Fragen und Antworten: Was hat es mit der DAVA auf sich?
Mitte Januar hat die DAVA bekannt gegeben, an der Europawahl am 9. Juni teilnehmen zu wollen. Die neue politische Gruppierung will nach eigenen Angaben auch bei der Bundestagswahl im Herbst 2025 antreten. Kritiker sehen in der DAVA einen Ableger der türkischen Regierungspartei AKP. Wofür steht die Neugründung? Was steht im Programm? Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wofür steht der Name?
DAVA steht als Kürzel für Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch. Im Türkischen bedeutet das Wort Dava "Sache", "Ereignis", "Mission" oder "Verfahren", im juristischen Kontext auch "Klage". Das Wort erinnert aber auch an den arabischen Begriff Dawa, der "Einladung" und im religiösen Zusammenhang "islamische Missionierung" bedeutet.
Wer sind die Gesichter an der Spitze?
DAVA-Vorsitzender ist Teyfik Özcan, der nach eigenen Angaben zuletzt rund 30 Jahre lang SPD-Mitglied war. Der 53-Jährige tritt bei der Europawahl aber nicht an. Zu den Europawahl-Kandidaten gehören mit Ali Ihsan Ünlü und Mustafa Yoldas zwei Männer aus Norddeutschland. Ünlü stand über mehrere Jahre dem niedersächsischen Landesverband der Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) vor. DITIB ist die größte Islam-Dachorganisation in Deutschland. Sie untersteht der Religionsbehörde Diyanet in Ankara, die Imame in rund 900 Moschee-Gemeinden hierzulande entsendet und bezahlt. Yoldas ist den Sicherheitsbehörden durch sein Engagement für die vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestufte Bewegung Millî Görüş bekannt. Außerdem stand der Arzt aus Hamburg dem Verein Internationale Humanitäre Hilfsorganisation vor, der 2010 vom Bundesinnenministerium verboten wurde. Der Vorwurf: finanzielle Unterstützung von der Hamas nahestehenden Organisationen. Yoldas sagt, der Verein hätte Geld für Waisenkinder im Gazastreifen gesammelt. Spitzenkandidat Fatih Zingal saß jahrelang im Vorstand der Union der Internationalen Demokraten (UID), dem Lobbyverband von Erdoğans AKP in Deutschland und Europa.
Wie sieht die Zielgruppe aus?
Die DAVA richtet sich in erster Linie an Türkeistämmige, also an die türkische Community in Deutschland. Die Vereinigung versteht sich aber auch als Fürsprecher für alle Muslime. So fordert die DAVA im Israel-Palästina-Konflikt eine Zwei-Staaten-Lösung. Gründungsmitglied Yoldas sagt: "Wir sind eine Bewegung, die vornehmlich von Muslimen getragen wird. Aber wir wissen, dass auch Nicht-Muslime Ausgrenzungserfahrungen gehabt haben." Die DAVA betrachtet sich als Partei der Mitte. "Wir haben mit Extremismus nichts am Hut", sagt Europawahl-Kandidat Yoldas. Bedingung sei, dass sich Mitglieder "vom Terror der PKK distanzieren".
Welche Erfolgschancen hat die DAVA bei der Europawahl?
Da es bei der Europawahl keine Fünf-Prozent-Sperrklausel gibt, halten es Experten durchaus für möglich, dass die DAVA ein oder zwei Mandate erlangen könnte. Die DAVA hofft nach eigenen Angaben auf drei Sitze. Bei der vorangegangenen Europawahl reichten bundesweit rund 190.000 Stimmen für einen Sitz im EU-Parlament. Dass die DAVA auf Bundesebene mal eine größere Rolle spielen könnte, damit rechnen Politik-Fachleute nicht.
Ist die Gruppierung ein verlängerter Arm Erdoğans?
Vorwürfe, die DAVA sei der verlängerte Arm der islamisch-konservativen türkischen Regierungspartei AKP von Präsident Erdoğan, weist der DAVA-Vorsitzende Özcan zurück: "Wir haben keine Kontakte zur Erdoğan-Regierung." Eine gewisse Nähe zur Türkei und zu Erdoğan wird hingegen nicht bestritten. Gründungsmitglied Yoldas sagt: "Wenn man von uns einfordert, dass wir uns gegen die Türkei oder gegen den Islam oder gegen Erdoğan wenden, werden wir das nicht tun." Die Politikwissenschaftlerin Dastan Jasim vom GIGA-Institut in Hamburg findet, dass die DAVA inhaltlich und personell der AKP sehr nahe stehe. Bislang ist unklar, wie sich die Finanzierung gestaltet. Nach eigenen Angaben setzt die DAVA auf Sponsoren und Mitglieder-Beiträge. Das gesamte Geld solle ausschließlich aus Deutschland kommen.
Was steht im Wahlprogramm?
Ein großes Thema ist naheliegend: die Integration von (türkischen) Migranten in die Gesellschaft. An Schulen wird Türkisch als zweite Fremdsprache gefordert. Die DAVA will sich zudem für den Schutz der Familie einsetzen - "durch eine Politik, die traditionelle Werte und Strukturen in den Vordergrund stellt". Zudem will die DAVA gegen Kinder- und Alters-Armut vorgehen. Als weitere Anliegen werden im 19-seitigen Programm unter anderem genannt: niedrige Energie-Preise, ein Mindestlohn von 14 Euro sowie eine "humanitäre und gerechte Asylpolitik".
Was hat es mit dem Kampf gegen Islamfeindlichkeit auf sich?
Ein zentrales Anliegen der DAVA ist nach eigenen Angaben die "Bekämpfung von Islamfeindlichkeit, welche wir als eine Form von anti-muslimischem Rassismus betrachten". Die DAVA will an Schulen und in der Öffentlichkeit Vorurteile abbauen und "das Verständnis dafür fördern, dass der Islam und Deutschland untrennbar miteinander verbunden sind". Gefordert wird, dass die "unsachgemäße Darstellung des Islam und der Muslime" in Schulbüchern korrigiert wird. Die DAVA verurteilt Antisemitismus: "Wir verpflichten uns zu einem Europa, in dem Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz haben."
Wie lauten die Positionen zu Abtreibung und LGBTQ?
Im Programm heißt es dazu: "Unsere Positionen zu Gender-Ideologie, Abtreibung und LGBTQ reflektieren unser Bestreben, eine ausgewogene Balance zwischen dem Schutz traditioneller Familienwerte und dem Respekt vor individuellen Freiheiten zu finden." Wie dieser Spagat zwischen Tradition und Freiheit bei der DAVA aussieht, lässt sich am Beispiel Abtreibung verdeutlichen. "DAVA vertritt eine pro-life-Position. Wir befürworten eine umfassende Aufklärung und Beratung für Schwangere, um Alternativen zur Abtreibung aufzuzeigen." Aber im Programm steht auch: "Wir befürworten die Entscheidungsmacht der Mutter über den weiteren Verlauf der Schwangerschaft."
Wird das Thema Klimaschutz aufgegriffen?
Ja, im Programm ist auch der Klimaschutz ein Thema. "Wir verpflichten uns zu einer vertretbaren und durchdachten Umweltpolitik, die den Schutz unseres Planeten als zentrale Aufgabe und Verantwortung aller Länder der Erde begreift." Ziel sei es, "eine nachhaltige Balance zwischen ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Entwicklung zu finden, die langfristig Wohlstand sichert". Die Förderung erneuerbarer Energie sei wichtig, "um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren". Die DAVA betont die Bedeutung von internationaler Zusammenarbeit in der Klimakrise.
An welchen Wahlen will die DAVA teilnehmen?
Die DAVA will zunächst bei der Europawahl am 9. Juni 2024 antreten. Damit die Gruppe zur Wahl zugelassen werden, müssen dem Bundeswahlleiter bis 18. März 4.000 Unterschriften vorgelegt werden. Noch ist die DAVA nur eine politische Vereinigung, längerfristig sei aber die Umwandlung in eine Partei geplant. Die DAVA hat sich vorgenommen, bei der nächsten Bundestagswahl teilzunehmen. Auch Landtags- und Kommunalwahlen habe man auf lange Sicht im Blick. Die DAVA setzt vor allem auf Zuspruch in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München und Köln.
Hofft die DAVA mit der doppelten Staatsbürgerschaft auf neue Wählergruppen?
Von der Neuregelung zur doppelten Staatsbürgerschaft verspricht sich die DAVA nach eigenen Angaben keinen großen Effekt. Europawahl-Kandidat Mustafa Yoldas sagt: "Wir hoffen natürlich, dass dadurch Stimmenzuwachs in unsere Richtung kommt. Aber es ist kein Automatismus, dass diejenigen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, automatisch die DAVA wählen. Die türkische Community, die muslimische Community, ist heterogen. Der prozentuale Anteil dürfte sich auf die etablierten Parteien verteilen wie bisher auch." Das sehen Politik-Experten ähnlich. Aktuell leben in der Bundesrepublik rund 1,5 Millionen Türken ohne deutschen Pass. Die Türkische Gemeinde in Deutschland rechnet damit, dass auf lange Sicht alle eine deutsche Staatsbürgerschaft beantragen werden. Für das Jahr 2024 wird die Zahl der Anträge auf 50.000 geschätzt.
Ist die DAVA die erste Partei, die sich an Menschen mit türkischen Wurzeln wendet?
Nein, es gab schon andere Parteien, die vor allem um Wähler ausländischer Herkunft geworben haben. Allerdings hatten diese Parteien allesamt keinen Erfolg. Dazu zählt etwa die Allianz Deutscher Demokraten (ADD), die 2017 bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 0,1 Prozent der Stimmen erhielt. Dabei hatte die ADD Wahlplakate mit Erdoğans Konterfei aufgehängt, zudem hatte der türkische Präsident öffentlich eine Wahlempfehlung für die ADD abgegeben. Zu nennen ist auch die BIG-Partei, der der politische Durchbruch bei Wahlen ebenfalls nicht gelang.
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