Göpel: Qualitätsjournalismus liefert Grundlage für Demokratie
Pressefreiheit ist für Qualitätsjournalismus eine unabdingbare Voraussetzung. Wie kann man Qualitätsjournalismus stärken? Gerade in einer Zeit, in der die Medien zunehmend unter Druck und Anfeindungen stehen.
Im Rahmen der Hamburger Woche der Pressefreiheit ging es um Qualitätsjournalismus und was für seinen Erhalt getan werden kann. Über das Thema sprach Ulrike Heckmann auf NDR Info mit der Politökonomin und Transformationsforscherin Maja Göpel.
Frau Göpel, was macht Qualitätsjournalismus aus?
Maja Göpel: Es geht darum, möglichst unabhängig, die Entscheidungen im politischen Raum und die Geschehnisse in der Gesellschaft einzuordnen, sodass Wissensvermittlung auf hoher Qualität entstehen kann. Aber damit auch die Grundlage für Meinungsbildung und Willensbildung in der Bevölkerung und damit bei den Bürgerinnen und Bürgern überhaupt geschützt stattfinden kann. Und deshalb ist das Thema Qualität da so wichtig.
Was läuft denn falsch aus Ihrer Sicht? Warum hat auch Journalismus, der wie hier bei NDR Info zum Beispiel genau diese Ansprüche an Qualität an sich selbst stellt, auch mit Vertrauensverlust zu kämpfen?
Göpel: Zum einen merken wir durch die Komplexität der Veränderungen und die vielen unterschiedlichen Krisen auf einmal eine gewisse Überforderung. Gerade in unserer Gesellschaft hatten wir sehr stabile Jahrzehnte. Jetzt wackelt es an vielen Ecken gleichzeitig.
Die Tendenz geht eher Richtung negativer Berichterstattung, Skandale, Personifizierung - vor allem durch Social Media. Das ist schwierig, weil ich damit natürlich immer in die Überforderung geschubst werde. Deshalb ist die Orientierung am konstruktiven Journalismus so wichtig: immer auch Lösungen und Handlungsmöglichkeiten mit verbreiten.
Aber es gibt auch eine Offensive, die genau das Vertrauen in die Institution Presse unterminieren soll. Diese Attacken durch Fehldarstellungen, durch Hacken wie die Doppelgängerkampagne - das ist eine sehr bewusste Einflussnahme und eine Strategie, die wir auch thematisieren müssen.
Wie gehen denn Medien, die Qualitätsjournalismus für sich in Anspruch nehmen, am besten damit um?
Göpel: Auf der einen Seite nicht aufhören und bloß nicht auch in die populistische Ecke rutschen. Das sehen wir ja schon parteipolitisch, dass das nicht funktioniert hat. Also eine AfD zu halbieren, hat nicht funktioniert, indem man selber so spricht wie sie.
Wie schaffen wir es, Räume in der Gesellschaft wieder zu öffnen, wo Menschen sich persönlich begegnen? Es gibt da tolle Initiativen: Beispielsweise hat Deutschlandradio mal die "Gläserne Redaktion" gemacht, wo Menschen sich zuschalten können und auch Fragen stellen können, was in der Sendung gesprochen wurde oder wie eine Sendung kuratiert wird. Oder jetzt war ja auch das Festival zu konstruktivem Journalismus - vom NDR mit unterstützt. Sendungen entstehen in der Gesellschaft, auf dem Marktplatz und so weiter. Wie kann die Art, Berichterstattung qualitativ hochwertig zu machen, so auch in die Gesellschaft mal reingetragen werden, dass die Unterschiede klar werden? Dass ich erfahren kann, was gute journalistische Berichterstattung und Meinungsvielfalt ausmachen.
Angesprochen haben Sie gerade die Produktion unserer neuen Podcast-Folge "Mission Klima" in Bonn. Da waren Sie ja auch dabei. Sie sagen, wir leben auch in einer sich rasant verändernden Welt und Medien müssen da einerseits Schritt halten können, sich aber auch andererseits verändern. Worauf kommt es denn da vor allem an?
Göpel: Wir müssen versuchen, dieser "Sofortitis" etwas entgegenzusetzen, was natürlich sehr schwer ist. Gerade im Social-Media-Raum geht es ja darum: Wer hat als erstes die Information hochgestellt? Und wer hat die skandalösesten Bilder.
Deshalb: Das Tempo ein Stück weit rausnehmen, vor allem anbieten, dass Kontext geliefert wird, dass ich jeden Einzelfall einbette. Worum geht es, wie sind wir hier gelandet? Sei es, wenn politische Initiativen diskutiert werden oder wenn einzelne Aktivitäten in Konflikten eingeordnet werden, dass man immer ein bisschen schaut: Was ist Reaktion? Was ist Aktion? Wie ist das historisch eingebettet? Denn die meisten Dinge haben sich ja aufgebaut und das geht aber in dieser Skandal-orientierten Berichterstattung manchmal verloren.
Und: Wir haben eine sehr starke Orientierung darauf, immer nur die Kosten oder die Einschnitte der Veränderung mitzudenken, aber nicht was passiert, wenn wir nichts verändern. Das kenne ich aus der Klimaberichterstattung gut. Aber ein Festhalten, an dem was wir heute haben, hat ja auch Konsequenzen. Und das mit zu thematisieren: die Kosten oder die Veränderungen durch Nichthandeln. Und der dritte Punkt im Thema konstruktiver Journalismus: immer wieder die Geschichten des Gelingens hochhalten. Dann sind wir nämlich weniger ohnmächtig und lassen uns eher wieder inspirieren, selbst zu gucken, was geht und aktiv zu werden.