E-Autos von BYD: "Keine Bedrohung, aber ernstzunehmender Konkurrent"
Der chinesische Autobauer BYD will im großen Stil Elektro-Autos nach Deutschland und Europa exportieren. Was bedeutet diese Offensive für Norddeutschland?
An einem windigen Montagvormittag Ende Februar kommt der erste der imposanten BYD-Autotransporter in Bremerhaven an. Im Akkord werden die Elektroautos des chinesischen Autobauers aus dem 200 Meter langen Schiff gefahren. Die bunten Farben der Fahrzeuge spiegeln sich in großen Pfützen auf dem Asphalt. Es ist die erste Ankunft der "BYD Explorer No. 1" - eines von insgesamt acht Schiffen, die der chinesische Konzern für den Transport von China nach Europa gechartert hat. Rund 3.000 E-Autos sind bei dieser Jungfernfahrt an Bord, mehr als doppelt so viele hätten Platz gehabt.
Logistik-Unternehmen in Bremerhaven hofft auf weitere Kooperation mit BYD
Am Auto-Terminal der Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG-Logistics) wird die Ankunft des Schiffes mit einem Fototermin gewürdigt. Für BLG-Vorstand Matthias Magnor ein guter Tag: "Wir finden das natürlich super, Bremerhaven ist einer der größten Umschlags- und Drehpunkte für die Autoindustrie. Wir fertigen hier 1,7 Millionen Autos im Jahr ab - der Anlauf der "BYD Explorer No. 1" unterstreicht die Relevanz von Bremerhaven für die Automobilindustrie." Er hofft darauf, dass der chinesische Konzern auch in Zukunft Bremerhaven für seine Europa-Offensive nutzen wird.
BYD-Autos: Weltmarktführer aber in Deutschland eher unbekannt
BYD (die latinisierte Form des Firmennamens BǐYàDí) - hierzulande noch eher unbekannt - ist ein chinesischer Mischkonzern aus Shenzhen, der vor allem mit der Herstellung von Batterien und Akkus groß geworden ist. Doch auch als Hersteller von Elektro- und Hybridfahrzeugen hat BYD sich auf dem Weltmarkt etabliert, im vierten Quartal 2023 lieferte der chinesische Autohersteller mehr Elektroautos aus als Tesla. Dazu hatten allerdings auch massive Preissenkungen beigetragen.
In Deutschland verzeichnete BYD im vergangenen Jahr nur um die 4.000 Neuzulassungen, doch der Konzern hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt: Im Segment der reinen Elektroautos will er mittelfristig einen Anteil von 10 bis 15 Prozent erreichen. Passend zum Marketing-Slogan: Build Your Dreams.
Kleinteilige Absprachen verzögern Start der Deutschland-Offensive
Die frisch in Bremerhaven eingetroffenen Autos könnten nun in einem der Showrooms der Autohausgruppe Senger landen, einem von insgesamt sieben Händlern, die mit dem Verkauf und dem Service von BYD in Deutschland beauftragt sind. Die Partnerschaft wurde im Oktober 2022 besiegelt: Bis zum Sommer will Senger im Norden in Oldenburg und Lübeck zwei BYD-Filialen eröffnen, wie Geschäftsführer Andreas Knipp erzählt. Schon jetzt gibt es von anderen Anbietern Autohäuser in Schwerin, Hamburg und dem niedersächsischen Sittensen.
Dass man dabei etwas hinter dem eigenen ambitionierten Zeitplan hänge, liege vor allem an Abstimmungsfragen mit den Partnern in China, sagt Knipp: "Angefangen von der Fahrzeugzulassung über bestimmte Fahrzeugbriefe, die benötigt werden, ist alles anders als in China." So habe es ein Jahr gedauert, "die kleinteiligen Prozesse aufzudröseln", mittlerweile greifen die Zahnräder laut Knipp aber schneller und besser ineinander.
Senger erwartet signifikanten Marktanteil für BYD
Andreas Knipp beobachtet, dass vielerorts noch Überzeugungsarbeit am Kunden geleistet werden müsse - vor allem, weil die Marke hierzulande eher unbekannt sei. Das soll sich ändern - zum Beispiel auch durch das Sponsoring der Fußball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland. Damit tue der chinesische Konzern den hiesigen Händlern einen großen Gefallen, schmunzelt Knipp. Autohändler wie Senger kaufen die Fahrzeuge auf eigene Rechnung ein und setzen entsprechend große Stücke auf BYD: "Ich gehe ganz stark davon aus, dass BYD einen signifikanten Marktanteil im deutschen und europäischen Markt einnehmen wird", so der Geschäftsführer.
Interesse an chinesischen E-Autos wächst
Im Autohaus Nagel in Hannover zum Beispiel wächst das Interesse an chinesischen Autos wie der Marke MG. Die ursprünglich britische Marke ist 2005 nach China verkauft worden. Das Argument "Made in Germany" spiele für die Kunden kaum noch eine Rolle, glaubt Verkaufsleiter Yannic Neubert: "Der Markt ist komplett durchgemischt worden. Vielen Kunden ist es egal, ob es ein deutscher oder chinesischer Hersteller ist. Hauptsache, der Preis stimmt".
Auch die beiden Arbeitskollegen Nico Lorenz und Nico Eickhoff aus Nienburg haben sich gerade einen neuen MG als Dienstwagen ausgesucht. Der Preis von 42.000 Euro bei voller Ausstattung einhergehend mit sieben Jahren Garantie auf den Akku habe die beiden überzeugt: Ein Auto müsse vier Reifen haben und sie von A nach B bringen. Man müsse sich darin wohlfühlen, das sei wichtig, so die beiden Kollegen.
Volkswagen reagiert gelassen auf chinesische Offensive
Volkswagen reagiert auf Anfrage von NDR Info gelassen auf die BYD-Offensive. Man nehme die chinesischen Anbieter ernst und verfolge den wachsenden Wettbewerb aus China mit großen Interesse, heißt es. Im Januar 2024 sei man nach wie vor deutlicher Marktführer in China und werde sich anders als die lokalen Anbieter keine Marktanteile durch große Preisnachlässe erkaufen. Denn für die Volkswagen Group stehe die Wirtschaftlichkeit an oberster Stelle.
Dennoch wolle man sich für die Zukunft rüsten und insbesondere die Elektro-Offensive in China weiter beschleunigen, bis 2030 wolle man in China 30 vollelektrische Fahrzeuge anbieten.
China-Expertin Keim: Keine Bedrohung aber ernstzunehmender Wettbewerber
Von einem "Auto-Tsunami aus China", den Jörg Wuttke, ehemaliger Präsident der europäischen Handelskammer in China, angekündigt hatte, seien die chinesischen Hersteller auch noch weit entfernt. So lautet die Analyse von Beatrix Keim, China-Expertin am Duisburger Center Automotive Research (CAR). BYD hänge hinter den eigenen Erwartungen zurück - und auch hinter denen der Experten. Dennoch dürfe man den Autohersteller nicht unterschätzen: "Ich würde sagen, er ist keine Bedrohung, aber ein zusätzlicher Wettbewerber, der sehr, sehr ernst genommen werden muss." Da BYD kein reiner Automobilhersteller sei, selbst Batterien und Chips herstelle, verfüge der Mischkonzern über eine große Finanzkraft. Gleichzeitig habe er einen ganz anderen Vorsprung bei der Entwicklung von neuer Technologie, so Keim.
BYD: Kulturelle Differenzen unterschätzt
Die Expertin glaubt, dass BYD auch die kulturellen Differenzen unterschätzt haben könnte, nicht nur in Bezug auf Mitarbeiter und Behörden sondern auch in Bezug auf Regularien. Gleichzeitig werde in China sehr anders gearbeitet: Während Projekte dort gerne mit "China Speed" vorangetrieben würden und dafür auch häufiger mal wieder verworfen werden müssen, stehe in Deutschland die Verlässlichkeit von Entscheidungen im Fokus.
Außerdem müsse die Kommunikation mit den potenziellen Kunden völlig neu gedacht werden: "In China wird mit einer sehr bunten Bildsprache geworben - das haben deutsche Autobauer in der Vergangenheit auch sehr teuer lernen müssen, dass man nicht einfach die Konzepte aus dem Herkunftsland übertragen kann."
"Ohne deutsche Expertise wäre Entwicklung nicht möglich gewesen"
Der große Erfolg von BYD in China habe sie durchaus überrascht, sie hätte eher andere Marken favorisiert, so die Expertin. Gleichzeitig gebe es in China einen großen Nationalismus: "Buy Chinese" sei für viele Kaufentscheidungen ausschlaggebend - außerdem werde die Umstellung auf E-Autos bewusst von der chinesischen Regierung gefördert.
Trotz allem sei BYD kein rein chinesisches Phänomen, ohne die deutsche Zuliefererindustrie und deutsche Mitarbeiter bei den chinesischen Unternehmen wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen, so Keims Analyse. Chefdesigner bei BYD ist zum Beispiel der Deutsche Wolfgang Egger, der zuvor für die VW-Töchter Audi und Lamborghini verantwortlich war.