Mamalies: Geflüchtete Mütter lernen von Rentnerinnen
Wie ankommen in Deutschland, wenn man als geflüchtete junge Mutter den Tag in der Unterkunft damit verbringt, sich um die Kinder zu kümmern? Jungen Frauen mit Kindern fällt es schwer hier Fuß zu fassen - und es gibt nur wenige Angebote für sie außerhalb der Unterkünfte. In der Reihe NDR Info Perspektiven stellen wir ein Projekt vor, das genau diese Lücke zwischen Angebot und Nachfrage füllt.
Leyla Oehlrich hat den Hamburger Bildungsträger Mamalies gegründet. Ihr Projekt verbindet drei Faktoren, die für die Integration von geflüchteten Frauen mit Kindern wichtig sind: Sie kombiniert Deutschunterricht mit Kinderbetreuung und bindet dabei ehrenamtlich ältere Hamburgerinnen ein, die bei den jungen geflüchteten Frauen besonderes Vertrauen genießen.
"Okay, Schschsch... Die Pause ist zu Ende. So, wir haben eben über die Familie gesprochen und verschiedene Familienmitglieder gelernt", sagt Jutta Gurski. Sieben Frauen beugen sich über ihre Arbeitshefte. Sie kommen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und Iran. Die meisten von ihnen wohnen im Container-Dorf, mitten auf einer Riesen-Baustelle in der Hamburger Hafencity.
Kinder während Unterricht betreut
Schülerin Farida liest vor: "Die Familie, die Großeltern, die Großmutter." Farida ist stolz auf das, was sie schon gelernt hat. Und sie ist froh, dass ihre beiden Kinder während des Unterrichts von 10 bis 13 Uhr in den Spielzimmern nebenan betreut werden. Unterrichtet wird der Fortgeschrittenen-Kurs heute von Jutta Gurski. Die Teilnahme an den Kursen ist freiwillig. Die meisten Frauen kommen trotzdem regelmäßig, erzählt sie.
Hamburger Rentnerinnen
"Wir haben einige Frauen, die wirklich gar keine Schulbildung hatten. Aber trotzdem jetzt Deutsch lernen und ganz motiviert sind. Und das erstaunt und erfreut mich immer wieder." Früher war Jutta Gurski Sekretärin, ist nun pensioniert und arbeitet seit zweieinhalb Jahren hier einen Vormittag in der Woche ehrenamtlich mit. Genau wie sechs andere ältere Frauen, die sich im Projekt Mamalies engagieren. "Ich persönlich liebe jede einzelne Oma, die bei Mamalies arbeitet, weil abgesehen von der Ruhe, der Erfahrung, sind diese Frauen 100 Prozent zuverlässig", sagt Leyla Oehlrich.
Ältere Frauen als Vorbilder
Sie ist die Gründerin von Mamalies. Die Erziehungs- und Islamwissenschaftlerin setzt bei der ehrenamtlichen Mitarbeit für ihr Projekt ganz bewusst auf ältere Frauen, denn sie werden von den jungen Migrantinnen als Vorbilder ernst genommen. "Wenn da eine blonde Oma sitzt, die wird umgarnt, deren Meinung interessiert die Frauen auch. Wenn die geflüchteten Frauen die Oma fragen, was sie denn ihrem Mann zum Abendessen kochen will, und die Oma dann sagt: Ich koche gar nichts, der muss sich selber was machen. Das kommt natürlich bei den geflüchteten Frauen ganz anders an, als wenn eine junge Frau das sagt."
Hilfe beim Ankommen in neuer Gesellschaft
Wie geht das Leben in Deutschland? Welche Regeln gibt es? Die Mütter aus der Geflüchteten-Unterkunft wollen alles richtig machen, aber sie wissen nicht wie, sagt Leyla Oehlrich. "Wir haben aufgrund dieser Erkenntnisse ein sogenanntes Gesellschafts-ABC entwickelt, wo wir versuchen den Frauen den Einstieg in unsere Gesellschaft real zu erklären. Also, was sind das für Mülltonnen in diesen unterschiedlichen Farben? Was kommt da rein? Das ist so das Knowhow, was für uns Hamburger selbstverständlich ist, aber für eine Frau, die nicht lesen kann, was auf der Mülltonne steht, viel Angst und Verunsicherung schürt."
Die großzügigen Räume für das Projekt in der Hafencity stellt die Firma Gebrüder Heinemann zur Verfügung. Kostenlos. Gefördert wird das Projekt vom Bezirk Mitte, der Caritas und der Sozialbehörde.
Auch Rentnerinnen kommen in Kontakt
Im Raum nebenan unterrichtet Silvia Essel den Alphabetisierungskurs. Die 58-Jährige ist frühpensioniert. Ihre Lieblingsschülerin ist Sandra, die jeden Tag aufs Neue kommt und versucht, die deutschen Buchstaben zu lernen. Das erste ihrer fünf Kinder hat die Irakerin schon mit 15 Jahren bekommen. Jetzt sind sie alle groß und sie hat zum ersten Mal im Leben Ruhe und Zeit für sich. Und für neue Freundschaften.
Silvia Essel sagt, es sei wichtig, dass sie sich hier treffen. Dass ein Austausch da ist. Das ist gut für die Seele. Und auch für Silvia Essel ist die Arbeit bei Mamalies sehr erfüllend. "Die Frauen sind ja auch dankbar, dass man kommt und mit denen was macht. Ja sie sind wirklich dankbar." Eine Win-Win-Situation, die das Projekt erfolgreich macht.