Flucht aus der Ukraine: Das erste Weihnachten in Deutschland
Das erste Weihnachten seit der Flucht nach Norddeutschland: Die Ukrainerinnen Olga und Katya freuen sich über neue Traditionen. Doch die Situation in der Heimat ist gerade jetzt schwer zu ertragen.
Der Hamburger Jörg und die beiden jungen ukrainischen Frauen Olga und Katya haben eher zufällig zueinander gefunden. Eigentlich wollte Jörg zu Beginn des Angriffkriegs auf die Ukraine nur für ein paar Wochen ein Zimmer zur Verfügung stellen. Der Kontakt war über Arbeitskollegen entstanden. Doch die angekündigte Familie kam nie - stattdessen standen eines Tages Olga und Katya vor seiner Tür.
Mit knapp 50 noch WG-tauglich
Aus einer Übergangslösung ist mittlerweile eine richtige WG geworden. Jörg ist selbst überrascht, wie gut das Zusammenleben klappt. Er sei erstaunt, dass er mit knapp 50 noch WG-tauglich sei, lacht der sympathische Eimsbüttler. In die Quere komme er sich mit seinen beiden Untermieterinnen nicht. Weder im Bad noch in der Küche gebe es Probleme, unter anderem wegen der unterschiedlichen Tagesabläufe, schildert Jörg. In der Zwischenzeit hat er auch ein zweites Zimmer in der Wohnung frei geräumt, damit beide Frauen ihren Rückzugsort haben.
Weihnachten wird gemeinsam gefeiert
Die Schicksalsgemeinschaft ist zu einer Freundschaft mit familiären Zügen gewachsen, sodass Jörgs Mutter Olga und Katya über die Weihnachtsfeiertage zum gemeinsamen Feiern eingeladen hat. In der Nähe von Itzehoe sollen die beiden Frauen dann ein "richtig deutsches Weihnachten" kennenlernen - mit Kaffee, Kuchen, Kirche und Raclette! Nicht die einzige Neuerung für die beiden Ukrainerinnen, die viele ungewohnte Traditionen in Deutschland entdeckt haben.
Begeisterung über Adventskranz und Adventskalender
Einen Adventskranz etwa, den hatten die beiden noch nie gesehen. Besonders begeistert sind sie auch von "dem Kalender, aus dem man jeden Tag ein Stück Schokolade herausnehmen darf", kichern sie bei einem Tee in der Küche. In der Ukraine sei vieles anders, so werden die Geschenke beispielsweise an Silvester überreicht und die Hauptfeierlichkeiten nach dem julianischen Kalender am 7. Januar ausgetragen. Eine Tradition besage, dass zwölf verschiedene Gerichte auf den Tisch kommen sollen. Das Wichtigste sei also, sich eine gute Strategie zu überlegen, um den Abend zu "überleben", erläutert Katya.
Traurige Situation in der Heimat
Doch bei den Gedanken an die Heimat schlägt die Stimmung schnell um. Es sei unfassbar schwer, die vielen fröhlichen und ausgelassenen Menschen auf den Weihnachtsmärkten zu sehen, und dabei an Freunde und Familie in der Heimat zu denken. Olga muss schlucken. Kiew in der Weihnachtszeit sei normalerweise ein Lichtermeer, mit einem großen Weihnachtsbaum. Dieses Weihnachten sei dagegen geprägt von Stromausfällen und großen Ängsten.
Unterschiedliche Pläne für die Zukunft
Auch wenn mittlerweile viele Hilfsorganisationen berichten, dass die Spenden- und Hilfsbereitschaft für die Ukraine im Vergleich zu den ersten Wochen nach Kriegsbeginn etwas abgenommen habe, können Olga und Katya weiterhin auf Unterstützung zählen. Die beiden tanzen Salsa und Bachata und haben über die Tanz-Community viele wichtige Kontakte geschlossen. Auch Mitbewohner Jörg unterstützt sie weiterhin bei allen bürokratischen Angelegenheiten. Während Olga sich vorstellen kann, in Deutschland IT zu studieren, hofft Katya auf ein schnelles Kriegsende und eine Rückkehr in die Heimat. Immerhin müssen sich die beiden jungen Frauen keine Sorge um ihre Wohnsituation machen. Sie dürfen bleiben, solange sie wollen. Sicherlich ein Glücksfall!