Stand: 26.10.2023 06:10 Uhr

Behrens zu Asylrecht: "Führen eine sehr einseitige Debatte"

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) © picture alliance/Geisler-Fotopress Foto: Ulrich Stamm
Innenministerin Daniela Behrens (SPD) fordert ein Herkunftsabkommen von der EU.

Die Bundesregierung hat Maßnahmen beschlossen, die Abschiebungen vereinfachen sollen. Im Interview mit dem NDR begrüßt Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) die geplanten Regeln, warnt aber auch vor einer Verschiebung der Diskussion. Es beträfe nur einen kleinen Teil der Flüchtlinge.

Welche neuen Regeln werden es einfacher machen, Menschen aus Niedersachsen abzuschieben?

Daniela Behrens: Wir haben uns Praxiserleichterungen gewünscht. Die finden sich im Gesetz wieder. Die Identitätsfeststellungen werden in Zukunft einfacher werden. Wir müssen Abschiebungen nicht mehr ankündigen. Das macht das Auffinden der Person, die wir rückführen müssen, einfacher. Wir haben bessere Möglichkeiten, Menschen länger in Gewahrsam zu nehmen, um zum Beispiel den Flug besser organisieren zu können. Da sind jetzt mehr Tage möglich.

VIDEO: Reaktionen aus Niedersachsen zum Abschiebungs-Gesetzentwurf (4 Min)

Gibt es Punkte, die Sie kritisieren?

Behrens: Ich glaube, wir überhöhen den Gesetzentwurf. Das Thema Rückführung ist ja nur ein kleiner Bereich bei Geflüchteten. Was uns bei gescheiterten Rückführungen vor allem umtreibt, ist die fehlende Kooperation vieler Herkunftsländer. Und das kann man mit diesem Gesetz nicht regeln, sondern da müssen der Bund und die EU Herkunftsabkommen abschließen, und da haben wir noch keine Hoffnung, dass das zeitnah passiert.

Andere haben die Verschärfungen schon längst gefordert, jetzt handelt die SPD. Ist das populistisch?

Behrens: Das Thema bewegt die Menschen. Abschiebungen sind kein Spaß - weder für den, der abgeschoben werden muss, noch für die, die das durchführen. Deswegen versuchen wir hier in Niedersachsen, den Menschen den Weg über freiwillige Ausreisen zu erleichtern, wenn das Asylverfahren beendet ist und man kein Bleiberecht hat. Wir reden hier über einen kleinen Teil, mehr als 70 Prozent der Menschen bekommen ja eine Aufnahme. Das Thema Rückführungen ist gerade emotional überladen und wird dem Thema Geflüchtete nicht gerecht.

Fakten zur aktuellen Geflüchteten-Situation in Niedersachsen

  • Zahl der Geflüchteten in Niedersachsen: 256.672 (Quelle: Innenministerium Niedersachsen/Stand: August 2023)
  • Zahl der akut Ausreisepflichtigen: 4.654 (Quelle: Innenministerium Niedersachsen/Stand: August 2023)
  • Kosten einer Abschiebung: bis zu 30.000 Euro (Quelle: Landesaufnahmebehörde Niedersachsen)

Was meinen Sie damit?

Behrens: Derzeit führen wir eine sehr einseitige Debatte. Wir sind alle miteinander sehr unter Druck, weil so viele Geflüchtete gerade zu uns kommen. Jede Woche mehr als 1.300 allein nach Niedersachsen - und wir haben große Probleme, die ordentlich unterzubringen. Das ist es, was uns gerade beschäftigt. Wir möchten die Menschen gut behandeln. Und da finde ich, müssen wir aufpassen, dass wir nicht falsche Signale setzen. Insgesamt geht es darum, das Asylrecht ernst zu nehmen. Denjenigen Schutz zu bieten, die ihn brauchen. Die Leute hier aufzunehmen, das Asylverfahren durchzuführen. Aber wenn man kein Asyl bekommen hat, dann ist es völlig in Ordnung, dass man das Land auch wieder verlassen muss.

Das Interview führte Angelika Henkel, NDR.de

Weitere Informationen
Polizeibeamte begleiten einen Menschen in ein Charterflugzeug. © picture alliance/dpa/Michael Kappeler Foto: Michael Kappeler

Gesetzentwurf zu Abschiebung: Unterstützung aus Niedersachsen

Nach Ansicht von Ministerin Behrens würden mit dem Gesetz rechtliche Hürden abgebaut. Kritik kommt von AfD und Flüchtlingsrat. (25.10.2023) mehr

Migrationsforscher Gerald Knaus, Vorsitzender des österreichischen Thinktanks Europäische Stabilitätsinitiative (ESI), sitzt in einem TV-Studio und blickt direkt in die Kamera. © IMAGO / teutopress
8 Min

Migrationsforscher Knaus: Diskussion über Abschiebung führt in die Irre

Die großen Herausforderungen bestehen darin, Ausreisepapiere zu bekommen, sagt Migrationsforscher Gerald Knaus. Die Herkunftsländer müssten kooperieren. (26.10.2023) 8 Min

Filiz Polat, MdB der Grünen, hält eine Rede im Deutschen Bundestag. © picture alliance Foto: Janine Schmitz
6 Min

Filiz Polat: Das wird vor allem Kinder und Frauen treffen

Die parlamentarische Geschäftsführerin im Bundestag kritisiert den Gesetzentwurf als Symbolik. "Wir haben kein Abschiebungsdefizit", sagte sie im NDR Info Interview. (25.10.2023) 6 Min

Szene auf einem Rollfeld: Rechts im Bild ein Flugzeug mit einer angestellten Treppe, links ein Bus. Menschen steigen aus dem Bus aus und ins Flugzeug ein. © Screenshot
4 Min

Veränderte Abschiebepraxis: Die Reaktionen aus dem Norden

Das "Rückführungsverbesserungsgesetz" von Innenministerin Faeser sieht unter anderem vor, dass Behörden mehr Befugnisse bekommen. (26.10.2023) 4 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 26.10.2023 | 06:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Europa-Politik

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Ein Fass mit radioaktiv verseuchtem Wasser steht am 04.03.2014 in Remlingen (Niedersachsen) in einem Schacht des Atommüll-Lagers Asse. (Archivbild) © picture alliance / dpa | Jochen Lübke Foto: Jochen Lübke

Atommüll-Endlager: Weitere Gebiete vorerst ausgeschlossen

Die BGE hat mögliche Regionen im Norden für Atommüll-Endlager eingegrenzt. Auch in Niedersachsen fallen Gebiete raus. mehr