Hamburger kritisiert Flüchtlings-Unterbringung auf Wohnschiff
Zu Wochenbeginn haben die ersten Asylbewerber in England ihre Unterkünfte an Bord des Wohnschiffs "Bibby Stockholm" bezogen. In den 1990er-Jahren wurden auch in Hamburg auf der "Bibby Stockholm" vorübergehend Asylbewerber untergebracht. Das war keine gute Idee, wie der damalige Unterkunftsleiter im Gespräch mit NDR Info sagte.
Handyaufnahmen, die der BBC zugespielt wurden, zeigen, wie es heute auf und in dem rechteckigen Wohnschiff aussieht: In langen Gängen reiht sich Kabine an Kabine, die kleinen Räume wirken beengt, sie sind zugestellt mit Schreibtisch und Stockbett. Er fühle sich wie in einem Gefängnis, habe noch nicht einmal die Möglichkeit, Kleidung in einem Schrank zu verstauen, berichtet ein Bewohner, dessen Stimme zum Schutz seiner Identität nachgesprochen wurde.
Eigentlich ist das Schiff nur für 220 Personen ausgelegt, die britische Regierung will zur Abschreckung dort aber bis zu 500 männliche Asylsuchende unterbringen. Das wird von Menschenrechtsaktivisten kritisiert.
Beengte Verhältnisse auch in Hamburg
Als zu Beginn der 1990er-Jahre viele Flüchtlinge wegen der Balkan-Krise und der Jugoslawien-Kriege nach Hamburg kamen, waren die Notunterkünfte und Hotels in der Hansestadt schnell voll belegt. Vier Wohnschiffe an der Elbe in Hamburg-Neumühlen - darunter die "Bibby Stockholm" - sorgten erstmal für eine Entspannung der Situation, wie auch der NDR damals ausführlich berichtete.
Alle Flüchtlinge, die in dieser Zeit nach Hamburg kamen, wurden zunächst auf den Schiffen untergebracht. Betreut wurden sie von Dieter Norton. Beim Blättern in einem gelben Aktenordner mit vielen Zeitungsberichten und Fotos erinnert sich der damalige Unterkunftsleiter an die beengten Verhältnisse auf den Schiffen, die gerade in der Anfangszeit des Projekts herrschten: "Auf der 'Bibby Endeavour' hatten wir acht Quadratmeter große Kabinen mit vier Betten, das waren also pro Person zwei Quadratmeter."
Norton: "Auf keinen Fall Wohnschiffe"
Auf der "Bibby Stockholm" habe es dann schon etwas besser ausgesehen, berichtet Norton. Dort mussten sich seinen Aussagen zufolge zwei Personen einen etwa zwölf Quadratmeter großen Raum teilen - das ergab eine Maximalbelegung von etwa 320 Menschen.
Dass jetzt in Großbritannien bis zu 500 Männer auf dem Wohnschiff untergebracht werden sollen, hält Norton nach mehr als drei Jahrzehnten Flüchtlingsarbeit für unverantwortlich: "Man muss wirklich sagen: Auf keinen Fall Wohnschiffe! Das eskaliert dann, die Gewaltbereitschaft ist höher. Und dann heißt es: Guck mal, das habe ich doch von Anfang an gesagt. Gehe ich aber auf diese Menschen ganz anders zu, erfahre ich auch ganz andere Geschichten."
Schwieriges Zusammenleben verschiedener Nationalitäten
Auch an Bord der auf der Elbe schwimmenden Wohnschiffe gab es immer wieder Spannungen und Probleme. Norton berichtet von Tötungsdelikten, Drogenverkauf, Prostitution und Diebstahl. Zu Spitzenzeiten lebten mehr als 2.000 Menschen auf den vier Schiffen im Hamburger Hafen.
Gerade das Zusammenleben von Menschen aus mehr als 40 Nationen auf engem Raum bewertet er im Rückblick als schwierig: "Wir hatten Gemeinschaftsküchen auf den Wohnschiffen. Da gab es in den ethnischen Gruppen große Probleme. Da wollten die einen dann nicht da kochen, wo Schweinefleisch gekocht wurde. Das haben die abgelehnt. Dann gab's richtige Auseinandersetzungen. Oder sie haben sich offenes Feuer in der Kabine gemacht, um sich ihr Essen selbst zuzubereiten."
"Acht Personen in einem Raum - so wie im Knast"
1999 kam die damals zehn Jahre alte Arijan Haidari aus Afghanistan für fünf Monate auf einem der Schiffe in Hamburg unter. Sie erinnerte sich noch Jahre später in einem Interview an die vielen Gerüche, die sie als unangenehm empfand, den Lärm aus den Nachbarkabinen und die mangelnde Privatsphäre: "Wir hatten die Betten nicht direkt an der Wand, sondern nach vorne gerückt, damit wir keinen Kontakt mit den Wänden hatten, die waren so schmutzig. Die Böden waren so schmutzig. Es war total schlimm, acht Personen in ein Zimmer reinzustecken - so wie im Knast."
Im Jahr 2006 wurde das letzte Wohnschiff in Hamburg geräumt. Der ehemalige Unterkunftsleiter Dieter Norton hofft, dass diese Idee nicht wieder auf den Tisch kommt: "An einer Ölbohrplattform zum Beispiel kann ich mir Wohnschiffe vorstellen. Wenn man das räumlich ein bisschen umgestaltet, dann geht das schon. Aber für Flüchtlinge würde ich das ablehnen."