Netzpolitik.org: Zwischen Lob und Landesverrat
Netzpolitik.org: Das ist seit gut zehn Jahren eine Mischung zwischen Aufklärung und Aktivismus. Ein Brückenbauer zwischen Nerds und Netzpolitikern. Mit einem ganz klaren Ziel: freies Netz für alle. Freie Inhalte und ein freies, vor allem kostenfreies Netz. Was zu Beginn ein Portal mit absoluten Nischenthemen war, erreicht inzwischen ein deutlich breiteres Publikum.
Digitale Themen auf den Tisch bringen
Netzpolitik.org, so beschreibt es Gründer Markus Beckedahl, habe beharrlich darum gekämpft, die digitalen Themen wie Zensur und Überwachung aus der Nische zu holen: "Wir haben diese Themen von Anfang an begleitet. Seien es die Netzsperren rund um die 'Zensursula'-Debatte oder sei es die Vorratsdatenspeicherung. Wir haben schon über den NSA-Skandal berichtet als Edward Snowden noch nicht bei der NSA war. Wir werden da auch noch weiter drüber berichten, wenn das für die anderen Medien kein Thema mehr sein wird."
Die Bandbreite an Themen auf Netzpolitik.org hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Denn Fragen der Netzpolitik haben zurzeit Konjunktur. Bundesregierung und EU-Institutionen haben inzwischen je eine digitale Agenda, die viel Diskussionsstoff liefert. Auch die Frage, was Geheimdienste eigentlich alles sehen und speichern sollten, interessiert nun deutlich mehr Bundesbürger als noch vor drei Jahren.
Aus Spenden finanziert
Aber es gibt auch einen praktischen Grund für die größere Präsenz von Netzpolitik.org: Der Blog ist schlagkräftiger geworden. Gründer Beckedahl, der sich früher bei den Grünen engagierte, scharrt inzwischen gut ein Dutzend Mitschreiber um sich. Finanziert zu großen Teilen von den Lesern. Mindestens 8.000 Euro gingen zuletzt monatlich an freiwilligen Spenden ein.
"Hohe Glaubwürdigkeit und Relevanz"
Damit habe sich der Blog auch und vor allem im Politikbetrieb einen hohe Glaubwürdigkeit und Relevanz erarbeitet, sagt Lars Klingbeil, der netzpolitische Sprecher der SPD im Bundestag: "Ich lese es wirklich regelmäßig, ich ärgere mich auch regelmäßig darüber. Das ist aber, glaube ich, auch Aufgabe von so einem Blog. Spontan würde ich sagen: Es gibt kein Medium, das besser in Quantität und Qualität über Netzpolitik berichtet."
So tickert das Blog beispielsweise live aus jeder Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses. Jeder kann lesen, was die Geheimdienst-Zeugen aussagen. Das ist viel Klein-Klein, aber eben auch ein großer Dienst in Sachen Transparenz. Netzpolitik.org mache sich - so das Urteil vieler Branchenexperten - verdient beim Schutz der freiheitlichen Demokratie.
Mit Grimme Online Award
Das Grimme-Institut formulierte es so: "Netzpolitik.org ist es gelungen, ein Sammelbecken für jene Opposition zu sein, die nicht hinnehmen will, dass das freie Netz zerstört oder zumindest eingeschränkt wird." Dafür gab es im vergangenen Jahr den Grimme Online Award.
Das alles hinterlässt Eindruck, auch bei Netzpolitiker Klingbeil: "Bei den großen Diskussionen haben sie auf jeden Fall etwas in Bewegung gesetzt. Also Acta, Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren - da haben sie aus dem Publizistischen auch Kampagnen losgetreten, die nachher sogar mit Demos auf der Straße geendet sind." Ob es nun, in eigener Sache, auch so weit kommt, hängt möglicherweise davon ab, wie weit die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Netzpolitik.org gehen. Die Unterstützung im Netz, vor allem von den Journalisten-Kollegen, ist in jedem Fall schon jetzt riesig.