Die Kakerlake als Lebensretter? Neue Forschung macht's möglich
Es klingt wie Science-Fiction: Kakerlaken können von Menschen kontrolliert und gesteuert werden - durch Mikrochips auf dem Panzer. Dadurch könnten sie in Zukunft bei Katastrophen-Einsätzen zu Lebensrettern werden.
Professor Hirotaka Sato ist Forscher an der Technischen Universität Singapur. Mit seinem Team arbeitet er an völlig unterschiedlichen Dingen. Er stellt hochwertigen Schmuck aus dem 3D-Drucker her und er entwickelt sogenannte Cyborg-Insekten. Das heißt, eine Art Hybrid aus Insekt und Technologie. Sein Team installiert Chips auf Kakerlaken, sodass die Insekten auf Befehle von Menschen reagieren, erklärt Professor Sato: "Sehen Sie diesen grünen Rucksack? Er enthält einen Mikrocomputer zusammen mit einer Kamera und einigen Sensoren, die auf der Platine integriert sind." Zusätzlich brauche es ein drahtloses Kommunikationsmodul. "Hier ist die Elektrode installiert, sie stimuliert elektrisch. Wenn die rechte Seite stimuliert wird, fühlt das Insekt, dass etwas die rechte Seite berührt. Daraufhin flieht es nach links und umgekehrt", erklärt er weiter.
Wie ein ferngesteuertes Auto
In einem Video des "New Scientist" kann man sich genau ansehen, wie das funktioniert. Hier erklimmen ferngesteuerte Kakerlaken einen Berg und überwinden mühelos Hindernisse. Auch auf der Webseite der Forschungsgruppe, gibt es eine Demonstration: Auf einer Fernbedienung drückt ein Forscher den Befehl links - und das Insekt folgt. Beim Befehl Beschleunigung wird es tatsächlich schneller, wie ein ferngesteuertes Auto. Aber das Ganze ist keine Spielerei. Die Kakerlaken sollen Menschen in Erdbebengebieten aufspüren, die verschüttet sind, so Sato. Dabei startet das Cyborg-Insekt an einem Kontrollpunkt, und kann dann so gelenkt werden, wie man es braucht. Es weicht Hindernissen automatisch aus. Dann piept es plötzlich unüberhörbar. "Hören Sie das Geräusch?", fragt Sato "Es signalisiert, dass das Cyber-Insekt einen Menschen gefunden hat. Das Signal steht für Mensch oder ein anderes lebendes Objekt." Die Position meldet es an das Rettungsteam.
Insekten im Fokus der Forschung
Dass Insekten beeindruckende Fähigkeiten haben, hat die Wissenschaft schon lange erkannt. An einigen Standorten wird an Roboterinsekten geforscht. Das sind allerdings keine echten Insekten, sondern winzig kleine Computer, die sich in Verhalten und Aussehen an echten Insekten orientieren. An der Harvard-Universität in der Nähe von Boston etwa, setzt man auf sogenannte Robobees. Sie sollen den echten Bienen, die bedingt durch den Klimawandel immer weniger werden, in Zukunft das Bestäuben abnehmen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Bisher können die Robobees gerade mal schweben. Sie können keine Ziele ansteuern oder etwa untereinander kommunizieren, wie echte Bienen. Zudem bezweifeln Kritiker, dass so die Folgen des Insektensterbens abgemildert werden können. An der Washington State University wurden ebenfalls Mini-Roboter nach Insekten-Vorbild erschaffen. Sie sollen in der Umweltüberwachung, Mikrofertigung oder bei robotergestützter Chirurgie eingesetzt werden. Beim Thema Suche und Rettung setzt Professor Sato lieber auf die echten Tiere - er weiß um ihre Vorteile.
Zuverlässiger als Mini-Roboter
Die Idee kam Sato nach dem verheerenden Erdbeben in Fukushima. Dort waren Mini-Roboter im Einsatz, um Menschen zu finden. Aber die Geräte verbrauchten zu viel Energie - ihre Batterien hielten nur wenige Minuten. Kakerlaken hingegen bewegen sich von allein. Das heißt, es bleibt mehr Energie für Kameras und weitere drahtlose Kommunikation. Zudem leben sie bis zu fünf Jahre, sie sind leicht zu halten und zu transportieren. 500 bis 1.000 Insekten sollen im Katastrophenfall gleichzeitig suchen - gelenkt durch Künstliche Intelligenz (KI). Sato erklärt weiter: "Die KI navigiert die Tiere automatisch an einen sicheren Ort. Die Insekten können mit einem KI-Modell durch maschinelles Lernen kontrolliert werden. So benötigen sie niemanden, der sie steuert." Die Prototypen funktionieren - jetzt muss noch die Serien-Produktion gelingen. In fünf Jahren sei das soweit, glaubt Sato. Dann könnten Kakerlaken Menschenleben retten.