Jörg Meuthen bei einer Abstimmung im Plenarsaal des Europäischen Parlaments. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Dwi Anoraganingrum/Geisler-Fotop
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AUDIO: Jörg Meuthen zu Krah: "Mir war klar, das endet in einem Desaster" (8 Min)

Meuthen zu Krah: "Mir war klar: Das endet in einem Desaster"

Stand: 23.05.2024 17:13 Uhr

Gut zwei Wochen vor der Europawahl steckt die AfD wegen ihres Spitzenkandidaten Maximilian Krah in schweren Turbulenzen. Der ehemalige AfD-Co-Chef Jörg Meuthen meint, dieses "Desaster" war vorhersehbar.

Rechte Parteien wie der französische Rassemblement National der Fraktion "Identität und Demokratie" (ID) im Europaparlament erklärten, sie wollten künftig nicht mehr mit der AfD zusammenarbeiten. Mittlerweile wurde der Ausschluss aller Abgeordneten der AfD aus der ID beantragt. Der Auslöser: Spitzenkandidat Maximilian Krah hatte sich in der italienischen Zeitung "La Repubblica" verharmlosend über die SS geäußert. Die AfD-Parteispitze erteilte Krah nun ein Auftrittsverbot. Zudem trat er aus dem Bundesvorstand zurück.

Der Europa-Abgeordnete Jörg Meuthen leitete die AfD von 2015 bis 2022 als Co-Vorsitzender. Er trat anschließend aus der Partei aus und verließ auch die rechte Fraktion "Identität und Demokratie" im Europaparlament. Sein Mandat als Abgeordneter läuft nun aus.

Herr Meuthen, der Bruch mit dem Rassemblement National um Marine Le Pen: Musste das so kommen aus Ihrer Sicht?

Jörg Meuthen: Das war nahezu eine Zwangsläufigkeit. Die Probleme sind zum einen in der Person Krah angelegt: Er hatte schon 2019 mit einem französischen Mitarbeiter jemanden übernommen, den Frau Le Pen unter gar keinen Umständen in der ID-Fraktion haben wollte. Da hat er aber auf seine Unabhängigkeit als Abgeordneter gepocht. Der Mann hatte stark antisemitische Züge, und das wollte Frau Le Pen aus sehr guten Gründen nicht haben. Ich habe auch interveniert. Herr Krah hat sich da gar nicht beirren lassen.

Herr Krah hat immer gemacht, was er wollte, und sich gegen alle anderen gestellt; in der Delegation wie in der Fraktion. Der Mann war nicht zufällig zweimal suspendiert aus der Fraktion. Ich konnte es fast nicht glauben, als die AfD auf ihrer Delegiertenversammlung Max Krah zu ihrem Spitzenkandidaten wählte. Weil mir war klar: Das endet in einem Desaster. Und so ist es auch gekommen.

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Es gab es ja diese Warnung, Maximilian Krah eben nicht zum Spitzenkandidaten zu machen. Und dennoch hat die Parteiführung ihn dazu gemacht. Warum - und warum hat sie seinem Treiben dann auch so lange zugeschaut?

Maximilian Krah (AfD), Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, steht beim Landesparteitag der AfD Niedersachsen auf der Bühne und hält eine Rede. © dpa Foto: Georg Wendt
Maximilian Krah bleibt Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl.

Meuthen: Das ist Führungslosigkeit. Maximilian Krah, das ist keine One-Man-Freakshow. Der ist auf dem Nominierungsparteitag von zwei Dritteln der Delegierten gewählt worden. Das sind Hunderte Mitglieder, die ihn gewählt haben. Das ist einfach die heutige AfD. Das sind keine Einzelfälle. Das hat auch viel damit zu tun, warum ich heute längst nicht mehr in dieser Partei bin, weil ich diese Entwicklung gesehen habe und nicht vermocht habe, sie selber mehr zu stoppen. Da stehen viele Menschen hinter Maximilian Krah - übrigens durchaus auch jetzt. Wenn sie in die sozialen Netzwerke reinschauen, dann findet er da viel Unterstützung für die abstrusen Dinge, die der tut und sagt. Und zwar aus der Partei heraus. Und Frau Weidel und Herr Chrupalla sind leider nicht imstande, das irgendwie einzudämmen und erweisen sich als zu jeglicher Führung unfähig. Das sagt Frau Le Pen, und wie immer man zu Frau Le Pen steht, in dem Punkt hat sie vollkommen Recht.

Sie haben im Europaparlament ja auch lange mit Maximilian Krah zusammengearbeitet. Sie haben ihn ja auch einfach weitermachen lassen.

Meuthen: Das ist so nicht richtig, sondern wir haben ihn innerhalb der Delegation immer wieder zur Rede gestellt für sonderbares Abstimmungsverhalten.

Aber passiert ist doch dann auch nichts.

Meuthen: Das ist richtig, weil wir keine rechtliche Handhabe hatten. Wenn ein Abgeordneter sich einen Mitarbeiter einstellt als persönlichen Mitarbeiter, dann kann niemand etwas dagegen tun. Herr Krah hat immer wieder auf die Unabhängigkeit seines Mandats gepocht. Das ist rechtlich unanfechtbar. Da konnte man nichts machen.

Auch im Abstimmungsverhalten, etwa zu den uigurischen Straflagern: Natürlich haben wir Herrn Krah zur Rede gestellt. Natürlich haben wir ihm sehr klar signalisiert - übrigens nicht nur ich, sondern die gesamte Delegation damals - dass wir damit in keiner Weise einverstanden sind und haben ihn gemahnt, dass diese Zusammenarbeit so nicht funktioniert. Aber er hat sich davon überhaupt nicht irritieren lassen.

Er ist und bleibt jetzt trotzdem Spitzenkandidat der AfD bei der anstehenden Europawahl.

Meuthen: Das ist so. Das ist rein rechtlich überhaupt nicht mehr zu ändern. Und glaube in der AfD hat man mittlerweile jedenfalls in der Führung begriffen, was für einen Fehler man da gemacht hat. Man hat halt nicht eingegriffen, und es ist völlig unübersehbar, dass Krah auf dem Delegiertenparteitag bei der Wahl zum Spitzenkandidaten die Rückendeckung insbesondere von Tino Chrupalla, aber auch von Alice Weidel hatte. Die stehen jetzt natürlich vor einem Scherbenhaufen, der beispiellos ist. Einen Spitzenkandidaten, den sie vor der Öffentlichkeit verstecken müssen: Ich glaube, so etwas hat es überhaupt noch nie gegeben.

Marine Le Pen hat jetzt die Zusammenarbeit mit der AfD aufgekündigt. Und auch andere Rechtsparteien aus der Identitären Fraktion im EU-Parlament wollen ja offenbar mit der AfD brechen. Ist die AfD zu extrem, ist sie zu rechts für die rechten Parteien? Sie haben ja gesagt, Sie konnten das auch nicht stoppen.

Meuthen: Ja, genau das ist der Sachverhalt. Während die anderen Parteien, exemplarisch der Rassemblement National, aber auch die Fratelli unter Meloni, die Lega unter Salvini, auch die FPÖ, das geht hin bis nach Ungarn oder nehmen Sie die PVV von Geert Wilders in den Niederlanden: Die sind alle mittig gerückt und haben versucht, einen bürgerlicheren Kurs zu fahren. Sie werden wahrscheinlich auch sehr erstarkt aus den Europawahlen hervorgehen; die meisten dieser Parteien. Bei der AfD ist der gegenteilige Kurs gefahren worden. Es ist nie zu einer glaubhaften Abgrenzung zu rechtsextremen Positionen gekommen. Ganz im Gegenteil: Wer das versuchte, so wie ich das getan habe, der wurde da sukzessive kaltgestellt. Und das hat zu einer völligen Isolation geführt. Die AfD ist jetzt völlig außen vor, die haben keine Partner innerhalb der europäischen Parteien auf der rechtskonservativen Seite, weil sich alle von ihnen abgewandt haben. Es ist ja nicht nur der Rassemblement. Die Lega hat das auch getan. Meloni hat es schon vor Längerem getan. Sie werden zu keinen Konferenzen eingeladen. Orbán hat klar gesagt: Alle, aber nicht die AfD. Sie stehen isoliert da, völlig isoliert. Und so werden sie auch eine völlig einflusslose Delegation im neuen Europäischen Parlament sein, mit Gewissheit.

Warum konnten Sie diesen extremen Rechtsaußen-Kurs nicht aufhalten?

Meuthen: Oh, so viel Zeit hat dieses Interview nicht, um Ihnen das zu erklären. Um es aber so kurz wie möglich zu machen: Die rechtsextremen Kräfte in dieser Partei haben die Partei sukzessive durchsetzt - in den Kreisverbänden, in den Landesverbänden - indem sie entsprechenden Leute eingebracht haben. Was man nicht stoppen konnte. Und sie haben sich dann Schritt für Schritt kleine Mehrheiten erarbeitet, was dazu führte, dass dann letztlich die Partei gekippt ist. Also ich habe nun wirklich versucht dagegenzuhalten. Wen ich alles versucht habe, und zum Teil auch erfolgreich, aus der Partei zu entfernen: Andreas Kalbitz, Frau von Sayn-Wittgenstein. Ich habe es bei Herrn Helferich versucht. Da folgte mir die Partei überhaupt nicht. Nachdem der sich als das "freundliche Gesicht des Nationalsozialismus" bezeichnet hatte und anschließend sagte, das sei Satire. Da folgte mir die Partei nicht mehr, und da habe ich dann gemerkt: Hier habe ich nicht eine Schlacht verloren, sondern einen Krieg verloren. Und das kann ich nicht mehr mit mir vereinbaren. Dann bin ich 2022 gegangen.

Das Interview führte Liane Koßmann.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Interview | 23.05.2024 | 07:05 Uhr

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