Deutsche Gotteskrieger für Syrien
Hayan M. ist im Dschihad, dem Heiligen Krieg. Er kämpft in Homs, mitten im Bürgerkriegsgebiet in Syrien. Der Gotteskrieger ist schwer verwundet, sein rechtes Bein wurde amputiert. Trotzdem will Hayan M. an die Front. Seine Kameraden schieben ihn im Rollstuhl durch Ruinenfelder. Dann feuert er mit einem russischen Maschinengewehr vom Typ PK, verschanzt hinter einer Mauer aus Sandsäcken, auf die Soldaten von Syriens Präsidenten Baschar Al-Assad.
"Warum hilfst Du den Leuten hier nicht?"
Es sind Bilder, wie es sie schon oft gegeben hat während des Bürgerkriegs in Syrien. Doch dann die Überraschung: Hayan M. spricht plötzlich Deutsch. Er ruft deutsche Muslime zum Heiligen Krieg auf: "Jeder Muslim, ich möchte ihm sagen, Ihr sollt Dschihad machen! Nach Syrien fliegen! Und warum machst Du das nicht? Warum hilfst Du den Leuten hier nicht?" Zum Beweis, dass er vor seinem Kampf in Deutschland gelebt hat, zeigt er seinen deutschen Führerschein und seine Krankenversicherungs-Karte der AOK in die Kamera. Zuletzt wohnte er nach Recherchen von Panorama 3 im hessischen Kassel - mit deutscher Frau und zwei Kindern.
Das Video vom Kampf des Hayan M. in Syrien haben seine islamistischen Kameraden ins Internet gestellt. Nie zuvor hat es eine solche Botschaft aus Syrien gegeben, in deutscher Sprache, mit der klaren Intention ins Kampfgebiet zu locken. "Das hat eine neue Qualität", heißt es deshalb auch in Sicherheitskreisen zum Video. Es geht um Stimmungsmache, durch die junge Muslime zu Gewalt verleitet werden sollen – nicht nur im arabischen Raum, sondern im Zweifel auch in Deutschland.
Gewalt - auch in Deutschland
Denn auch hierzulande wächst die Zahl gewaltbereiter Islamisten: Bei Ausschreitungen in Solingen und Bonn wurden radikale Salafisten von Rechtsextremen mit Mohammed-Karikaturen provoziert. Anschließend lieferten sie sich Straßenschlachten mit der Polizei - und einer verletzte mit einem Messer mehrere Beamte.
Viele der Gewalttäter von Bonn und Solingen stehen dem islamistischen Propagandanetzwerk "Millatu Ibrahim" nahe. Obwohl die Organisation im Sommer 2012 verboten wurde, hat sie immer noch große Strahlkraft in der Szene. Einer ihrer Hintermänner ist Ismael S. aus dem schleswig-holsteinischen Husum. Der 26-Jährige war als Internetexperte für das Netzwerk aktiv und sammelte auf Webseiten Spenden für den Heiligen Krieg.
Bereits 2006 sucht er Kontakt zu radikalen Gruppen, besucht in Hamburg und Kiel Moscheen, die als Anlaufstelle für Extremisten gelten. 2008 geht Ismael S. nach Heide zum Elektrotechnikstudium. Doch obwohl er ein guter Student ist, bricht er die Ausbildung nach dreieinhalb Semestern ab - und radikalisiert sich offenbar immer weiter: 2012 ist er bei den gewalttätigen Ausschreitungen in Solingen ganz vorne mit dabei. Dann taucht er unter.
Sicherheitsbehörden sehen Gefahr für Europa
Die Sicherheitsbehörden vermuten Ismael S. mittlerweile im Nahen Osten. Dort könnten seine Mitstreiter und er zu einer ernsten Gefahr werden - auch für die Bundesrepublik. Davon ist Dieter Büddelfeld, Leiter des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein, überzeugt: "Zum einen, weil sie in der Szene als Leitfiguren akzeptiert werden durch ihren Auslandaufenthalt. Zum anderen aber auch, weil sie dort Kenntnisse erworben haben, die sich hier in Aktionen bis zu terroristischen Anschlägen umsetzen lassen."
Auch der EU-Antiterror-Koordinator Gilles de Kerchove warnt vor den Folgen für Europas Sicherheit: Im syrischen Bürgerkrieg würden immer mehr Islamisten aus Europa gegen die Regierung in Damaskus kämpfen. "Die große Mehrheit der Gegner des Assad-Regimes kämpft für ihre Zukunft, aber Syrien ist auch zu einem Ziel für europäische Dschihadisten geworden", sagte der EU-Terrorexperte. Wenn diese Kämpfer zurückkehrten, seien sie besser ausgebildet und stärker indoktriniert denn je - und dürften auch die europäischen Staaten als Feind betrachten.