Silvesterfeuerwerk: Umweltbundesamt und Soziologe gegen Verbot
Sollte privates Silvesterfeuerwerk verboten werden? Vor allem nach gewalttätigen Ausschreitungen am vergangenen Jahreswechsel hat auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) für ein bundesweites Böllerverbot plädiert. Anders sahen es die Gesprächspartner bei NDR Info Live zum Thema.
Das Jahresende naht und schon jetzt scheint klar: Silvester wird laut. Bis September wurden rund 24.400 Tonnen Feuerwerkskörper nach Deutschland importiert - vier Mal so viel wie im vergangenen Jahr. Für viele ist das bunte Spektakel ein Lichtblick in der dunklen Jahreszeit, ein Gemeinschaftserlebnis. Ein Bündnis aus Umwelt- und Tierschützern sowie Polizeigewerkschaftern fordert dagegen ein allgemeines Böllerverbot. Denn auch im vergangenen Jahr waren die Notaufnahmen wieder voll mit Verletzten - und Einsatzkräfte waren von Randalieren mit Raketen und Böllern angegriffen worden. Davon berichtete bei NDR Info Live auch Thorsten Kraatz von der Feuerwehr Hamburg. Auffällig sei auch gewesen, dass selbst kleine Kinder sich beim privaten Böllern teils schwer verletzten. Dennoch verspreche er sich von einem generellen Böllerverbot nicht viel, unerlaubtes Material würde es trotzdem geben. Man solle selbst darauf achten, dass man vernünftig mit Feuerwerk umgehe. Sein Tipp: So lange man noch nüchtern ist, sollte man sich die Gebrauchsanleitung durchlesen.
Soziologe: Silvesterfeuerwerk als Gemeinschaftserlebnis
Auch der Soziologe und Pyrotechniker Felix Martens hält nichts davon, privates Feuerwerk generell zu verbieten. Auch den Tierschutz-Aspekt ließ er im Gespräch nicht gelten, sondern berichtete von seinen Erfahrungen, dass man Haustiere an die lauten Böller-Geräusche gewöhnen könne. Aus soziologischer Sicht benannte er einen von - aus seiner Sicht - vielen Aspekten, die Feuerwerk für Menschen faszinierend macht: "Feuerwerk an Silvester ist zunächst etwas Individuelles, das aber auch verbindet - ein sozialer Resonanzraum. Das ist etwas Wertvolles." Im Alltag seien wir vielen gesellschaftlichen Zwängen unterworfen. Das einmal im Jahr kollektive, aber dennoch kontrollierte "Ausrasten" sei ein weltweites Phänomen. An Regeln der Rücksicht müsse man sich natürlich dennoch halten.
Umweltbundesamt: Feinstaubbelastung rechtfertigt kein generelles Böllerverbot
Ein Argument der Gegner von Silvesterfeuerwerk ist der Umweltaspekt. Doch Ute Dauert vom Umweltbundesamt relativierte die Gefahr einer Gesundheitsbelastung. "Da zur gleichen Zeit, am gleichen Ort von vielen Menschen Feuerwerk abgebrannt wird, haben wir kurz nach Mitternacht die höchsten Feinstaubkonzentrationen eines Jahres. Das bezieht sich auf stündliche Werte. Da haben wir bis zu 1.000 Mikrogramm pro Kubikmeter Feinstaub in der Luft. Aber: Wir haben in dieser Nacht in etwa ein bis zwei Prozent dessen, was in ganz Deutschland im ganzen Jahr freigesetzt wird." Für Menschen mit Lungenvorerkrankungen könnten aber diese sehr hohen Spitzen in der Silvesternacht dennoch zu akuten Problemen führen.
Wie groß ist die Begeisterung für privates Böllern?
Wollen überhaupt noch so viele Menschen mit privatem Feuerwerk das neue Jahr begrüßen? Bei einer nicht repräsentativen Umfrage unter den Instagram-Userinnen und -Usern von NDR Info sprachen sich 73 Prozent gegen ein Böllerverbot an Silvester aus. Zu einem anderen Ergebnis kommt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov: Demnach sind nur 14 Prozent der Befragten "voll und ganz" für das traditionelle Silvesterfeuerwerk.
Niedersachsen: Feuerwerk-Verbotszonen statt allgemeines Böllerverbot
Als bisher einziges norddeutsches Bundesland hat sich Niedersachsen klar positioniert: Innenministerin Daniela Behrens sprach sich gegen ein allgemeines Böllerverbot aus. "Ich beobachte durchaus mit Sorge, dass jährlich Tausende Menschen Verletzungen durch Feuerwerkskörper erleiden und damit zum Jahreswechsel auch die Rettungskräfte und die Polizei immer stark gefordert sind", sagte die SPD-Politikerin. Zudem hätten Böller eine unrühmliche Rolle bei den Silvesterkrawallen im vergangenen Jahr gespielt. Die überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger würden aber friedlich und verantwortlich mit dem Feuerwerk am Silvesterabend umgehen. Fraglich sei auch, ob ein Verbot die Krawallmacher überhaupt treffe, weil diese häufig ohnehin verbotenes Feuerwerk einsetzten. "Ich halte daher die Einrichtung von Feuerwerksverbotszonen durch die Kommunen, insbesondere durch die größeren niedersächsischen Städte, für zielführender", sagte Behrens.
Hamburg: Böller-Verbotszonen werden wohl nicht ausgeweitet
In Hamburg wird es an Silvester höchstwahrscheinlich keine zusätzlichen Böller-Verbotszonen geben. Im vergangenen Jahr war Feuerwerk rund um die Binnenalster und auf dem Rathausmarkt verboten. Weitere Verbote ließen sich nicht rechtssicher begründen, heißt es in einem Bericht von Innensenator Andy Grote (SPD) an die Hamburgische Bürgerschaft. Denn dazu müsste man klar eine erhöhte Gefahr für Leib und Leben absehen können.
Mecklenburg-Vorpommern: Kein Feuerwerk nahe brandgefährdeten Gebäuden
Auch in Mecklenburg-Vorpommern zeichnet sich bislang kein allgemeines Böllerverbot ab. Grundsätzlich ist das Abbrennen von Feuerwerk in der Nähe von Reetdächern und anderen brandgefährdeten Objekten wie Scheunen oder Holzlagern verboten. Weitere Einschränkungen gibt es im Kreis Nordwestmecklenburg, dort darf in einigen kleineren Orten gar nicht geböllert werden. Auch in Teilen von Wismar gilt ein Feuerwerksverbot. In Greifswald gelten Einschränkungen in der Innenstadt und in Wiek, vor allem im Bereich brandgefährdeter Gebäude. Die Stadt Barth hatte im vergangenen Jahr das Feuerwerk im Hafen untersagt, voraussichtlich wird das auch in diesem Jahr ähnlich geregelt. Außerdem darf nicht in unmittelbarer Nähe von Krankenhäusern, Kinder-, Alten- und Pflegeheimen, Kirchen und Tankstellen geböllert werden - das gilt landesweit. Einige Städte wie Schwerin weisen explizit darauf hin. Noch haben aber nicht alle Städte und Ämter in Mecklenburg-Vorpommern über konkrete Regelungen entschieden. Die größte Stadt des Landes, Rostock, kündigt das für die kommenden zwei Wochen an.
Schleswig-Holstein: Auf vielen Nordseeinseln ist Feuerwerk traditionell verboten
In Schleswig-Holstein war nach der Corona-bedingten Pause im vergangenen Jahr Feuerwerk wieder erlaubt - aber auch hier nicht überall. Laut Sprengstoffverordnung sind Böller und Raketen in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden - beispielsweise Tankstellen oder Reetdachhäuser - verboten. Traditionell ist auf vielen Nordseeinseln Feuerwerk verboten. Jeder Kreis, jede Stadt und jede Gemeine in Schleswig-Holstein kann zusätzlich eigene Verbotszonen festlegen. Für den kommenden Jahreswechsel liegen dazu noch keine Informationen vor.