Klusmann-Bericht: Russische Zahlungen an Seipel waren NDR nicht bekannt
Der NDR hat die Vorgänge um die Beauftragung und Umsetzung der Filme, die Hubert Seipel für den Sender realisiert hat, juristisch geprüft. Demnach waren die russischen Zahlungen an den Autoren im NDR nicht bekannt. Seipel wird ein Fehlverhalten attestiert, da er diese nicht offengelegt habe.
Die vom NDR beauftragte Prüfung zu den Fernseh-Dokumentationen und einem Fernsehinterview mit Russlands Präsident Wladimir Putin von Hubert Seipel ist abgeschlossen. Der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann hat am Donnerstag seinen Bericht im Rahmen einer Pressekonferenz in Hamburg vorgestellt. Im Kern geht es um die Dokumentation "Ich, Putin" von 2012 und um "Putin - Das Interview" von 2014. Der Bericht bestätigt ein Fehlverhalten des freien Autors. Hubert Seipel hätte gegenüber dem NDR Geldzahlungen eines russischen Oligarchen offenlegen müssen.
Die Vorwürfe gegen Seipel waren im November 2023 nach einer Recherche von "Spiegel" und dem ZDF-Magazin "Frontal" bekannt geworden. Erst auf mehrfache Nachfrage hin hatte Seipel dem NDR gegenüber die Zahlungen eingeräumt. Demnach erhielt der Autor laut eigener Aussage über zwei "Sponsoring-Verträge" 2013 und 2018 Geld vom russischen Unternehmer Alexey Mordashov. Er erklärte, es sei für zwei Buchprojekte gewesen.
Im NDR von Geldflüssen nichts bekannt
Mit Blick auf den NDR und die ARD gibt es laut dem Klusmann-Bericht keine Hinweise darauf, dass an der Produktion Beteiligte von den russischen Zahlungen gewusst oder sogar davon finanziell profitiert haben. "Das ist für unsere Glaubwürdigkeit und das Vertrauen bei unserem Publikum eine ganz wichtige Aussage", sagte NDR Intendant Joachim Knuth.
Der Vorwurf, Seipel habe das Porträt "Ich, Putin" vor Ausstrahlung vom Kreml "absegnen" lassen, bestätigte sich dem Bericht zufolge ebenfalls nicht. Auch der Verdacht, der NDR habe eine Warnung vor Seipel oder russischem Einfluss missachtet, erhärtete sich nicht. Denn eine konkrete und belastbare Warnung habe es nicht gegeben.
Seipel beteuert, Geld habe keinen Einfluss auf seine Filme gehabt
Bis heute beteuert Hubert Seipel, sein russischer Sponsor habe keinen Einfluss auf seine Buchprojekte oder die Filme ausgeübt. Wenn die Zahlungen und die geschäftliche Verbindung kein Problem gewesen wären, dann hätte Seipel sie ja transparent machen können, sagte Klussmann im Anschluss an die Pressekonferenz. "Er hat es aber nicht transparent gemacht", sondern die Zahlungen über Briefkastenfirmen von Mordashov veschleiern lassen. "Das ist so ein bisschen unlogisch." Wenn man Seipel die Frage stelle, warum er das gemacht habe, bekomme man keine Antwort.
Gleichwohl kommt Klusmann zu dem Schluss, dass Seipel schon vor den Geldzahlungen Mordashovs eine Nähe zu Russlands Machthaber Putin habe erkennen lassen. "Es sieht ganz so aus, dass Seipel Überzeugungstäter war", sagte Klusmann.
Autor laut Bericht "zugänglich für Bestechung durch Nähe"
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass der Autor "zugänglich für Bestechung durch Nähe" gewesen sei. Durch den exklusiven Zugang zu Putin habe Seipel die nötige Distanz verloren.
Um die Filme von Seipel in der Zeit ihrer Entstehung einzuordnen, führte die Russland-Kennerin Gesine Dornblüth eine Untersuchung der Filme durch. Dornblüth arbeitete von 2012 bis 2017 als Korrespondentin für Deutschlandradio. Ihr Fazit: "Diese Arbeiten sind aus meiner Sicht höchst problematisch, weil sie Narrative des Kreml transportieren und nicht hinterfragen. Damit trägt Hubert Seipel zur Störung des Diskurses bei und auch zu Desinformation."
Die Informationen für eine kritische Einordnung vor der Veröffentlichung des jeweiligen Films seien verfügbar gewesen, so Dornblüth. "Besonders heikel wurden diese Filme dadurch, dass der Kreml sie ausführlich zur Selbstbespiegelung genutzt hat. Seipel hat sich missbrauchen oder einspannen lassen."
Knuth: Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz klarer austarieren
Wenngleich laut dem Bericht keinerlei Pflichtverletzungen bei Mitarbeitenden des NDR vorliegen, so kommen die Prüfer doch zu der Einschätzung, man habe Seipel über die Jahre zu sehr hofiert und zu wenig kritisch hinterfragt. Laut NDR Intendant Knuth liefert der Bericht wertvolle Anregungen. "Wir werden das Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz zu Protagonisten in großen Portraits klarer austarieren, genauso wie jenes zwischen Skepsis und Begeisterung - auch und gerade bei besonders starken Stoffen."
Bericht prüft Filme von 2009 bis 2017
Der Klusmann-Bericht zeichnet nach, woran Seipel in den Jahren von 2009 bis 2017 gearbeitet hat und unter welchen Bedingungen Dokumentationen und ein Interview über Russland zustande gekommen sind. Die juristische Dimension der Causa Seipel beleuchtete der auch für Compliance-Fragen zuständige Juristische Direktor des NDR, Michael Kühn. Klusmann und Kühn sichteten für den Bericht zahlreiche Unterlagen, ordneten die Filme Seipels journalistisch ein und nahmen mit rund 40 Personen Kontakt auf. Darunter war auch Hubert Seipel selbst, der Fragen schriftlich beantwortete. Seipel meldete sich auf aktuelle Anfragen des NDR zu den Vorwürfen im Klusmann-Bericht nicht zurück.