlich. Und das Recycling steht noch ziemlich am Anfang. Die Kleiderei in Hamburg geht einen anderen Weg: Sie verleiht Kleidung im Abo.
Leoni Lojenburg kennt die Modebranche sehr gut. Sie hatte schon manche Stationen hinter sich, bevor sie in Hamburg die Kleiderei gegründet hat. "Ich habe Modedesign und Modemanagement studiert, habe auch im Textil-Recycling gearbeitet - also in der Sammlung von Altkleidung bei einem großen Unternehmen", erzählt Lojenburg im NDR Info Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise". "Ich habe auch schon kleine Unternehmen beraten, die nachhaltiger werden wollten oder die nachhaltige Textilprodukte auf den Markt bringen wollen."
Bei allem ist ihr wichtig: Alternativen zur Fast-Fashion finden - einem Trend, der seit einigen Jahren noch durch Billig-Plattformen aus China befeuert wird. Die globale Kleidungsproduktion hat sich von 2000 bis 2015 in etwa verdoppelt. Und sie dürfte seitdem weiter gestiegen sein. "Bei den Fast-Fashion-Industrien wird so viel produziert, dass gar nicht alles verkauft wird", sagt die gebürtige Hamburgerin. "Es muss aufhören, dass Massen an Kleidungsstücken, die eigentlich noch tragbar und total gut sind, einfach auf Mülldeponien landen."
Für 29 Euro im Monat hat man freie Auswahl
Den Verzicht auf Mode zu predigen, wäre Leonie Lojenburg zu einfach. Sie setzt lieber auf eine positive Vision, die Spaß bringen soll und zugleich die Umwelt schont. Deshalb gibt es in ihrem kleinen Laden im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel ein Leih-Abo für Kleidung. Und das geht so: Für einen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 29 Euro kann man sich Anziehsachen für zu Hause aussuchen - maximal vier Teile gleichzeitig. Für 39 Euro kann man auf sechs Teile erhöhen. Wie lange man ein Teil behält, lässt sich frei wählen. Ein Beispiel: Wer sich eine Winterjacke und ein Abendkleid mitnimmt, kann das Kleid nach einer Woche zurückbringen und gegen einen warmen Pullover eintauschen - und die Jacke bis zum Frühjahr behalten.
Ein loser Knopf wird auch angenäht
Hauptsächlich findet sich Kleidung für Frauen. Schuhe gibt es in dem Leih-Modell nicht. "Die tragen sich zu schnell ab - und Schuhe können auch nicht einfach in die Waschmaschine geworfen werden", erklärt Leonie Lojenburg. Denn zurückgebrachte Kleidung landet erst in der Waschmaschine, bevor sie wieder in den Laden gehängt wird. Gegebenenfalls werden auch Knöpfe angenäht oder Nähte ausgebessert. Wenn mal ein Teil kaputt oder verloren geht, zahlt das Mitglied die Hälfte des Preises, den es als Secondhand-Stück gekostet hätte. Aber das komme selten vor, so Lojenburg.
Auch ältere Damen spenden gerne Kleidung
Die Anziehsachen in der Kleiderei stammen vor allem aus Spenden. "Viele sind einfach total dankbar, dass sie noch tragbare Kleidung abgeben können und wissen, damit passiert noch was Sinnvolles", berichtet Leonie Lojenburg. "Unter den Spenderinnen sind auch ältere Damen, die Sachen abgeben, die sie vielleicht viele Jahre schon nicht mehr tragen." Aus den Spenden sucht sich Lojenburg die passenden Sachen heraus. Den Rest spendet sie - zum Beispiel ans Deutsche Rote Kreuz. Aber es lässt sich nicht nur Secondhand-Kleidung leihen oder kaufen in der Kleiderei. Möglich ist auch, sich von einigen Firmen, die nachhaltig produzieren, neue Ware zu leihen - auch Rucksäcke beispielsweise.
Schon mehr Abo-Kunden als erwartet
Den Laden von Leonie Lojenburg gibt es seit Mai 2024 in Hamburg. Weitere Kleiderei-Filialen finden sich in Köln, Freiburg, Berlin und Stuttgart. Das Konzept kommt offenbar gut an. Die Kleiderei in Köln hält sich mittlerweile seit acht Jahren. Für Lojenburg lohnt es sich finanziell noch nicht. Sie zeigt sich aber mit dem Start zufrieden. "Es ist tatsächlich so, dass wir die Erwartungen des Business-Plans voll übertreffen - insbesondere bei den Mitglieder-Zahlen. Da haben wir einen großen Andrang. Es ist sehr schön zu sehen, dass die Idee, Mode anders zu konsumieren, auf fruchtbaren Boden stößt."
Leih-Modelle sind tatsächlich gut fürs Klima
Was bringen solche Leih-Konzepte dem Klimaschutz? Das hat das Fraunhofer Institut in einer Studie untersucht. "Wir haben uns einige Firmen näher angesehen und dabei festgestellt, dass man einen merklichen Effekt hat, wenn man die Sachen leiht und nicht kauft", sagt Frank Marscheider-Weidemann vom Fraunhofer Institut in Mannheim. Ungefähr ein Drittel der CO2-Emissionen falle weg. Ein ganz wichtiger Punkt im Sinne des Umweltschutzes: Kleidung länger nutzen. Und das Tauschen hilft dem Klima nur, wenn man stattdessen auf einen Neukauf verzichtet. Also erst mal ein Hemd aus der Massen-Produktion in Asien einkaufen und dann noch ein zweites Hemd bei der Kleiderei leihen, ist demnach nicht sinnvoll.
Kunden sagen: Ich kaufe nichts Neues mehr
Leonie Lojenburg freut sich, wenn sie bei ihren Kunden einen gewissen Lerneffekt beobachtet. "Es ist immer schön zu sehen, wenn ein Mitglied das Konzept vorher noch nicht kannte und dann das erste, zweite und dritte Mal Sachen tauscht und daraufhin sagt: Ich kaufe eigentlich gar nichts mehr." Bei vielen sei das Shopping ja ein regelrechtes Hobby. "Dieses Gefühl kann man hier genauso haben. Da man das Teil auch nicht besitzt, verringert das natürlich auch enorm die Fehlkäufe." Die positiven Effekte motivieren die Filial-Leiterin enorm. Und sie scheut sich nicht, ihren Kunden im Laden die Vorteile klarzumachen. "Wenn wir ein Kleidungsstück ein Jahr länger nutzen als normalerweise, dann sparen wir schon unglaublich viel Ressourcen. Und jeder Einzelne kann etwas dazu beitragen und gleichzeitig Freude an der Mode haben. Und diese Kombination ist einfach so wertvoll."