Brüder aus Tornesch programmieren Warnsystem für Schiffe

Stand: 25.10.2023 19:44 Uhr

Zwei Brüder aus Tornesch im Kreis Pinneberg haben ein neues System für die Notfallkommunikation in der Seeschiffahrt entwickelt. Mit ihrer Idee konnten sie sich für das Weltfinale der Robotik-Olympiade in Panama qualifizieren.

von Pia Klaus

Am 5. November, in nicht einmal mehr als zwei Wochen, geht es für Lennart und Louis Ruhe endlich los. Sie fliegen nach Panama und treten dort bei der World Robot Olympiad (WRO) als Team Legocraft für die Klaus-Groth-Schule Tornesch an. Seit etwa einem Jahr arbeiten die Brüder mindestens einmal pro Woche an einem eigenen System für die Notfallkommunikation in der Seeschifffahrt. Sie nennen es Havarie-Warn-System, kurz HaWaS. Das Interesse der 14- und 17-Jährigen für dieses Thema wurde durch die Havarie der "Ever Given" im Suez-Kanal geweckt. Die ist im März 2021 auf Grund gelaufen und hat dadurch den wichtigen Schifffahrtskanal in Ägypten für sechs Tage blockiert. Das Ereignis beschäftigte die Brüder bei der Ausarbeitung einer Idee für die Teilnahme bei der World Robot Olympiad.

Erfindung der Brüder Lennart und Louis Ruhe aus Tornesch. © NDR Foto: NDR
So sieht das Havarie-Warn-System, kurz HaWaS, der beiden Brüder Lennart und Louis Ruhe aus.
Arbeitsaufteilung in Programmieren und Konstruieren

Das Überthema des Wettbewerbs lautet "connecting the world". Inspiriert von der Havarie der "Ever Given" haben die Brüder ihren Fokus auf das Kippen von Schiffen gelegt und wie andere Schiffe in unmittelbarer Nähe davor gegebenenfalls gewarnt werden können, erklärt Lennart Ruhe: "Wir kamen auf die Idee, eine Art Frühwarnsystem zu entwickeln." Lennart kümmerte sich vor allem um die Konstruktion des Systems. In einem Turm hat er vier sogenannte Gyro-Sensoren verbaut, die den Neigungswinkel von Schiffen ständig messen und gegebenenfalls frühzeitig Alarm geben können. Der Alarm wird dann über sogenannte Bricks per Bluetooth und bereits vorhandene internationale Seefahrts-Kommunikationssysteme an Schiffe in der Umgebung weitergeleitet. Die sind dadurch gewarnt und können dem Schiff ausweichen.

Während Lennart die einzelnen Elemente auf den Modellschiffen verbaut hat, war sein älterer Bruder Louis mit dem Programmieren des Systems beschäftigt. So hatte jeder seine Aufgabe und beide konnten sich nicht in die Quere kommen, erklären die beiden. Die Faszination für Robotik, also die Entwicklung und Technik von Robotern und automatisierten Systemen, liegt scheinbar in der Familie: Der älteste der drei Ruhe-Brüder war auch schon Teil der Robotik-AG an der Klaus-Groth-Schule und ebenfalls bei der World Robot Olympiad erfolgreich, erzählt Lehrer und AG-Leiter Mario Selck.

Lehrer: "Der Coach organisiert, aber das Team entwickelt"

Selck selbst war bei der Umsetzung des Havarie-Warn-Systems der beiden Brüder lediglich passiv beteiligt. "Wenn die Jungs sagen, sie brauchen irgendwelches Material, dann sorge ich dafür, dass wir das Material bekommen." Bei der eigentlichen Entwicklung des Systems dürfe er sich als Coach aber nicht einmischen, so Selck. Das seien die Vorgaben bei der WRO: "Der Coach organisiert, aber das Team entwickelt." Mittlerweile hat der Lehrer Gebrauchsmusterschutz, also eine Art Patent in abgeschwächter Form, für das System der Brüder angemeldet. Mehrere Experten, darunter Mitarbeiter einer IT-Firma aus Hamburg und ein ehemaliger Kapitän, hatten zuvor dazu geraten, die Idee von Lennart und Louis gewerblich zu schützen.

Erfindung der Brüder Lennart und Louis Ruhe aus Tornesch. © NDR Foto: NDR
Lennart und Louis wurden eingeladen, ihre Erfindung beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zu präsentieren.
Ruhe-Brüder: "Dabei sein ist alles!"

Auch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ist von der Idee und der Faszination der Tornescher Brüder angetan und hat sie deshalb für eine Präsentation eingeladen. Stefan Ruff, stellvertretender Sachgebietsleiter im Bereich der physikalischen Navigationssysteme am BSH, findet das System spannend: "Oft will man nach dem 100. Versuch schon fast aufgeben. Aber irgendwann hat man dann die Lösung und dann ist man auch stolz auf sich selbst. Und wenn man dann noch merkt, dass solche Geräte irgendwie die Welt ein Stück besser machen, dann ist das wirklich ein gutes Gefühl."

Das Lob und das Interesse der Experten und Ingenieure gibt Lennart und Louis Rückenwind für den bevorstehenden Wettkampf in Panama. Eines steht für die beiden aber schon jetzt fest, sagen sie: "Dabei sein ist alles!"

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 25.10.2023 | 19:30 Uhr

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