Steigende Energiepreise: Verbraucherzentralen ausgelastet
Immer mehr Strom- und Gas-Anbieter erhöhen massiv ihre Preise: Mehrere Hundert sollen es allein zum Jahreswechsel sein, so berichten es Internet-Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox. Im Durchschnitt steigen die Kosten - so aktuelle Zahlen - um rund 60 Prozent.
Immer mehr Haushalte können sich diese Preissteigerungen nicht oder nur schwer leisten. Die Energieberatungen der Verbraucherzentralen sind mittlerweile überlaufen. "Aufgrund der sehr hohen Nachfrage nach Beratungen können derzeit nur Beratungen per Telefon, per Video oder in einem unserer Beratungsstützpunkte vereinbart werden. Leider ist mit längeren Wartezeiten zu rechnen." Diese Telefon-Ansage hört, wer die bundesweite Hotline der Verbraucherzentralen wählt. Bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen gibt es selbst für Video-Energieberatungen erst wieder Termine Mitte Januar. Wer einen Termin ergattert, kann sich also glücklich schätzen.
Rechtsanwalt: "Probleme sind in der Mittelschicht angekommen"
Jan Bornemann, Rechtsanwalt bei der Verbraucherzentrale Hamburg: "Was jetzt neu ist, ist, dass auch Menschen aus der Mittelschicht diese Thematik haben und sich wirklich Sorgen machen. Wenn man eine Familie mit zwei Kindern hat, vielleicht auch schon Kreditraten bezahlt oder hohe Mieten. Wenn sich dann auch noch die Heizkosten um das drei- oder vierfache pro Monat erhöhen, dann ist es natürlich einfach nicht mehr zu leisten für viele. Man merkt halt zunehmend Verzweiflung bei einigen Menschen, weil sie es sich einfach nicht mehr leisten können."
Rechtsanwalt Bornemann führt an diesem Tag gut zehn Beratungstermine in der Verbraucherzentrale Hamburg durch. Manche kommen, weil sie versehentlich am Telefon einen Vertrag abgeschlossen haben, dessen Kosten nicht ersichtlich waren. Andere bei Problemen mit dem Energieversorgerwechsel nach einem Umzug. Die allermeisten aber wegen der angekündigten hohen Gas- oder Strom-Abschläge. So auch Ulrich Träder, der für seine 96-jährige Mutter in die Energieberatung der Verbraucherzentrale gekommen ist: "Und zwar geht es um die Fernwärme - das macht sie jetzt in Raten …"
Abschlag für Fernwärme stieg von 60 Euro auf 261 Euro monatlich
Für die 38-Quadratmeter-Wohnung der Mutter ist zurzeit ein Abschlag von 261 Euro monatlich fällig. Das ist mehr als viermal so viel wie zuvor - und entspricht einer Monats-Kaltmiete für die Wohnung, so ihr Sohn: "Geschockt waren wir natürlich, das ist ja klar, meine Mutter sowieso. Sie hatten ja schon erhöht von 40 auf 60 Euro und jetzt auf 261 Euro. Das ist schon ein ganz schöner Happen. Ob das jetzt alles so korrekt ist, diese Rechnung, wo man gar nicht so richtig durchblickt, das ist ein bisschen schwierig." Genau deswegen hat sich Träder auch an die Verbraucherzentrale gewandt, denn er selbst kam, wie er sagt, beim Anbieter nicht durch. Er konnte dort niemanden erreichen. Rechtsanwalt Bornemann sind vergleichbare Fälle bekannt. Im Stadtteil Hamburg-Lohbrügge sind offenbar mehr als 7.000 Haushalte betroffen. Bornemann ist daher schon an das Unternehmen mit einem Fragenkatalog herangetreten.
Musterschreiben für Widerspruch ist in Planung
Ein Musterschreiben und eine Informationsveranstaltung für Verbraucher seien in Planung, sagt er: "Wir hoffen, dass es eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geben wird, die unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, dass man die Klauseln anpassen muss." Bornemann hofft, dass sich die Möglichkeit ergibt, die Preisanpassungsklausel zu verändern. "Also das ist natürlich Aufgabe des Unternehmens, aber wir würden es sehr begrüßen, wenn man hier Gesprächsbereitschaft hat."
Verbraucherschützer Bornemann räumt ein: Die Durchsetzung eines akzeptablen Kompromisses wird nicht einfach sein. Er hofft daher in erster Linie auf die neue Missbrauchskontrolle, die von März 2023 an greifen soll. Demnach müssen die Energieunternehmen gegenüber dem Bundeskartellamt belegen, dass Preiserhöhungen tatsächlich sachlich gerechtfertigt sind. Sonst dürfen sie, so hat es die Bundesregierung geplant, bis zum Jahr 2024 nicht weiter erhöhen. Die Energieberatung in den Verbraucherzentralen wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert und ist daher kostenlos. In Hamburg ist ein Termin allerdings erst wieder Ende Januar 2023 zu bekommen.