Protest weltweit: Wissenschaftler verbinden sich
In Zeiten von Fake News und sogenannten alternativen Fakten ist Wissenschaft wichtiger denn je - finden Forscher auf der ganzen Welt. Deshalb werden am Sonnabend weltweit Menschen für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung demonstrieren. Die Protest-Aktion wird "March for Science" genannt. Unterstützer und Demonstranten wollen gemeinsam auf die Straße gehen und die Öffentlichkeit an die Bedeutung der Forschung erinnern wollen. Anlass ist die ablehnende Haltung von US-Präsident Donald Trump gegenüber manchen Wissenschaftszweigen. Der zentrale Marsch des weltweiten Protests wird darum in Washington stattfinden - aber auch in vielen deutschen Städten wollen Menschen auf die Straße gehen. Im Norden wird in Göttingen, Hamburg, Rostock, Greifswald und auf Helgoland protestiert. Die Reihe "NDR Info Perspektiven" stellt die Aktion vor.
Der Klimawandel ist eine Erfindung der Chinesen! Impfungen verursachen Autismus! Und Kohle abzubauen, ist ökologisch gar kein Problem - das sind die drei bekanntesten Äußerungen von Donald Trump, mit denen der US-Präsident zeigt, was er von bestimmten wissenschaftlichen Fakten hält. Und seit der US-Haushaltsentwurf auf dem Tisch liegt, steht fest: Geld für Wissenschaft und Forschung wird es in Zukunft deutlich weniger geben. Die Wissenschaftler in den USA sind alarmiert. "Was sich ganz dramatisch geändert hat, zumindest für mich, ist, dass ich es jetzt für dringend notwendig halte, für die Wissenschaft einzutreten und auch die Institutionen zu verteidigen, die die Forschung bisher ermöglicht haben", sagt zum Beispiel die Biologin Rebecca Barnes vom Colorado College in Colorado.
Protest in mehr als 500 Städten
Aber es geht nicht nur um Wertschätzung und Geld. Hinzu kommt die Unsicherheit, in Sachen Reisefreiheit, Stichwort Einreisestopp für Menschen aus bestimmten Ländern. Es müsse dringend etwas geschehen, so die Biologin, deshalb marschiere sie beim "March for Science" mit. Und der ist nicht auf die USA begrenzt, sondern findet weltweit statt. In mehr als 500 Städten wollen Wissenschaftler sich gegen die Ignoranz von Politikern gegen wissenschaftliche Fakten wehren. Zu denjenigen, die den Marsch in Hamburg organisieren, gehört Julia Offe: "Viele Wissenschaftler haben gesagt, dass sie mitmarschieren und gefragt, wo sie Plakate aufhängen können. Die Uni Hamburg und die TU Harburg sind dabei und unterstützen uns. Das Feedback ist total gut."
Raus aus dem "Elfenbeinturm"
Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass sich Forscher weltweit zusammentun und aus dem "Elfenbeinturm" hinaus auf die Straße gehen. Physiker und Juristen, aber auch Literaturwissenschaftler, Philosophen und Stammzellenforscher. Denn es geht nicht mehr nur um Forschungsprojekte in den USA und deren Finanzierung, betont der Ozeanograph Martin Visbeck vom Geomar Helmholtz Zentrum in Kiel: "Ich finde, die Freiheit der Wissenschaft, die Möglichkeit unbequeme Wahrheiten sagen zu dürfen, ist ein hohes Gut und wer damit spielt, spielt mit ganz vielen Dingen, die uns eigentlich wichtig sind in der Gesellschaft."
Mehr als eine Solidaritätsbekundung
Es geht in Zeiten von Fake News, alternativen Fakten und politischen Meinungen um nichts weniger als um Wahrheit. Deshalb ist der "March for Science" mehr als eine Solidaritätsbekundung mit den bedrohten Wissenschaftlern in den USA, der Türkei oder Ungarn. "Jetzt geht es darum, gegen politische Einflußnahme sein Feld der Wissenschaft zu verteidigen und das ist doch wohl auf jeden Fall richtig. Es geht darum, dieses Berufsfeld als ein gesellschaftlich wichtiges zu verteidigen", sagt Simone Dietz, Professorin für Philosophie an der Universität Düsseldorf.
Mit dem "March for Science" wollen die Forscher die Öffentlichkeit nun erstmals nachdrücklich darauf aufmerksam machen, wie grundlegend die Wissenschaft für uns alle ist. Dazu wünschen sich viele von ihnen, dass der "March for Science" nur ein erster Schritt ist, um die Wissenschaft wieder stärker in den Alltag der Menschen zu rücken.
Eine Hoffnung, die auch der Soziologe und Kriminologe Nils Zurawski von der Universität Hamburg hat: "Wenn sich die Wissenschaftler nicht gehört fühlen, dann sollten wir anfangen unserer Wissenschaft nach außen zu trage. Jetzt findet ein Marsch statt, aber an den anderen 364 Tage im Jahr zieren sich viele Wissenschaftler in so ein Mikro zu sprechen oder vor eine Kamera zu treten. Wissenschaft ist immer auch Teil von Gesellschaft, ob bestimmte Dinge gut sind für uns oder nicht, dann muss man sich einmischen."