Debatte über mehr Tierwohl: "Am Ende steht der Preis"
Mehr Geld für mehr Tierwohl, finanziert mit einer höheren Mehrwertsteuer für Fleischprodukte, so lautet ein aktueller Vorschlag. Bei NDR Info live hat eine konventionelle Schweinezüchterin die Idee kritisiert - und Unterstützung von einer Fleischproduzentin mit Haltungsform 4 (premium) erhalten.
Fleischprodukte sind ein lebensnotwendiges Lebensmittel - so sieht es der Staat, deshalb gibt es auf Hack, Steak und Würstchen den ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Es werden nur sieben Prozent für die Verbraucher fällig. Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat der Bundesregierung vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer stufenweise auf 19 Prozent zu erhöhen. Das Geld soll für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung investiert werden.
Schweinezüchterin: "Falsch, Menschen im unteren Lohnsegment zu beuteln"
Inken Burmester, konventionelle Schweinezüchterin aus Schleswig-Holstein, kann der Idee nicht viel abgewinnen. "Es gibt Menschen, die haben gar nicht die Möglichkeit, so viel Geld für Fleisch auszugeben", sagte sie bei NDR Info live am Mittwoch. Für sie sei es der falsche Weg, auch Menschen im unteren Lohnsegment mit einer zwölf Prozent höheren Mehrwertsteuer zu beuteln. Aus ihrer Sicht müsste es andere Wege geben, um die Finanzierung von Stallumbauten für mehr Tierwohl sicherzustellen.
Ihr Betrieb produziert in der Haltungsstufe zwei. "Unsere Schweine haben zehn Prozent mehr Platz und zusätzliches Spielzeug. Außerdem nehmen wir am Antibiotika-Monitoring teil", so Burmester. Täglich bekämen ihre Schweine Heu gefüttert, zudem komme dank großer Fenster viel Tageslicht in den Stall. Allerdings gibt es Spaltenböden in dem Stall und die Ringelschwänzchen werden bei 99 Prozent ihrer Schweine abgeschnitten.
Würde Burmester ihre Ställe, in denen 1.300 Mastschweine leben, umbauen, um etwa Haltungsstufe drei zu erreichen, so müsste sie nach eigenen Berechnungen 600.000 bis 800.000 Euro in die Hand nehmen. Nötig sei es dafür, das komplette Innere des Stalls umzubauen und zudem einen Außenauslauf zu schaffen. "Ich muss mir dabei schon sicher sein, dass ich das Geld nicht nur für sieben Jahre wie angedacht bekomme, sondern das muss deutlich weiter gehen", sagte Burmester. Da brauche sie Planungssicherheit, weil sie den Schritt des großen Stallumbaus sonst nicht wagen würde.
Tierwohlabgabe steuerrechtlich schwer umsetzbar
Andere Finanzierungsmöglichkeiten als eine höhere Mehrwertsteuer seien nicht so leicht umzusetzen, sagte Tobias Betz, Landwirtschaftsexperte vom Bayerischen Rundfunk. Dabei bezog er sich auf eine Tierwohlabgabe, die eine andere Kommission zur Reform der Landwirtschaftspolitik vorgeschlagen habe. Das größte Problem daran sei, dass Steuern nicht zweckgebunden, also nicht ausschließlich für den Zweck der Tierwohlerhöhung, erhoben werden dürfen.
"Daher ist eine Mehrwertsteuererhöhung von 7 auf 19 Prozent pragmatisch, schnell und einfach umzusetzen", so Betz. Gleichwohl sieht er wie Schweinezüchterin Burmester das Problem, dass die Einnahmen in den Bundeshaushalt einfließen und eben nicht direkt den Bauern zugute kommen. Daher verstehe er, dass die Landwirte skeptisch und misstrauisch sind.
Schweinezüchterin Burmester hat noch eine andere Sorge in Bezug auf eine Mehrwertsteuererhöhung für Fleischprodukte: "Die Nachfrage nach Fleisch wird sinken, das heißt, es kommt auch weniger Geld rein." Auch Betz sieht diese Gefahr: "Was, wenn Discounter die Mehrwertsteuererhöhung nicht weitergeben?" Es könne sein, dass entsprechend der Preis bei den Landwirten gedrückt werde, um nicht höhere Auszeichnungen im Supermarktregal vornehmen zu müssen. "Am Ende kann es sein, dass die Bauern, denen das eigentlich zugute kommen soll, weniger einnehmen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz."
Auch Biofleisch wird (noch) teurer
Auch Gabriele Mörixmann aus Niedersachsen hält eine Mehrwertsteuererhöhung für keine gute Idee. Sie betreibt in Niedersachsen Schweinehaltung mit dem sogenannten Aktivstall-Konzept. "Unsere Tiere können sich den ganzen Tag aussuchen, ob sie rein oder raus wollen und ob sie wühlen, spielen oder duschen wollen", erklärte Mörixmann bei NDR Info live. "Wir haben eine Beschäftigungswelt rund um das Schwein geschaffen, mit ganz viel Abwechslung."
Sie fürchtet, dass diejenigen, die wie sie vorangegangen sind mit tierwohlgerechteren Haltungsformen wie drei, vier und Bio nun abgestraft werden. Denn für den Aktivstall sei schon vor vielen Jahren Geld in die Hand genommen worden. Die Produkte sind entsprechend teurer. "Wenn jetzt noch eine Mehrwertsteuererhöhung dazu kommt, wird das proportional noch teurer als bei den Haltungsformen eins und zwei", so Mörixmann. Das könnten die Kunden irgendwann nicht mehr leisten, gibt sie zu bedenken.
Von Wunsch und Wirklichkeit: "Am Ende steht der Preis"
Es könne sein, dass die Nachfrage nach Fleisch gerade auch im Premiumsegment deutlich sinkt, meint Experte Betz. Das sei aber gerade für die höheren Haltungsstufen nicht beabsichtigt. Gleichwohl gelte: "Am Ende steht der Preis."
Die Hoffnung sei, dass Tierwohl und Regionalität zu schlagenden Verkaufsargumenten werden. Viele Menschen legten auch durchaus Wert darauf. "An der Ladentheke sehen wir dann aber die Wahrheit, die harte Wahrheit", so Betz. "Gerade in Zeiten hoher Inflation, da sparen die Leute an den Lebensmitteln. Wunsch und Wirklichkeit fallen auseinander."