Abschiebungen sollen vereinfacht werden: Geteiltes Echo im Norden
Ausreisepflichtige schneller und leichter abschieben: Dazu hat die Bundesregierung am Mittwoch einen Gesetzentwurf beschlossen. Im Norden gibt es Unterstützung, aber auch Kritik: Grüne und Migrationsexperten sind skeptisch, was die Folgen angeht.
Nach dem Entwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) soll etwa die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams auf 28 Tage erhöht werden - bislang sind es zehn. Damit soll verhindert werden, dass abgelehnte Asylbewerber untertauchen. Auch sollen Abschiebungen in der Regel nicht mehr vorab angekündigt werden und die Polizei mehr Befugnisse bei der Durchsuchung von Unterkünften erhalten. In dem Entwurf heißt es, dass zwar "schwer abschätzbar" sei, wie viele zusätzliche Abschiebungen es durch die Neuregelung geben wird. Angenommen wird aber, dass durch die Verschärfung der Ausreisepflicht "die Anzahl der Abschiebungen um rund 600 steigen wird". Die Pläne müssen noch vom Bundestag beraten und beschlossen werden.
Migrationsforscher Knaus: Abschiebe-Diskussion führt in die Irre
Migrationsforscher Gerald Knaus sagte am Donnerstag im Interview auf NDR Info, die Debatte über mehr Abschiebungen führe in die Irre, zumal ja selbst die Bundesregierung durch die Verschärfung nur einige Hundert Ausweisungen mehr erwarte. "Das Entscheidende ist: wie abschieben, wann abschieben und wen abschieben?", sagte Knaus.
Er machte das am Beispiel Irak deutlich, das für Deutschland größte und wichtigste Land, aus dem sehr viele Migranten in erster Instanz abgelehnt werden. Im vergangenen Jahr seien es fast 12.000 Iraker gewesen, die in erster Instanz keinen Schutz bekommen hätten. Auch wenn einige vor Gericht ziehen und Schutzbedürftigkeit zugesprochen bekämen, blieben weiterhin Tausende Menschen pro Jahr, die ausreisepflichtig sind. "Und es gab im letzten Jahr 77 Abschiebungen in den Irak", stellte Knaus fest. Daran dürfte auch das neue Gesetz wenig ändern. "Es wird nur dann zu weniger irregulärer Migration führen, wenn klar ist: Ab einem Stichtag werden Menschen vom Irak schnell zurückgenommen." Doch hierfür bräuchte es Abkommen mit den Herkunftsländern.
Die große Herausforderung bei Abschiebungen bestehe zudem darin, Papiere zu bekommen, "um überhaupt in der Lage zu sein, jemanden in ein Land wie den Irak, Nigeria, Gambia, Senegal, Marokko oder Tunesien abschieben zu können", sagte Knaus. Auch andere Länder wie Frankreich, Italien, Spanien und Österreich seien nur dann erfolgreich, wenn die Herkunftsländer kooperieren.
Grünen-Politikerin Polat: Das trifft vor allem Familien
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Filiz Polat aus Niedersachsen bezeichnete den Gesetzentwurf im Interview auf NDR Info eher als einen Beitrag für die Symbolik, aber nicht zur Entlastung der Kommunen. "Wir haben kein Abschiebungsdefizit", sagte Polat. Ein Defizit gebe es bei der Abschiebung von schweren Straftätern und Gefährdern: Auf den Bereich müsse jetzt der Fokus gelegt werden, nicht darauf, pauschal nach mehr Abschiebungen zu rufen. "Das trifft dann vor allem Kinder und Jugendliche und Familien, weil der Großteil der Geduldeten sind Familien", sagte Polat.
"Unsere Befürchtung ist auch, dass es zu hohen Zahlen an fehlerhaften Abschiebungshaftanordnungen führt", sagte Polat. Menschen könnten zu Unrecht inhaftiert werden, was wiederum zu langen Verfahren vor den Gerichten führen könnte. "Wir werden uns als Fraktion vorbehalten, den Gesetzentwurf genau zu prüfen", sagte Polat. Dabei werde es darum gehen, wie verhältnismäßig die Eingriffe in Grundrechte seien, etwa in die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Behrens: Hatten uns Erleichterungen gewünscht
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) begrüßte den Gesetzentwurf: "Wir haben uns Praxiserleichterungen gewünscht. Die finden sich im Gesetz wieder", sagte Behrens im Interview mit NDR Niedersachsen. Identitätsfeststellungen würden dadurch in Zukunft einfacher werden. "Wir müssen Abschiebungen nicht mehr ankündigen. Das macht das Auffinden der Person, die wir rückführen müssen, einfacher. Wir haben bessere Möglichkeiten, Menschen länger in Gewahrsam zu nehmen, um zum Beispiel den Flug besser organisieren zu können", sagte Behrens.
Niedersachsen habe an dem Entwurf in den Arbeitsgruppen maßgeblich mitgearbeitet. "Klar ist, wer in Deutschland ein Asylverfahren durchlaufen und dabei kein Bleiberecht erworben hat, der muss unser Land wieder verlassen", so Behrens. Auch sie betonte: Essenziell seien Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern. Der Bund und die EU müssten diese abschließen. "Da haben wir noch keine Hoffnung, dass das zeitnah passiert", sagte Behrens.
Dem Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Sebastian Lechner, geht das geplante Gesetz nicht weit genug. "Wir müssen auch sinnvoll begrenzen", sagte der CDU-Politiker. Unzufrieden ist auch Stephan Bothe, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion: "Es wird nicht bewirken, dass auch nur ein Migrant mehr abgeschoben wird."
Hamburgs CDU begrüßt den Entwurf
"Längst überfällig" nannte Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Faesers Gesetzesvorschlag. "Es handelt sich jetzt um einen kleinen Schritt in die richtige Richtung", so Gladiator. Allerdings bezweifelte er im Interview mit NDR 90,3, dass der grüne Koalitionspartner in Berlin den Weg mitgeht.
Der rot-grüne Senat in Hamburg ist beim Thema Abschiebung uneins. Während Innensenator Andy Grote (SPD) die schärferen Regelungen begrüßt, glaubt der fluchtpolitische Sprecher der Grünen, Michael Gwosdz, nicht, dass mehr Abschiebungen die Belastung durch die Migration lösen können: "Wir brauchen Arbeitskräfte, wir brauchen Migration. Wir müssen den Bürokratiestau auflösen, wir müssen die Arbeitsverbote aufheben - und wir brauchen mehr finanzielle Unterstützung vom Bund", sagte Gwosdz.
Flüchtlingsrat kritisiert Gesetzesentwurf scharf
Nach Ansicht von Muzaffer Öztürkyilmaz vom Flüchtlingsrat Niedersachsen geht der Gesetzentwurf an den tatsächlichen Herausforderungen der Migration vorbei. Die Anerkennungsquoten seien "historisch hoch". Daher müsse es darum gehen, den Menschen zu Wohnraum, Arbeit und Sprachkursen zu verhelfen. "Die Debatte um die Abschiebung von Straftätern ist gewissermaßen eine Scheindebatte, weil die allermeisten Menschen, die herkommen, sich eben nicht strafbar machen", so Öztürkyilmaz. Das Gesetz verschärfe zudem die "Entrechtung" von Geflüchteten. Einzig positiver Punkt sei, dass Aufenthaltserlaubnisse für einen längeren Zeitraum ausgestellt werden könnten.