Kommentar zu Milliarden-Programmen: "Die Zeit der Entscheidungen"
Union und SPD haben sich auf Milliarden-Investitionen in Infrastruktur und Aufrüstung geeinigt. Darf man seine politische Haltung zu grundlegenden Fragen wie Staatsschulden und Schuldenbremse nach einer Wahl aufgeben?
Ein Kommentar von Tom Heerdegen, Leiter der Nachrichtenredaktion von NDR Info
Na, da haben wir's doch wieder. Im Wahlkampf wird's versprochen und gleich danach gebrochen. Schuldenbremse? Was schert die Union ihr Geschwätz von gestern. Hau raus die Milliarden, heißt das neue Motto. Friedrich Merz, eben noch in der Rolle des Kanzlerkandidat-gewordenen Mahnmals hochsauerländischer Sparsamkeit, verkündet plötzlich - und ironischerweise zum Auftakt der Fastenzeit - ein gigantisches Investitionspaket. Klar, dass da auch die Sozis klatschen, hoch oben vom neuen Schuldenberg. So macht Sondieren Spaß - oder?
Nein, völliger Unfug. Union und SPD haben etwas getan, das ihnen viele - auch ich - nicht mehr wirklich zugetraut hatten: Sie haben in kürzester Zeit eine sehr große, richtungsweisende Entscheidung getroffen. Womöglich eine der wichtigsten in der Geschichte unseres Landes. Sie sind ebenso sachlich wie pragmatisch vorgegangen, haben Bedenken und auch Dogmen über Bord geworfen - weil sie ahnen, dass genau das zwingend nötig ist, damit wir die Chance auf eine gute Zukunft haben.
Unschöne neue Welt
Ich war mein Leben lang ein überzeugter Pazifist und habe das verinnerlicht, was als Werte der westlichen Welt stets fest für Demokratie und Freiheit stand. Daran hat sich nichts geändert - wohl aber die Welt um mich herum. Der Glaube an den Friedenskontinent Europa war schön, aber utopisch. Und die verbalen Sprengsätze, die Donald Trump in den vergangenen Wochen gezündet hat, haben das Fundament zerstört, auf dem in fast 80 Jahren ein gemeinsames Verständnis für Rechtmäßigkeit, Ethik und Moral aufgebaut wurde. Unschöne neue Welt.
Nicht selbstverständliche Konsequenz
Das Handeln der US-Regierung hat Deutschland, Europa und die Welt ins Wanken gebracht - binnen weniger Tage. Und wenn wir nicht umfallen wollen, müssen wir ähnlich schnell handeln. Das, so sieht es zumindest aus, haben Christ- und Sozialdemokraten erkannt. Und die Union ist in einer in der Politik nicht gerade selbstverständlichen Konsequenz bereit, dafür auch ein Versprechen zurückzunehmen - ganz einfach, weil sich durch die Dynamik der Weltpolitik die Dinge nur wenige Wochen nach der Wahl grundlegend verändert haben.
Richtig ist es nach meiner Überzeugung auch, die riesigen Finanzpakete für Verteidigung und die ebenfalls so dringende Sanierung der Infrastruktur schnell und mit den Stimmen des noch bestehenden Bundestags umzusetzen. Die Investitionen dienen dem Schutz von Freiheit und Demokratie. Also sollten wir uns nicht scheuen, sie mit den Mitteln der Demokratie durchzusetzen - bevor deren Feinde die großen Probleme noch größer machen können.
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