Sanierungen: Der miese Umgang mit Mietern
Mietsteigerungen um bis zu hundert Prozent - das ist für Mieter ein Alptraum, aber durchaus möglich. Möglich, wenn die Vermieter die Kosten der allseits geforderten und geförderten energetischen Gebäudesanierung auf die Mieten umlegen. Sprich: Wenn die Mieter für die Dämmung von Wänden und Dächern zur Kasse gebeten werden. Gerade in Innenstadtbereichen führt das inzwischen zur Auflösung gewachsener Mieterstrukturen und zur Verdrängung alteingesessener Mieter. Jürgen Lange aus Hannover ist so ein Fall. Seit 30 Jahren hatte der Pensionär in einem Mehrfamilienhaus mitten in der Stadt gelebt.
Umzug nach Mieterhöhung um knapp 50 Prozent
Dann begann die Hausbesitzerin mit der Sanierung des Gebäudes. Die Modernisierungsankündigung verriet dem ehemaligen Postbediensteten seine zukünftige Miete nach Beendigung der Sanierung: Seine 64-Quadratmeter-Wohnung soll dann nicht mehr 505 sondern 750 Euro kosten. Zu viel für den Ruheständler: "Das geht nicht mehr. Ich schaffe das einfach nicht. Dann wäre das Leben irgendwo nicht mehr lebenswert gewesen", erinnert er sich. Im Dezember des vergangenen Jahres zog er schließlich aus - schweren Herzens, denn seine Freunde und Bekannte blieben zurück.
Neues Gesetz zu Lasten der Mieter
Jürgen L. ist kein Einzelfall. Beim Mieterverein zu Hamburg sammelt man ähnliche Geschichten, täglich. "Es ist ein Mittel, was die Vermieter hier im Ballungsraum Hamburg nutzen, um die Mieten hochzutreiben", beobachtet Dr. Rolf Bosse vom Mieterverein. Könnten nämlich Vermieter normalerweise die Mieten innerhalb dreier Jahre nur um 20 Prozent anheben, seien die Grenzen zur Umlage der Sanierungskosten viel höher. Die Folge: Häufig diene die energetische Sanierung zur Verdrängung.
Der Bund will diesem Wildwuchs nun entgegentreten, hat zum 1.Mai das Mietrechtsänderungsgesetz beschlossen. Doch der Mieterbund ist skeptisch, sieht die Mieter schon jetzt als Verlierer des neuen Gesetzes. Gewinner wären auch weiterhin die Bauherren und Hausbesitzer. Die Kritik: Auch nach diesem Gesetz können elf Prozent der gesamten Sanierungskosten pro Jahr auf die Mieter umgelegt werden, das heißt, die Mieten können weiter exorbitant steigen.
Darüber hinaus dürfen Bewohner, auch wenn sie unter Baulärm und -dreck leiden, ihre Miete drei Monate lang nicht mehr mindern. Außerdem können Mieter noch während eines laufenden Rechtsstreits durch eine einstweilige Verfügung aus ihrer Wohnung zwangsgeräumt werden. Im Bundestag will man die Folgen des neuen Gesetzes erst einmal beobachten. Siegfried Kauder (CDU), der Vorsitzende des Rechtsausschusses, meint zu den Negativfolgen der Regelung nur lapidar: "Ich kann ja das Gesetz korrigieren, wenn ich feststellen sollte, dass der Mieter benachteiligt sein sollte." Nur dann, so glauben Experten, ist es für viele schon zu spät.