Stand: 16.06.2015 20:23 Uhr

Krankenkassen sparen bei behinderten Kindern

von Klaus Balzer & Alexandra Ringling

Deike Holweg aus Schleswig-Holstein ist 13 Jahre alt und seit ihrer Geburt schwerstbehindert. Sie wird zu Hause gepflegt. Die kleinste Unachtsamkeit beim Absaugen der Atemwege oder bei einem epileptischen Anfall ist lebensgefährlich. Für die Eltern ein großer Kraftakt.

Umso wichtiger, dass sie von einer speziell ausgebildete Fachkraft unterstützt werden. Und das hat in den vergangenen Jahren auch funktioniert. Doch nun hat der private Pflegedienst der Familie zum 30. Juni gekündigt. Sie müssen rasch Ersatz bekommen und das gestaltet sich schwierig. Nachdem viele Pflegedienste absagten, hat sich nun einer bereit erklärt, die aufwendige Pflege von Deike zu übernehmen. Der kommt jedoch aus Niedersachsen. Das bedeutet Mehrkosten für Anfahrt und Übernachtung der Pflegekräfte.

VIDEO: Krankenkassen sparen bei behinderten Kindern (8 Min)

Langsame Krankenkassen - machtlose Eltern

Deike Holweg ist 13 und muss rund um die Uhr versorgt werden. © NDR
Deike Holweg muss permanet betreut und versorgt werden.

Doch bislang hat sich die zuständige Krankenkasse, die Barmer Ersatzkasse, nicht dazu geäußert, ob sie die zusätzlichen Kosten übernimmt. Man sei noch in der Verhandlung. "Ich fühle mich machtlos", sagt der Vater Tilman Holweg. Hintergrund: Die Kassen verhandeln bei der häuslichen Intensivpflege häufig jeweils individuell mit den Pflegediensten die Stundesätze der Krankenpfleger aus. Und einige Kassen wollen offenbar möglichst viel sparen.

Ein Problem, das viele Familien von behinderten Familien hätten, berichtet Anwalt Alexander Huhn. Er betreut Betroffene in ganz Deutschland und stellt bei vielen Kassen ein Muster fest - Verzögerungstaktik: "Krankenkassen haben nur dann Interesse an einem schnellen Abschluss, wenn ihre eigenen Beitragsvorstellungen durchgesetzt werden. Ansonsten folgt ein Termin, noch ein Termin und ansonsten erklären sie, die Verhandlung sei gescheitert, dann Schiedsverfahren. Die Krankenkassen haben kein Interesse an zügigen und effektiven Verhandlungen, die dann vielleicht sogar noch einen Preisvorteil für den Pflegedienst mit sich bringen."

Anpassung an die Kinder kostet Zeit

Sparen zu Lasten der Schwächsten - kranker Kinder? Verena Damitz-Röstel hat das erlebt. Ihr Sohn Jannes muss beatmet werden. Auch sie ist auf eine gut ausgebildete Pflegekraft angewiesen. Auf jemanden, der ihr Kind gut kennt. Wechsel und Unsicherheiten kann sie da nicht gebrauchen. "Für mich ist wichtig, dass die Schwestern meinen Sohn wie ein Buch lesen können, was er hat und was er möchte. Das dauert eben auch lange, bis die Pfleger das können, mal eben schnell einarbeiten ist eben nicht."

Doch genau das musste sie erleben. Als ihre Krankenkasse, die AOK, den Stundensatz massiv nach unten drückte, hat ihr Pflegedienst gekündigt. Das war vor sechs Jahren. Verena Damitz-Röstel fand einen neuen Pflegedienst. Doch der steht nun auch wieder in Verhandlung mit der Kasse. Das Ende: noch völlig offen. "Das wäre das Schlimmste für mich, die Vorstellung, dass der Pflegedienst gehen müsste. Die kennen Jannes - und Jannes vertraut denen genauso, wie ich denen vertraue, und das würde nicht gehen."

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 16.06.2015 | 21:15 Uhr

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