Ein Haufen gefüllter gelber Säcke © dpa Foto: Patrick Pleul
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AUDIO: Plastik-Recycling - mehr rausholen aus dem Gelben Sack (36 Min)

Gelber Sack: Viel mehr Plastik könnte recycelt werden

Stand: 21.04.2024 06:50 Uhr

Die Plastik-Industrie ist weltweit für rund fünf Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Die Branche ist somit ungefähr so klimaschädlich wie die Luftfahrt. Also ist Plastik-Recycling eine gute Idee. Aber aus dem Gelben Sack werden nur etwa 20 Prozent des Mülls wiederverwertet. Ein Unternehmer setzt sich für ein Umdenken ein.

von Verena von Ondarza, Susanne Tappe und Marc-Oliver Rehrmann

Was passiert mit dem Joghurtbecher und dem Tetrapack, die im Gelben Sack landen? Aus Sicht der Umwelt lässt sich sagen: viel zu wenig. Rund 80 Prozent des Plastikmülls wird aussortiert und verheizt - in der Müllverbrennung oder als Heizstoff in der Industrie. Einer, der das ändern will, ist Reinhard Schneider. Er ist Chef der Marke Frosch, die für ihre Putz-und Waschmittel bekannt ist. "Das Problem mit dem Plastik hängt nicht an dem Stoff an sich, sondern am verkehrten Umgang damit", sagt Schneider im NDR Info Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise". "Eigentlich wäre Plastik ein perfektes Kreislauf-Material, weil es mit sehr geringer Energie-Menge in eine neue Form gebracht werden kann. Der Schmelzpunkt liegt bei Plastik nur bei circa 200 Grad. Für Glas oder Blech braucht man mehr als tausend Grad."

Möglichst viele Verpackungen aus Altplastik

Reinhard Schneider steht gemeinsam mit drei weiteren Personen an einer Produktionsstraße für Frosch-Produkte. © dpa-Bildfunk/Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)/P!elmedia Foto: Herbert Piel
Reinhard Schneider (rechts) schaut bei den Verpackungen für die Marke Frosch genau hin.

Die Marke Frosch gehört zum Unternehmen Werner & Mertz - wie auch die Marken Emsal für Bodenreiniger und Erdal für Schuhpflege-Produkte. Reinhard Schneider führt die Firma seit knapp 25 Jahren. Fast genauso lange treibt ihn die Frage um, wie Verpackungen umweltfreundlicher hergestellt werden können. Denn die Verpackungen haben bei den Produkten von Werner & Mertz mit Abstand den größten CO2-Fußabdruck. Schneider hat schon viel bewirkt: Die PET-Flaschen der Marke Frosch werden mittlerweile zu 75 Prozent mit Material aus dem Gelben Sack hergestellt. Die übrigen 25 Prozent stammen von gebrauchten PET-Flaschen aus dem Getränke-Pfandsystem.

Noch besser wären 100 Prozent Altplastik aus dem Gelben Sack - im Sinne der Umwelt. Denn nimmt man PET-Getränke-Flaschen aus dem Pfand-Kreislauf heraus, müssen dafür neue PET-Flaschen hergestellt werden.

Mit Recycling lässt sich viel CO2 einsparen

Aber auch der 75-Prozent-Anteil aus dem Gelben Sack wirkt sich schon deutlich auf die Klimabilanz von Werner & Mertz aus. Aktuell spart das Unternehmen mit dem Plastik-Recycling pro Jahr Zehntausende Tonnen an CO2-Emissionen ein - im Vergleich zu einer Produktion mit neuem Plastik. Denn bei der Produktion von einer Tonne Plastik entstehen rund zwei Tonnen klimaschädliches CO2. Und wenn der Plastikmüll am Ende verbrannt wird, wird weiteres Kohlendioxid freigesetzt: Pro Tonne Plastik kommen dann nochmal rund drei Tonnen des Treibhausgases hinzu.

"Anfangs sagten alle: Das geht doch gar nicht!"

Mit seinem Fokus auf Altplastik erntete Reinhard Schneider anfangs viel Kopfschütteln in der Branche. "Es gab eigentlich drei Hürden, die es zu überwinden gab", erzählt Schneider. "Das eine war, dass uns am Anfang alle gesagt haben: 'Mein Gott, das geht doch technologisch gar nicht.' Und es hieß: Das recycelte Plastik sehe dann schlecht aus und die Qualität sei nicht ausreichend. Wir haben dann schnell herausgefunden: Das stimmt alles nicht. Und dann hieß es noch: Okay, aber die Akzeptanz des Kunden sei nicht da. Und auch das haben wir widerlegen können."

Abwasser-Rohre statt neue Verpackungen

Ein generelles Problem beim Plastik-Recycling: Oft sind die Verpackungen so gestaltet, dass sie nicht recycelt werden können, weil verschiedene Kunststoffe miteinander vermischt sind. Zudem ist der Plastikmüll im Gelben Sack oder in der Gelben Tonne oft verunreinigt, weil dort Abfälle hineingeworfen werden, die da nicht hineingehören - wie zum Beispiel gebrauchte Windeln.

Das gesammelte Altplastik kann deshalb eigentlich nur downgecycelt werden. So schildert es Diana Viets vom Recycling-Unternehmen Veolia in Hamburg. "Das heißt: Wir können aus einem hochwertigen Material nur ein weniger hochwertiges Material machen." Mit dem Plastikmüll aus dem Gelben Sack werden zum Beispiel oft Abwasser-Rohre gemacht, aber keine neuen Verpackungen.

Und so verwenden die allermeisten Hersteller weiterhin neues Plastik für ihre Verpackungen. Zumal die Unternehmen eine transparente oder eine weiße Verpackung bevorzugen. Wenn beim Recycling verschiedenfarbige Plastik-Verpackungen eingeschmolzen werden, kommt ein trübes, graues Plastik heraus. Nichts, was die Herzen von Verpackungsdesignern höher schlagen lässt.

Ein Haufen gefüllter gelber Säcke © dpa Foto: Patrick Pleul
AUDIO: Plastik-Recycling: Mehr rausholen aus dem gelben Sack (4 Min)

Beim Recycling eigene Wege gehen

Wie schafft es Reinhard Schneider, Plastik aus dem Gelben Sack für sich zu nutzen? Wie kommt das Unternehmen an das transparente Ausgangsmaterial für die Verpackungen? Die Antwort lautet: nur mit viel Aufwand. Werner & Mertz arbeitet mit verschiedenen Recycling-Unternehmen zusammen. Dabei wird das Altplastik aus dem Gelben Sack nochmal aufwendig sortiert und gereinigt. Das Endprodukt ist dann qualitativ so gut, dass es für die Frosch-Verpackungen verwendet wird.

Trübe Verpackungen gelten als Kunden-Schreck

Bei einer Produktlinie gelingt es Werner & Mertz, die Verpackungen sogar zu 100 Prozent mit Plastik aus dem Gelben Sack herzustellen: bei den Emsal-Bodenreinigern. Das liegt daran, dass diese Flaschen aus Hart-Polyethylen sind. Dieses Material ist nicht transparent, sondern eher milchig. Das heißt: Eine gewisse "Vergrauung" oder "Verbeigung" des Plastiks beim Recyclings-Prozess fällt da nicht so auf.

Bei anderen Produkten zögert Reinhard Schneider noch, 100 Prozent wiederaufbereitetes Plastik aus dem Gelben Sack zu verwenden. Aus Sorge, die Kunden und Kundinnen würden im Drogerie-oder Supermarkt nicht zu den unansehnlichen Flaschen greifen. "Ich denke, dass viele Leute nicht ein Produkt kaufen möchten, das sauber macht, wenn allein die Anmutung der Verpackung schmutzig aussieht", sagt Schneider. " Man könnte natürlich auch sagen: je grauer, desto authentischer. Dann ist man relevant für ein Nischen-Publikum. Und es gibt auch solche Zielgruppen, aber nach unseren Erfahrungen sind das vielleicht fünf Prozent der Gesamtbevölkerung."

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Eine Frage der Kosten

Verpackungen mit recyceltem Plastik sind etwas teurer: Auf eine Flasche heruntergebrochen liegen die Material-Kosten aktuell 1,4 bis 1,6 Cent höher, als wenn eine Verpackung aus neuem Plastik produziert sind. Diese Mehrkosten seien auch ein Grund, warum nicht noch mehr Hersteller Plastik aus dem Gelben Sack verwenden, sagt Reinhard Schneider. Wiederverwertete Kunststoffe aus dem Gelben Sack seien eben teurer als neues Plastik. Das schmälert die Rendite. Die meisten Konkurrenten wie Unilever, Henkel oder auch Procter & Gamble sind börsennotierte Konzerne. Und die meisten Aktionäre an der Börse schauen nach wie vor vor allem auf die Gewinne und nicht darauf, welche Art der Produktion am besten für das Klima ist.

Dabei wäre die Lösung ganz einfach: Wenn mehr Unternehmen auf recyceltes Plastik umsteigen, sinken die Kosten - weil größere Maschinen zum Einsatz kämen, die mehr Material verarbeiten könnten. Aber das Thema Plastik-Recycling hat es weiterhin schwer in der Branche. Reinhard Schneider ist hingegen überzeugt, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hat. "Wir machen das eben anders", sagt der Unternehmer.

Expertin: "Das ist genau der richtige Ansatz!"

Anerkennung für dieses Vorgehen kommt von Kerstin Kuchta. Sie ist Professorin für Abfallwirtschaft an der Technischen Universität Hamburg. "Es ist brillant! Und es ist ein sehr langer Weg, den Frosch gegangen ist - gegen sehr viele Widerstände", sagt Kuchta. Das Unternehmen habe eine Vorreiter-Rolle eingenommen. "Und ich bedauere, dass nicht viel mehr Konzerne mitmachen und das nachmachen. Denn das ist genau der richtige Ansatz. Nach dem Motto: Ich übernehme die Verantwortung für meine Verpackung und nutze den Gelben Sack."

Die Expertin nennt auch konkrete Zahlen: Wenn es alle so machen würden wie Werner & Mertz, ließen sich 80 Prozent Neuplastik vermeiden. Das wäre ein enormer Fortschritt. Für 100 Prozent reiche es nicht, weil sich Plastik auf Dauer im Recyclings-Prozess abnutzt: Es wird dunkler, nimmt mitunter Gerüche an oder ist nicht mehr so formstabil. "Deswegen bräuchte man immer noch etwas neues Plastik als Ergänzung - auch für Spezialverpackungen wie etwa für Medikamente", sagt Kuchta. "Aber 80 Prozent weniger sind möglich. Das wäre ein enormer Fortschritt!"

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Mission Klima – Lösungen für die Krise | 05.04.2024 | 06:00 Uhr

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