Ein Aufkleber für einen Corona-Virus-Test mit der Aufschrift: COVID-19 SARS-CoV-2 positiv/negativ © image images/Thomas Imo/photothek.net

(84) Coronavirus-Update: Nicht auf Tests und Impfungen verlassen

Stand: 14.04.2021 16:54 Uhr

In der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update weist Virologe Christian Drosten darauf hin, dass Antigen-Schnelltests eine Infektion in den ersten Tagen wohl weniger zuverlässig erkennen können als gedacht.

Zwischen 40 Prozent und 60 Prozent der Infektionen werden bei Schnelltests übersehen, erklärt der Leiter der Virologie an der Berliner Charité im Gespräch mit NDR Info Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig. Deshalb sei es gefährlich, sich bei Einlasskontrollen auf das Ergebnis eines Schnelltests zu verlassen - etwa beim Theater- oder Konzert-Besuch oder an der Eingangstür eines Restaurants. Wenn ein Schnelltest eine Infektion übersehe, dann werde diese Person mit der Annahme herumlaufen, dass sie nicht ansteckend sei, und könne so mitunter andere infizieren. Außerdem geht es in Folge 84 um die Lage in England und darum, wie sich sich der Anteil von Virusvarianten bei Geimpften verändert.

Die zentralen Themen der Folge im Überblick - per Klick direkt zur Textstelle springen

Was sagen die Zahlen aus den Diagnostiklaboren über die Positivrate bei Tests?

Wie ist die Lage in der Intensivmedizin in Deutschland?

Hat das Einbeziehen der Hausärzte das Impftempo erhöht?

Können die Öffnungen in Großbritannien gutgehen?

Welche Erkenntnisse gibt es zur Pathogenität der Virusvariante B.1.1.7?

Was sagt eine Studie aus Israel über die Anteile von Virusvarianten bei Reinfektionen von bereits Geimpften?

Wie hoch ist bei wachsender Immunisierung in der Bevölkerung die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen weiterer Mutationen?

Ist es sinnvoll, Impfdosen zu halbieren?

Wie zuverlässig sind Schnelltests?

Wie sinnvoll sind die Tests an Schulen?

Wie wirksam können die Maßnahmen der Bundesnotbremse sein?

Gibt es einen Schutzeffekt gegen Sars-CoV-2 durch eine vorherige Infektion mit einem Erkältungs-Coronavirus?

Korinna Hennig: Wir wollen über die Perspektiven für die kommenden Wochen sprechen. Im Hinblick auf Tests, auf Maßnahmen, aber auch auf die angepasste Impfstrategie. Außerdem gibt es virologische Erkenntnisse zur Hintergrundimmunität und zur Rolle der Impfung beim Selektionsdruck auf das Virus. Fangen wir bei den Zahlen an. Den Mechanismus kennt man nach Feiertagen, und das Robert Koch-Institut weist immer noch darauf hin, dass noch ein Ostern-Meldeverzug nachwirkt. Trotzdem konnte man vergangene Woche aus politischen Äußerungen raushören, dass manche Regierende sich der Hoffnung hingegeben haben, eine vorübergehende Verlangsamung über Ostern, die könnte schon real gewesen sein. Man kann sich aber zumindest über die Erkenntnisse der Labore der Frage nähern: Wie ist das Verhältnis zwischen der Zahl der durchgeführten Tests zur Testpositivenquote? Also hat sich das ähnlich entwickelt? Was sehen wir da für eine Entwicklung heraus?

Christian Drosten: Da hat man einen guten Schätzwert. Wir sehen ja, dass die Positivrate sich schon vor Ostern stark erhöht hat. Wir hatten in der Karwoche 11,1 Prozent Positive. In der ersten März-Woche hatten wir knapp über sechs Prozent Positive. Bei nicht sehr stark veränderten Testzahlen. Und diese starke Veränderung kam dann über die Feiertage. Daran kann man sehen, dass das sicherlich von der Hoffnung getrieben ist, was da im Moment gesagt wird. Wir müssen wahrscheinlich bis Ende dieser Woche warten, um wieder realistische Zahlen zu sehen. Und ich befürchte, dass wir dann auch wieder im Bereich zwischen 20.000 und 30.000 landen werden, täglich gemeldete Neufälle. Wir hatten schon zum letzten Wochenende hin an einem der Tage 25.000 ungefähr. Das wird sicherlich sich jetzt wieder so einstellen.

Hennig: Das heißt, wir sind weiter im exponentiellen Wachstum.

Drosten: Ja, wir sind etwas über eins im R-Wert. Es gibt weiterhin ein Wachstum. Es mag schon sein, dass das sich nicht in kurzer Zeit wieder verdoppelt. Es gibt sicherlich Effekte in der Bevölkerung, die auch durch die Aufmerksamkeit bedingt sind, wo einfach der Normalbürger sich ein bisschen vorsichtiger verhält. Außerdem waren die Osterfeiertage. Und was man nicht vergessen darf: Die Schulen waren zu und wir haben natürlich dadurch einen nachhaltigen Entschleunigungseffekt, gerade in diesen Schüler-Altersjahrgängen. Wir können da vergleichen. Also, es gibt da gute Maßgaben aus England um Weihnachten herum. Wir wissen inzwischen, dass das Infektionsgeschehen in Schulen doch auch eine tragende wichtige Rolle spielt, wie auch in allen anderen Altersgruppen. Und zwei Wochen Pause im Schulbetrieb, da wird man auch jetzt noch eine Zeit lang einen Effekt in Deutschland von haben.

Hennig: Eine Zahl, die täglich verfügbar ist, ist die der Intensivbetten, die mit Covid-19-Patienten belegt sind. Die steigt seit Mitte März. Die Intensivmediziner haben schon wiederholt Alarm geschlagen, in den vergangenen Tagen zuletzt sehr dringlich. Auch das Durchschnittsalter auf den Intensivstationen ist deutlich gesunken. Jetzt gibt es aber immer wieder Grafiken und Tabellen, die manche veranlassen zu sagen, es ist gar nicht so schlimm auf den Intensivstationen, denn man sieht noch ein bestimmtes Kontingent freie Betten. Dann kommt auch noch die Notfall-Reserve dazu, die nicht ausgeschöpft ist. Die liegt dann schon mal bundesweit bei 10.000 Betten. Aber nicht jedes Intensivbett ist ja auch für Covid-Patienten geeignet. Und es gibt auch noch ganz normale Herzinfarkte und Verkehrsunfälle. Da muss man auch daran denken. Vielleicht können Sie das für uns noch mal einordnen, wie genau man diese Zahlen lesen muss und wie eng es überhaupt werden darf eigentlich.

Das Coronavirus © CDC on Unsplash Foto: CDC on Unsplash

(84) Nicht auf Tests und Impfungen verlassen

Sendung: Das Coronavirus-Update von NDR Info | 13.04.2021 | 17:18 Uhr | von Korinna Hennig
99 Min | Verfügbar bis 31.12.2099

Offenbar doch Diagnostik-Lücke bei Schnelltests. Warum die Lage in England anders ist. Und: Impfungen und Immune Escape.

Die Themen mit den Timecodes:

00:01:42 Testzahlen aus den Diagnostiklaboren
00:03:45 Intensivbetten in Deutschland
00:07:33 Impfgeschwindigkeit und Umplanung AstraZeneca
00:10:30 Öffnung in Immunität in Großbritannien
00:18:00 Neues zur Pathogenität von B.1.1.7
00:25:11 Israel-Studie: Varianten-Begünstigung bei immunisierter Bevölkerung
00:40:34 Impfperspektive und Bevölkerungseffekt
00:44:20 Impfdosen halbieren?
00:48:09 Diagnostik-Lücke bei Schnelltests
00:57:32 Schnelltests als Screening trotzdem zuverlässig
01:00:50 Beschlüsse des Bundeskabinetts zur Bundesnotbremse
01:07:10 Kreuzreaktivität bei T-Zellen zwischen Sars-CoV-2 und anderen Coronaviren
01:24:30 Vergleich Kreuzschutz und Impfung bei Influenza

https://www.ndr.de/coronaupdate

Die Manuskripte aller Folgen:
https://www.ndr.de/nachrichten/info/podcastcoronavirus102.html

Alle Fragen und Antworten zu Corona auf unserer FAQ-Seite: https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/corona100.html

Kein Tag vergeht ohne neue Nachrichten zum Coronavirus Sars-CoV-2. Längst haben wir uns an Maßnahmen wie Mundschutz, Abstand und Hygieneregeln gewöhnt. Und noch immer ist kein Ende der Pandemie in Sicht. In unserem wöchentlichen Podcast wollen wir verlässlich über neue Erkenntnisse der Forschung informieren. Wie steht es um einen Impfstoff? Wie entwickelt sich die Test-Strategie? Besteht Hoffnung auf ein Medikament? Die NDR Wissenschaftsredakteurinnen Korinna Hennig und Beke Schulmann sprechen dazu im Wechsel mit Christian Drosten, Leiter der Virologie in der Berliner Charité, und mit Sandra Ciesek, Leiterin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Dabei soll es nicht um Panikmache gehen - sondern ganz im Gegenteil: Der Podcast "Coronavirus-Update" will informieren, einordnen und Hintergründe liefern.

Wer eine Frage für die Podcast-Interviews mit Christian Drosten und Sandra Ciesek hat, kann diese gerne per Mail schicken an: meinefrage@ndr.de

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Unser Podcast-Tipp:
Die Idee. Ideen, Leute, Stories
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Intensivbettenbelegung

Drosten: Das ist natürlich nicht so, dass man da jetzt noch viel Platz hat. schaut man sich zum Beispiel Berlin an. Es gibt in Berlin im Moment etwas über 308 Intensivpatienten, davon sind über hundert in der Charité. Ein Viertel davon ist an der extrakorporalen Membranoxygenierung.

Hennig: ECMO.

Drosten: Genau ECMO, ein sehr aufwendiges Verfahren. Das sind schon ungewöhnlich hohe Zahlen. Diesen 308 Patienten in Berlin stehen noch mal 815 Nicht-Covid-Intensivstationspatienten gegenüber. Dann gibt es noch eine ganz kleine Reserve. Es heißt, elf Prozent freie Betten auf den Intensivstationen. Aber wir haben einfach gleichzeitig einen massiven Pflegemangel. Es fällt jetzt schon schwer, diese Betten zu betreiben. Ich bin gar nicht derjenige, der darüber sprechen sollte. Ich bin ja kein Kliniker. Ich arbeite gar nicht auf der Intensivstation. Das müssten eigentlich andere in der Öffentlichkeit sagen und tun das auch. Nur: Sie werden nicht gehört. Es ist tatsächlich eine sehr, sehr schwierige Situation jetzt in der Intensivmedizin.

Hennig: Ist die vergleichbar mit dem Peak in der zweiten Welle im Winter schon, von dem, was Sie lesen?

Drosten: Na ja, die ist rein zahlenmäßig wohl vergleichbar, wenn ich das richtig verstehe. Aber damals im Winter war das ein Gipfel. Wir sind jetzt an einer ansteigenden Flanke. Also wenn das jetzt damit getan wäre, dann würde man sagen: Na ja gut, jetzt wird es nicht mehr. Jetzt muss man die bestehenden Patienten so gut wie möglich behandeln. Aber es wird eben im Moment immer mehr, also die Aufnahmerate und auch die Verlegung auf die Intensivstation, das nimmt tatsächlich gerade exponentiell zu.

Hennig: Das heißt, wir sprechen jetzt nicht nur über dieses Schreckgespenst der Triage bei Covid-Patienten, sondern eben auch über die Auswirkungen auf andere Patienten, die aus ganz anderen Gründen ins Krankenhaus oder auf die Intensivstation müssen.

Drosten: Ja, das betrifft die gesamte Medizin. Es werden jetzt wieder Operationen abgesagt, bei denen man weiß, der Operierte oder die operierte Patientin braucht ein Intensivbett danach. Diese Operation kann man jetzt einfach nicht durchführen.

Hennig: Sie haben eben schon die ECMO angesprochen. Das ist ein ganz wichtiger Teil in der Covid-Beatmung auf der Intensivstation. Also, wo Maschinen die Funktion der Lunge übernehmen und die man nicht überall durchführen kann. Das gibt mir Gelegenheit, kurz auf eine großartig gemachte Fernseh-Dokumentation hinzuweisen, die jetzt im Winter in der Charité, also bei Ihnen nebenan, gedreht wurde während der zweiten Welle. "Charité intensiv" heißt die und die rückt manche Dinge ins rechte Licht für alle, die normalerweise nichts mit Krankenhausbetrieb zu tun haben. Das sind vier Teile. Sehr eindrucksvoll, was die Menschen auf den Intensivstationen in der Pandemie tatsächlich leisten. Also eine dringende Empfehlung. Die findet sich in der ARD-Mediathek. Nun sind wir schon mittendrin in einer relativ düsteren Perspektive für die nächsten Monate. Trotzdem, an dieser Stelle möchte ich ganz kurz mal eine positive Zwischenbilanz erwähnen, bevor Sie uns gleich wieder Wasser in den Wein gießen müssen. Das Impftempo in Deutschland hat ja zuletzt deutlich angezogen, seit die Hausärzte mit von der Partie sind, oder? Das können wir mal festhalten.

Drosten: Ja, das ist richtig. Ich bin mir nicht ganz sicher, was sich da angestaut hat. Also was ein Anfangseffekt ist, dass jetzt Dosen verteilt werden und Patienten waren schon einbestellt. Ich glaube, das muss man einfach noch mal eine Zeit lang beobachten, wie sich die Impfgeschwindigkeit auf Dauer verändert. Aber Fakt ist, dass über das zweite Quartal hin jetzt deutlich mehr Liefermenge erwartet wird. Was leider auch so ist, ist dass die Umplanung, die jetzt notwendig gewesen ist durch die Empfehlungsänderung für die Astra-Vakzine, nicht gerade zu einer Beschleunigung beiträgt. Denn Astra konnte man fürs zweite Impfen als Einzeldosis planen, weil bei Astra erst nach drei Monaten die zweite Dosis gegeben werden muss. Das wäre dann im dritten Quartal. Das heißt, man könnte sagen, alle Liefermengen im zweiten Quartal könnte man als Erstdosis avisieren. Das ist jetzt leider etwas relativiert durch diese Änderungen.

Es gibt anscheinend ein Problem damit, dass diejenigen, die in der Altersgruppe sind, wo sie wählen können - in vielen Bundesländern ist das möglich, wenn man über 60 ist, sich zu registrieren und zu sagen "Ich will Astra oder ich will Biontech" -, dass viele von diesen Personen jetzt sagen: Na, dann warte ich doch lieber, bis ich dann eine Biontech-Impfung bekomme. Das ist eine schlechte Entwicklung. Man muss sich gerade in dieser Altersgruppe klarmachen: Die jüngeren Leute im ganzen Land haben sich jetzt in ihrem Leben eingeschränkt, schon seit über einem Jahr, mit Rücksicht auf die Älteren. Da sollte man jetzt als jemand, der älter ist, nicht wählerisch sein und nicht die Impfgeschwindigkeit dadurch verzögern, dass man einfach sagt: Ich will jetzt noch nicht geimpft werden. Dadurch entsteht eine Wartezeit, die, wenn das viele Leute machen, sich einfach für alle negativ auswirkt. Also wenn ich als über 60-Jähriger sage: Och, ich nehme doch lieber als jetzt eine Astra-Dosis, nehme ich doch lieber im Juni eine Biontech-Dosis. Da muss man wirklich sagen, dann nimmt man im Juni einem Jüngeren die Impfung weg. Das ist wirklich nicht in Ordnung. Also wir haben ja ein gewisses gegenseitiges Vertrauen und eine gewisse gegenseitige Verantwortung auch in der Gesellschaft. Ich finde das nicht gut, wenn Ältere jetzt an dieser Stelle wählerisch sind. Die Astra-Vakzine ist ein sehr guter Impfstoff, ist in dieser Altersgruppe sicher und man kann sich auf die Empfehlung der STIKO da wirklich verlassen. Und das sollte man annehmen, auch im Sinne der Impfgeschwindigkeit. Dass man so eine Impfung bekommt, ist ja nicht selbstverständlich. Da haben viele dafür gearbeitet und viele dafür verzichtet.

Hennig: In Großbritannien ist das Impftempo deutlich höher. Fast die Hälfte der Bevölkerung hat da schon mindestens eine Dosis Impfstoff bekommen. Auch darüber haben wir schon öfter gesprochen. Das ist von Herdenimmunität trotzdem noch ein gutes Stück entfernt. Auch weil man bei der Variante B.1.1.7 davon ausgehen muss, dass 60 bis 70 Prozent Durchimpfung nicht ausreichen, weil sie übertragbarer ist. Nun wird aber wieder geöffnet in Großbritannien. Wie zuversichtlich sind Sie, dass das gut geht?

Drosten: Das ist schon eine sehr interessante Überlegung, auch eine komplexe Überlegung. Wir haben jetzt einen sehr starken Lockdown gehabt, der wirklich auch mit Ausgangsbeschränkungen einherging. Es wurde dann stückweise etwas gelockert, nachdem es tatsächlich gelungen ist, die Inzidenz ganz gut zu kontrollieren. Da gibt es auch ganz interessantes Zahlenmaterial dazu, zwei Veröffentlichungen. Einmal wieder die ständige Online-Veröffentlichung des Office for National Statistics. Und dann gibt es auch wieder ein Update von der REACT-1-Studie, wo man Altersprävalenzen sieht, also wie viele sind in der Altersgruppe gerade PCR-positiv, das wird gemessen. Wir haben in beiden eigentlich denselben Befund. Wir haben jetzt, nachdem wir bei den Schüler-Altersgruppen vor Weihnachten in der zweiten Welle im Bereich von vier Prozent Momentan-Nachweisrate lagen, sind wir jetzt bei den Kindern und Jugendlichen so im Bereich von einem halben Prozent und bei den Erwachsenen im Bereich von 0,2, 0,3 Prozent, also die Hälfte von dem, was die Kinder haben. Das kommt sicherlich auch daher, dass es immer eine Notbetreuung gegeben hat im Schul- und Kita-Bereich, trotz des kompletten Lockdowns. Und die REACT-1-Studie kommt zu ganz ähnlichen Daten. Also da sind die Fünf- bis Zwölfjährigen mit 0,4 Prozent im Moment infiziert, die 13- bis 17-Jährigen, also die älteren Schuljahrgänge, mit 0,17 Prozent, weniger als die Hälfte. Das ist deshalb interessant, weil bei diesen jungen Schuljahrgängen wohl mehr Notbetreuung stattgefunden hat. Man hat mehr Infektionshäufigkeit. Bei den Erwachsenen sind wir im Bereich von 0,2 Prozent, also auch wieder die Hälfte von den höchstbetroffenen jüngeren Schuljahrgängen. So geht man jetzt in Öffnungen rein.

Also in Wales beispielsweise sind die Grundschulen schon geöffnet, auch ein paar Prüfungsjahrgänge sind schon offen. Und ab jetzt (12.04.2021) wurden die Schulen geöffnet. In Nordirland sind die Grundschulen seit dem 22. März offen. Alles andere wird jetzt ab Montag, also ab 12. April, geöffnet. In Schottland ist die Grundschule offen, ab dem 19. April wird der Rest der Schulen geöffnet. Und in England sind ja schon ab dem 8. März alle Schulen wieder offen. Man hat hier natürlich Hygienevorschriften, man hat auch Testansätze, die man umsetzt. Also das ist alles sehr, sehr ähnlich wie das, was wir in Deutschland vorhaben. Was wohlgemerkt in Deutschland noch nicht in der Realität funktioniert, was von der Politik in Deutschland schon auf die Zukunft eingepreist wird, wenn gesagt wird, wir öffnen jetzt die Schulen. Das ist in England also zum Teil schon umgesetzt und es wird interessant sein, das jetzt zu beobachten. Wir haben in diesen zwei großen Datensätzen ONS und REACT-1, das sind jeweils Erhebungen, die über den März schon nach der Schulöffnung in England gemacht wurden, noch kein klares Signal dafür, dass die Inzidenz in den Schulen jetzt hochgeht. Das ist eine sehr gute Message. Also das könnte sein, dass das klappt. Aber wir müssen da mindestens noch einen Monat warten. Auch hier müssen wir wieder wissen, natürlich gibt es auch in England Ferien über Ostern. Das hat das Ganze jetzt noch mal wieder verzögert oder auch beruhigt. Grundsätzlich denke ich, man muss noch mindestens einen Monat warten, um sich wirklich ein Bild davon zu machen, was passiert, wenn man jetzt nach so einem Lockdown wieder öffnet in einer Situation, in der sich die Inzidenz über alle Altersgruppen verteilt hat. Das ist in England in der zweiten Welle passiert. Bei uns ist das auch so ungefähr nach der zweiten Welle dann irgendwann so eingetreten. Man sieht das daran, dass Ende Februar, Anfang März bei uns tatsächlich selbst die Surveillance-Inzidenz, die immer durch eine unterschiedliche Testhäufigkeit gefärbt ist, in den Altersgruppen sehr, sehr gleich aussah.

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Schulbetrieb in Deutschland und England

Ich denke, wir sind in Deutschland jetzt inzwischen in einer sehr vergleichbaren Situation. Wir haben das Virus in allen Altersgruppen ungefähr gleich. Jetzt muss man schauen: Was macht der Schulbetrieb? Und da ist jetzt natürlich die Frage: Haben wir die gleichen Startbedingungen? Ich glaube, die haben wir nicht wie in England. Da muss man wieder um die Ecke denken. Was ist eigentlich los in Deutschland und in England, wenn man das vergleicht? Also in Deutschland haben wir drei Millionen PCR-bestätigte Fälle, in England 4,4 Millionen. Wir haben eine komplett unbekannte Dunkelziffer in beiden Ländern. Solche Dunkelziffern wurden zwischendurch immer mal geschätzt. Aber die Testaktivität hat sich dann auch immer wieder verändert. Es hat hohe Inzidenz-Wellen gegeben. Alle diese Dinge verändern über die Zeit die Situation immer wieder. Man kann da nur ganz grobe Schätzungen machen. Also wenn wir mal einfach die Zahl der bekannt Infizierten mit einem Faktor vier malnehmen -  wahrscheinlich liegen wir da irgendwo nicht vollkommen falsch -  dann wäre man bei einer Dunkelziffer von zwölf Millionen in Deutschland und 18 Millionen in England. Das ist nur eine ganz grobe Annahme, das basiert auf keiner besser informierten Schätzung. Und Epidemiologen könnten darüber viel bessere Angaben machen. Mir geht es nur darum, mal grobe Vergleiche anzustellen.

Geimpfte in England und Deutschland

Dann gibt es einen Riesenunterschied bei den Geimpften. Also wir haben, wenn wir sagen überhaupt Geimpfte, also Leute, die schon mindestens eine Dosis bekommen haben, da sind es in Deutschland 13 Millionen und in England 32 Millionen. Das ist ein Riesenunterschied. Bei den Vollgeimpften ist der Unterschied übrigens nicht so groß. Wir haben in Deutschland fünf Millionen Vollgeimpfte, in England 7,5 Millionen Vollgeimpfte. Das liegt daran, dass man in England Priorität auf die erste Impfdosis gegeben hat. Darum ist der Unterschied bei den überhaupt Geimpften zwischen Deutschland und England deutlich größer. Wenn man das jetzt aufsummieren wollte, dann käme man, also vor allem, wenn man jetzt aufsummiert, die vollständig Geimpften zusätzlich zu irgendeiner gedachten Dunkelziffer, dann läge man in Deutschland bei 17 Millionen und in England bei 25 Millionen. Oder wenn man auch überhaupt Geimpfte nähme, dann käme man in England bei 50 Millionen raus und bei Deutschland 25 Millionen. Hier summiere ich also die überhaupt Geimpften plus die bekannten Genesenen plus eine gewisse Dunkelziffer. Wo ich einfach sage, wir nehmen die bekannten Fälle mal vier in beiden Ländern -  das ist ganz sicher falsch. Das ist ganz sicher eine grobe Vereinfachung der Situation. Wenn wir das jetzt auch noch auf die Bevölkerung umrechnen, dann kämen wir in einer optimistischen Rechnung in England, wenn wir die überhaupt Geimpften mit reinrechnen würden, also wenn wir sagen, die werden auch schon die Weiterverbreitung des Virus bremsen, dann hätten wir tatsächlich in England 74 Prozent der Bevölkerung in irgendeiner Art und Weise entweder gesichert genesen oder angenommen genesen oder auch geimpft. Je größer die Zahlen sind, desto größer spielen die auch ineinander. Das sind große Schnittmengen dabei. Also man muss diese Zahlen in Wirklichkeit sicherlich reduzieren.

Es ist vielleicht besser, wenn man konservativer davon ausgeht. Wir rechnen mal einfach nur die doppelt Geimpften. Dann hätte man aber auch da noch in England 38 Prozent, die in diese Kategorie fallen würden, also diejenigen, die vielleicht irgendwie schon so eine gewisse Art von Immunität aufgebaut haben. Die vergleichbaren Zahlen in Deutschland wären für die optimistische Schätzung 30 Prozent und für die konservativere Schätzung 20 Prozent. Das heißt, während man in England doch irgendwie so langsam in einen Bereich kommt, wo man so die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung vielleicht in so einen Status von Teil-Immunität oder richtiger Immunität rechnen kann, ist man in Deutschland gerade mal bei einem Viertel, wenn überhaupt. Insofern muss man sich schon klarmachen, man kann für England jetzt wirklich hoffen, dass das alles stimmt, was auch die Regierung annimmt, dass das alles ein irreversibler Weg ist, wie Boris Johnson das wahrscheinlich richtigerweise ausdrückt, dass man also nicht mehr zurück muss in einen weiteren Schulschluss, das wäre wirklich gut. Ich hoffe das sehr, dass das so ist. Während ich in Deutschland einfach vorsichtiger wäre, solche Hoffnungen zu formulieren. Zumal auch in den Details es nicht so ist, dass in der Schule schon durchgängig getestet werden kann. Das scheitert einfach an gewissen Realitäten, an Einübung, an Verfügbarkeit, an Bereitschaft. Zusätzlich ist es eben auch so, dieses sich sehr stark auf die Tests verlassen, das könnte auch hier und da einen Pferdefuß noch haben. Das ist sowohl hier schon sehr früh besprochen worden, man liest es ja auch an vielen Stellen inzwischen in den Medien. Können wir vielleicht auch noch mal drüber reden.

Schwerere Erkrankungen bei Variante?

Hennig: Ja, auf die Tests kommen wir später noch mal, wenn wir noch mal ein bisschen vorausblicken. Ich würde gerne einmal noch ganz kurz in England bleiben mit einem anderen Aspekt, den wir hier auch schon mal thematisiert haben. Nämlich, was macht eigentlich die Variante B.1.1.7 so anders? Da haben wir schon darüber gesprochen. Es ist mittlerweile relativ gesichert, dass die übertragbarer ist, leichter übertragbar. Wir haben auch über die Pathogenität schon gesprochen, also macht sie kränker, ist sie möglicherweise sogar tödlicher? Da haben sich die Indizien in dieser Richtung zuletzt auch verdichtet. Nun gibt es aber zwei neue Studien aus London, die in "Lancet" veröffentlicht wurden und die das wieder ein bisschen infrage stellen. Wie würden Sie das bewerten, diese beiden Paper, die in eine andere Richtung weisen, was die krankmachendere Wirkung angeht?

Drosten: Ja, das sind zwei "Lancet"-Publikationen, eine in "Lancet Public Health" und die andere in "Lancet Infectious Diseases". Also die "Lancet"-Gruppe hat Unter-Journals inzwischen. In der einen Studie ist eine Analyse von Symptom-Daten anhand einer Mobiltelefon-App gemacht worden, wo fast 37.000 Nutzer ihre Symptome eingetragen haben in der Zeit von Herbst bis Weihnachten. Da hat man anhand dieser Daten keinen Unterschied in den Symptomen gesehen, abhängig davon, ob die mit B.1.1.7 oder anderweitig infiziert waren. Auch die Rate der Reinfektionen, wobei das sehr grob definiert ist. Da geht es einfach darum, hat man innerhalb von drei Monaten noch mal wieder eine positive PCR, während man zwischendurch eine symptomfreie Woche mindestens hatte? Da wissen wir aber, da sind sicherlich auch längere Ausscheidungsfristen dabei. Es gibt einzelne Patienten, die solche langen Ausscheidungen haben. Also es ist nicht sehr präzise hier zu fassen. Das geht einfach anhand der Daten nicht. Da sieht man aber jedenfalls auch keinen Unterschied, das ist die eine Studie.

In einer anderen Studie, da muss man vielleicht etwas genauer hinschauen, in "Lancet Infectious Diseases". Hier hat man in einem großen Krankenhaus in London untersucht, was passiert eigentlich mit den Patienten, abhängig davon, ob sie B.1.1.7 oder anderweitige Viren haben? Und da wurde genau nachsequenziert. 58 Prozent von 341 analysierten Patienten hatten B1.1.7-Infektionen, also schöne Situation, gerade die Hälfte. Man findet bei den B.1.1.7-Patienten keine höhere Todesrate. Was man findet, ist eine höhere Viruslast. Das finden andere Gruppen ja auch und würde eine erhöhte Übertragbarkeit erklären. Jetzt aber ist die Frage: Warum findet diese Studie, die krankenhausbasiert ist, eigentlich keine höhere Sterblichkeit? Der Unterschied könnte darin liegen, dass die bisher durchgeführten Studien populationsbasiert sind. Also die Studien, die wir hier schon in der Vergangenheit besprochen haben und die diese erhöhte Sterblichkeit gefunden haben. Das sind gleich mehrere Studien. Da hat man jeweils geschaut, ob nach 28 Tagen nach PCR-Diagnose die Quote der Sterblichkeit sich verändert hat, abhängig vom Virus, hat da auch allerhand Korrekturfaktoren natürlich noch reinrechnen müssen anhand der Hintergrund-Inzidenz, der Örtlichkeit, der Sozialstruktur und so weiter, weil da ja Grundgefährdungen der Infizierten dann mitschwingen, die man darüber rausrechnen kann. Und man kommt da eben darauf, dass im Bereich von 60 Prozent Erhöhung vorliegt für die Sterblichkeit 28 Tage nach PCR-Diagnose. Jetzt ist die Frage: Warum ist es in dieser Krankenhaus-Studie nicht so, dass die Leute im Krankenhaus dann mit höherer Wahrscheinlichkeit sterben? Ich glaube, das beantwortet das schon in sich, diese Feststellung, dass das eine Krankenhaus-Studie ist. Denn zwischen PCR und dem Todesfall liegt eben die Krankenhausaufnahme, aber nicht für jeden, sodass man sagen kann, diese populationsbasierten Studien, da ist es vielleicht so, da sind auch erhöhte Raten dabei von Personen, die außerhalb des Krankenhauses zum Beispiel in Heimen verstorben sind. Obwohl zumindest eine Studie, die ich erinnere, das ausgeschlossen hat, dass das so ist. Aber das war auch nicht ganz klar in der Studie. Nun sind aber auch Übersterblichkeitseffekte dabei, die in so einer krankenhausbasierten Studie weniger zum Tragen kommen. Also beispielsweise die Frage: Kriege ich überhaupt rechtzeitig ein Krankenhausbett in einer Situation der Überlastung? Das erhöht ja auch die Sterblichkeit. Während in der krankenhausbasierten Studie natürlich nur die Patienten angeschaut werden, die ein Krankenhausbett bekommen haben. Das erklärt also diese Unterschiede, deswegen würde ich anhand der jetzt neu veröffentlichten Studien nicht sagen, dass sich das Bild komplett revidiert hat. Sondern ich würde sagen, das ist gut für die Situation von aufgenommenen Krankenhauspatienten. Aber auf Bevölkerungsebene würde ich jetzt die anderen Studien weiterhin so stehen lassen.

Hennig: Das Stichwort Reinfektion ist eben schon gefallen. Wir haben in der letzten Folge mit Sandra Ciesek über die Frage gesprochen, wie gut Impfstoffe gegen erneute Infektion schützen, anhand von Daten aus den USA und aus Israel. Das sind die Studien, auf die sich auch das Gesundheitsministerium und das Robert Koch-Institut berufen, wenn es darum geht, Geimpften mehr Freiheit zu gewähren. Von besonderem Interesse sind in dieser Frage natürlich aber auch die anderen Variants of Concern, also die Frage: Kann es durch Immunescape-Varianten, dadurch, dass der Immunantwort ausgewichen wird, zu vermehrten Reinfektionen kommen? Das haben wir hier auch schon öfter thematisiert. Nun gibt es ein neues, noch nicht begutachtetes Paper aus Israel, das genauer versucht zu untersuchen, ob eine der Varianten begünstigt wird, wenn die Immunisierung noch nicht vollständig ist. Also sozusagen auf halbem Weg nach einer Impfdosis oder auch nach der zweiten Dosis, wenn der volle Impfschutz noch nicht erreicht ist. Vielleicht können wir uns das auch noch mal angucken. Es geht da um die Impfung mit mRNA-Impfstoffen. Da hat man eine Fallkontroll-Studie gemacht und PCR-Positive, die vorher geimpft worden waren, mit ungeimpften Infizierten verglichen. Kann man da einen Unterschied herauslesen, was auch die Variante aus Südafrika angeht, B.1.351? Oder muss man das noch mit Vorsicht betrachten?

Immunisierung und die Coronavirus-Mutanten

Drosten: Ja, das ist eine interessante Studie. Ich glaube, was man daraus sehen kann, ist, was passiert, wenn man in einer Situation, wie wir sie jetzt auch hier in Deutschland haben, sehr schnell immunisiert, nämlich dass erst mal die Situation sich im Großen und Ganzen beruhigt in der Bevölkerung. Wir wissen ja, in Israel ist im Prinzip jetzt gerade eine große Öffnung im gesellschaftlichen Leben möglich, das ist toll zu beobachten. Was man auch sieht ist: Das südafrikanische Virus hat in Israel auch im Hintergrund auf der Lauer gelegen, genau wie das bei uns auch ist in Deutschland, also ungefähr ein Prozent B.1.351, also südafrikanisches Virus liegt hier vor, das ist bei uns in Deutschland ganz ähnlich. Jetzt ist die Frage, die hier in der Studie gestellt wurde: Verschiebt sich das eigentlich bei Leuten, die jetzt schon geimpft sind, die also eine gewisse Immunität aufgebaut haben? Jetzt muss man da ein bisschen um die Ecke denken. Man hat die Patienten in zwei Gruppen eingeteilt, die eine Gruppe sind unvollständig Geimpfte, also sprich Patienten, die eine Woche vor oder nach der zweiten Impfung angeschaut und analysiert wurden. Und in dieser Zeit ist die zweite Impfung, selbst wenn sie gegeben wurde, noch nicht wirksam. Also das heißt, die muss man als halb, als Erstgeimpfte betrachten.

Hennig: Erst zwei Wochen nach der zweiten Dosis ist die Wirksamkeit erreicht.

Drosten: So ungefähr kann man sagen, genau. Dann gibt es eine zweite Gruppe, die ist vollständig geimpft, die haben mindestens zwei Wochen Wartezeit hinter sich nach der zweiten Dosis. Bei denen sieht man jetzt tatsächlich, dass die südafrikanische Variante zunimmt, während aber natürlich alle anderen Infektionen rapide abnehmen. Das muss man also immer dazusagen. Es ist nicht so, einfach nach dem Motto, wenn ich geimpft bin, kriege ich das südafrikanische Virus, das ist die vollkommen falsche Auffassung. Wenn ich geimpft bin, kriege ich erst mal gar kein Virus. Und bei den wenigen, wenigen, die da noch übrig bleiben und trotzdem eine PCR-positive Diagnose haben … Denn das wurde hier gemacht, hier wurde um den Impftermin herum PCR-getestet, das ist das Entscheidende. Hier geht es nicht um schwerkranke Leute oder so etwas, hier geht es tatsächlich um PCR-Ergebnisse, also auch um vor allem unbemerkte Infektionen. Hier geht es um diejenigen, die sich trotz Impfung noch unbemerkt asymptomatisch oder ganz mildsymptomatisch infizieren. Wie viele von denen haben dann im Verhältnis das eine oder das andere Virus? Nur damit man sich das mal vorstellen kann, also von den Zahlen her. Diejenigen, die in dieser vollen Impfwirkung in dieser Kategorie stehen, die kriegen zu 90 Prozent B.1.1.7, wenn sie sich noch mal infizieren. Das liegt einfach daran, dass B.1.1.7 in Israel zu der Zeit genauso dominant ist, wie es jetzt im Moment in Deutschland ist. Also ganz ähnliche Situation wie bei uns, ungefähr 90 Prozent B.1.1.7 liegt vor in der Bevölkerung, ungefähr ein Prozent, zwischen einem halben und einem Prozent südafrikanisches Virus. Und dann noch so fünf, sechs, sieben Prozent alles Mögliche andere, was jetzt auch SARS-Coronavirus-2 ist, aber eben weder die eine noch die andere Variante. Das ist ganz ähnlich wie bei uns hier in Deutschland. Man sieht das in den Kontrollgruppen. Man hat Voll-Vakzinierte mit gar Nicht-Vakzinierten und da jeweils die Infektionsverhältnisse in gematchten Gruppen verglichen. Gematcht bedeutet also vom selben Ort, aus demselben Alter werden Patienten zusammengestellt, die dem entsprechen, was man in diesen vollständig Geimpften auch findet an Bevölkerungseigenschaften, an demografischen Eigenschaften. Dann vergleicht man einfach die Virusraten. Um es noch mal zu sagen, 90 Prozent bei den Geimpften haben B.1.1.7, 92,6 Prozent bei den nicht Geimpften B.1.1.7. Und bei den nicht Geimpften haben 0,7 Prozent die südafrikanische Variante. Das ist bei denjenigen wenigen, die sich infiziert haben trotz Impfung, dann 5,4 Prozent südafrikanische Variante, also eine Vermehrung um den Faktor acht. Das ist eigentlich der Befund. Da steht dann irgendwo in der Zeitungsüberschrift, die über das Paper schreibt: "Achtmal mehr südafrikanisches Virus bei Leuten, die geimpft sind." Das hört sich sehr missverständlich an.

Eigentlich muss man sagen: Bei den wenigen, die trotz Impfung sich noch infizieren, bleibt ein größerer Rest von Infektionen mit dem südafrikanischen Virus übrig. Das ist also etwas überbetont. Und das ist sicherlich, wenn wir über Fitness sprechen, also über die Vermehrung eines Virus über mehrere Generationen von Übertragungen hinweg gedacht, ist das etwas, das wir hier ernst nehmen müssen. Da kann man also sagen: Es wird so sein, dass in einer vollkommen geimpften Bevölkerung dann dieses südafrikanische Virus sich verbreiten wird. Das hat dann einen Selektionsvorteil. Das wird im Vergleich zu einer anderen Bevölkerung dort sich besser verbreiten. Und irgendwann wird das auch wahrscheinlich dominieren. Nur es wird in einer immunen Bevölkerung stattfinden, das ganze Phänomen. Und das bedeutet, wir haben ein dominantes, relativ harmloses Erkältungsvirus. Obwohl es heute aus unserer jetzigen Sicht die böse südafrikanische Variante ist. Also ich denke, so lässt sich das in relativ allgemeine Worte übersetzen.

Hennig: Jetzt liegt die aber noch bei einem ganz geringen Anteil, in Israel haben Sie gesagt, so wie hier, bei irgendwie nur einem Prozent. Aber in Frankreich, Belgien und Luxemburg zum Beispiel hat sie sich schon ein bisschen mehr verbreitet. Gehen Sie davon aus, dass aber vorerst in Deutschland bei dem Status, den wir jetzt haben, B.1.1.7 diese Variante noch nicht so richtig zum Zug kommen lässt, weil B.1.1.7 auch eine sehr fitte, übertragbare Variante ist?

Drosten: Das ist sogar in einigen Regionen zu sehen, dass B.1.1.7 wegen des generischen Fitness-Vorteils, den dieses Virus hat … Also in einer nicht-immunen Bevölkerung, da hat B.1.1.7 einen Fitness-Vorteil offenbar gegenüber B.1.351. Da überwächst im Prinzip dieses B.1.1.7 in der Bevölkerung das 351-Virus, das südafrikanische Virus, solange die Bevölkerung noch nicht immun ist. Und in vielen Gegenden, notorisch bekannt dafür ist Tirol gewesen, da waren das nicht jetzt Immun-Effekte, Fitness-Effekte, sondern das waren einfach Einschleppungen. Da wurde B.1.351 aus Südafrika zur gleichen Zeit multipel eingeschleppt. Darum hatte man dann nach kurzer Zeit dort relativ viele Nachweise von diesem Virus. Das sind diese lokalen Unterschiedlichkeiten. In vielen Fällen kann man im Moment gerade in Europa davon ausgehen, dass das noch nicht Effekte sind von teilweise vorliegender Bevölkerungsimmunität, wie das im Ursprungsland in Südafrika sicherlich der Fall ist. Also da wird eben diese Dominanz von 351 getrieben durch die weit vorliegende Bevölkerungshintergrundimmunität.

Hennig: Muss man denn da, wenn wir jetzt an weitere Durchimpfung denken, es geht ja langsam voran, aber es geht voran, eigentlich unterscheiden, was die Resistenz gegen dieses Virus angeht zwischen der natürlichen Immunität, die Sie gerade angesprochen haben, und der Frage, ob ich geimpft bin? Macht das einen Unterschied für den Selektionsdruck?

Virusresistenz bei natürlicher Immunität und mit Impfung

Drosten: Ja, das macht wahrscheinlich einen Unterschied. Aber wir können noch nicht bewerten, in welche Richtung. Das ist jetzt fast trivial, wenn ich das so beantworte. Also ich glaube, man sollte sich eher vergegenwärtigen, dass die Impfantwort schon ein bisschen anders ist als die Antwort auf die natürliche Infektion. Wir haben Hinweise, dass die Antwort auf die natürliche Infektion aus bestimmten immunmechanischen Gründen eher breiter ist, auch etwas vorbereitend gegen Varianten ist, aber vielleicht nicht so lange anhaltend, belastbar ist gegen Infektionen überhaupt. Also milde Infektion ist dann irgendwann gewährleistet. Aber überhaupt gegen Infektionen geschützt zu sein, ist vielleicht nicht so langlebig nach einer normalen Wildtypinfektion. In einer der Studien, die jetzt hier vorkamen, das ist eine der beiden "Lancet"-Studien, wo es um die Reinfektionen geht, da hat man einen ganz guten Anhalt. Da haben sich 0,7 Prozent der untersuchten Personen vielleicht ein zweites Mal im Untersuchungszeitraum reinfiziert, wohlgemerkt aber während einer rasenden aufbauenden zweiten Welle. Also die waren in dieser zweiten Welle, nachdem sie eine vorherige, im Herbst oder Frühjahr schon stattgefundene Infektion hatten, dann noch mal wieder infiziert. 0,7 Prozent, das ist schon eine erkleckliche Zahl. Aber es ist auch nicht so, dass die Hälfte aller Patienten sich gleich wieder infiziert. Diese längerfristige Sicherheit gegen die Infektion, die könnte mit Impfstoffen stärker ausgeprägt sein.

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Mehr Sicherheit mit Impfungen

Aber so richtig harte Daten gibt es dazu noch nicht. Ganz einfach deswegen, weil noch nicht lange genug geimpft wird. Also es sind eher Dinge wie die Höhe von Neutralisationstitern zum Beispiel nach Pfizer/Biontech-Impfung verglichen mit der natürlichen Infektion, die mich so etwas vermuten lassen. Weil einfach dieser Impfstoff sehr, sehr hohe neutralisierende Antworten macht. Und ich weiß auch aus Studien, dass andere Vakzinen, die noch kommen werden, die jetzt auch in Zulassungsbeantragung sind, die haben zum Teil sogar noch bessere Quoten von neutralisierenden Antikörpern. Also, das sieht gut aus hinsichtlich möglicherweise einem länger bestehenden Impfschutz. Allerdings könnte der in seiner Reaktionsbreite gegenüber neuen Varianten ein bisschen schmaler ausgeprägt sein. Das liegt unter anderem an der Vorstellung, dass man bei einer natürlichen Infektion noch Restbestände von Virus hat, beispielsweise im Darm, die so ein bisschen still vor sich hin dümpeln und so ein bisschen Hintergrundreplikation noch machen, über Wochen nach der Infektion, und dadurch aber auch immer ein Immun-Update produzieren. Und dieser Effekt fällt gerade bei den mRNA-Vakzinen weitgehend weg. Bei den Vektorvakzinen haben wir schon noch etwas nachhaltige Expression von dem Virusmaterial, von einem Trägervirusmaterial, aber sicherlich nicht vergleichbar mit dieser Situation in einer natürlichen Infektion. Aber das sind alles Dinge, die ich hier eher aus dem Bauch heraus sage.

Hennig: Trotzdem hören wir die ganz gern, auch wenn sie noch vage sind, dass es durchaus Sinn ergibt, nach wie vor sich für die Impfung zu entscheiden und gegen das Risiko, sich zu infizieren. Wenn mir das einen Vorteil bieten kann, einen zusätzlichen, ist das ein Argument mehr. Wir haben jetzt über diese Varianten gesprochen, die schon unterwegs sind. Die drei Variants of Concern. Die brasilianische zählt ja auch dazu, die auch schon in Deutschland angekommen ist, aber in geringer Zahl. Trotzdem an dieser Stelle bei der Frage des Selektionsdrucks noch mal die Frage: Besteht denn ab einem bestimmten Schwellenwert der Immunisierung in der Bevölkerung, also wenn viele Menschen geimpft sind, trotzdem noch aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass Mutationen im Land entstehen durch den Selektionsdruck, oder hat sich das ausmutiert?

Niedriges Risiko für weitere Mutationen

Drosten: Das finde ich ziemlich vernachlässigbar. Also man sieht, dass Viren global vermischt werden. Und man sieht auch, dass bei uns die Immunescape-Varianten schon in der Bevölkerung lauern. Wir müssen sicherlich aufpassen, dass nicht beispielsweise massiv die P1-Variante aus Brasilien eingetragen wird. Während wir aber doch anerkennen müssen, dass wir die schon längst im Land haben, das ist bekannt. Wir werden das nicht mehr verhindern. Und wir werden gleichzeitig so Effekte haben wie einen Aufbau von teilweiser Immunität in der Bevölkerung. Und ja, das wird natürlich einen gewissen relativen Vorteil für diese Varianten haben. Wir werden aber gleichzeitig in der dann noch teilweise nicht-geimpften Bevölkerung irgendwann auch vermehrt Wildtyp-Infektionen haben, also B.1.1.7-Infektionen werden das bis dahin sein, das wird bis dahin der Wildtyp sein. Man muss im Prinzip gar nicht mehr im Moment darauf testen, das ist mit über 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit inzwischen B.1.1.7, also die Testung darauf, die spezifische, die kann man im Prinzip stoppen. Man kann einfach davon ausgehen, wer sich infiziert, hat mit größter Wahrscheinlichkeit B.1.1.7. Und diese Infektionen werden zwangsläufig zum Sommer hin und dann nach der Urlaubssommerpause, auch gerade wieder zum Herbst und zu den kälteren Temperaturen hin, leider wieder zunehmen. Das wird auch die ganz große Herausforderung  gesellschaftlich sein, das zu tarieren, sowohl politisch-regulativ als auch letztendlich für jeden normalen Bürger in seinem Leben, wie man damit umgeht, dass irgendwann natürlich die Infektionen dann zunehmen, ohne dass man jetzt sagt, wir machen hier jetzt irgendeine Durchseuchungsstrategie oder wollen Herdenimmunität aktiv aufbauen. Darum geht es nicht. Ich glaube, es geht einfach um Übergangszustände, die sich zwangsläufig einstellen werden. Es wird leider nicht so sein, dass man jede Infektion durch Kontrollmaßnahmen, die ja einschneidend sind für die Wirtschaft, für das normale soziale Leben, dass man die bis zum letzten Moment um jeden Preis verhindern kann, sondern es wird Wildtyp-Infektionen geben. Leider auch bei Leuten, die nicht geimpft sind. Entweder weil sie noch nicht dran waren oder weil sie es auch nicht wollen, weil sie sich nicht impfen lassen wollten. Das werden auch in einigen Altersgruppen erhebliche Anteile sein. Und irgendwo tritt eine gewisse Eigenverantwortung auch ein. Irgendwo muss natürlich auch regulativ, also von der Planungsebene behördlicherseits und so weiter, muss das natürlich anerkannt werden, dass man dann nicht mehr die volle Kontrolle haben kann.

Hennig: Das heißt, Sie haben eben schon angesprochen, was die Veränderungen in der Impfstoffverteilung AstraZeneca-, Biontech-Impfstoff bewirken, dass wir nämlich diesen großen Abstand bei den Vektor-Impfstoffen zwischen erster und zweiter Impfung gar nicht mehr so auskosten können als Effekt, möglichst viele Menschen mit der ersten Dosis durchzuimpfen. Was würden Sie sagen, Leute wie ich im mittleren Alter, Ende 40 oder auch Jüngere, wann können die dann frühestens mit einer Impfung rechnen? Nach dem, was Sie jetzt zu überschlagen mit den Impflieferungen, die wir zu erwarten haben. Wird das erst nach dem Sommer dann sein?

Drosten: Also ich denke, es wird über den Sommer sein. Die Unsicherheit ist bei diesen Schätzungen sehr groß. Da gibt es natürlich Modellrechnungen dafür. Aber was man in Modellen einfach nicht einrechnen kann, ist die Bürokratie und die Politik und all die Verwerfungen, die auf dem Weg dahin passieren. Deswegen ist es ganz schwierig und ich glaube eine Formulierung „über den Sommer“ - viel präziser kann man das einfach leider nicht sagen. Also ich weiß jetzt, hier in Berlin beispielsweise werden Impftermine schon in den Juni hinein vergeben. Und das sind jetzt nicht unbedingt die 40-Jährigen. Da sind immer noch Ältere dominierend, wenn ich das richtig mitbekomme.

Hennig: Das heißt, so ein echter Bevölkerungseffekt bei den Impfungen, den wir jetzt so rechnerisch auf dem Papier für England schon mal skizziert haben zum Beispiel für Großbritannien, der wird in Deutschland sehr spät kommen, zumal man dann auch noch die Kinder mitdenken muss, die lange nicht geimpft werden?

Impfstrategie in England und Deutschland

Drosten: Genau, das ist noch mal ein ganz separates Thema. Also das ist große Problem gegenüber England, ich will es auch gar nicht als Problem bezeichnen, der große Unterschied gegenüber England ist, dass man sich in England politisch entschieden hat, aus dem Bereich der Zulassung rauszugehen und ganz stark auf die erste Dosis zu priorisieren. Mit dem angenommenen Risiko, hingenommenen Risiko, dass viele Impflinge, viele Patienten eigentlich eine durchmischte Impfung kriegen. Erst Astra, dann Biontech oder dass sie einen verlängerten Impfabstand haben. Das ist bei uns nicht so. Wir achten auf diese Impfabstände, wie sie zugelassen sind. Dabei wird zum Teil auch übertrieben auf Sicherheit gearbeitet. Also dieses Einlagern der zweiten Dosis zur Sicherheit, das führt zu Verzögerungen. Und zuletzt ist die Umplanung bei Astra der Grund gewesen. Man könnte sagen: Warum? Das muss doch komplett neutral sein, es braucht doch jeder nur eine Impfung, entweder Astra oder Biontech. Jetzt verschiebt man Astra zu den über 60-Jährigen. Da müssen doch die gleiche Menge Biontech-Impfungen frei werden. Hat aber einen kleinen Schönheitsfehler. Der erste Schönheitsfehler ist, hätte man Astra für die Jüngeren nehmen können, dann hätte man in der Masse der Bevölkerung bei den Jüngeren schon im zweiten Quartal auf allein die Erstdosis setzen können, weil der Abstand bei Astra länger ist. Und man hätte die Zweitdosis einfach auf den Sankt Nimmerleinstag im dritten Quartal verschoben, wo ganz klar genügend Liefermengen mit Astra kommen werden. Das geht jetzt eben nicht mehr. Man hat jetzt diesen Sechs-Wochen-Abstand. Das heißt, man muss jetzt eher schauen, was kommt noch innerhalb des Quartals für die zwei Dosen geliefert für die jungen Leute? Das wäre die eine Überlegung. Und die zweite, noch schlimmere Sache ist, diese jungen Leute werden sowieso gar nicht geimpft, weil die Älteren, die auch Astra nehmen könnten, in hoher Zahl sagen: Wir hätten doch lieber Biontech, weil es einfach die schönere Vakzine ist und wir bevorzugen das. Diese Wahlfreiheit besteht in vielen Bundesländern. Und deswegen kommt es hier zu unnötigen nochmaligen Verzögerungen.

Hennig: Aber sie besteht nicht überall, muss man sagen.

Drosten: Die besteht nicht überall, ja. Ich kenne mich auch nicht ganz genau aus, wie das strukturiert ist in Deutschland.

Dosen halbieren?

Hennig: Noch mal eine theoretische Überlegung, um diesen Impffortschritt ein bisschen voranzubringen. Das ist sehr theoretisch für Deutschland, Sie haben es gerade gesagt, weil man sich sehr streng an die Empfehlungen hält und sich an dem orientiert, was die Hersteller in den Zulassungsstudien geprüft haben. Trotzdem gibt es da so Gedankenspiele, zum Beispiel von Epidemiologen aus Harvard, dass man nicht nur den Abstand zwischen erster und zweiter Dosis möglichst groß halten sollte, sondern dass man auch Dosen halbieren könnte. Ist das ein sinnvolles Gedankenspiel, auch wenn es für uns sehr theoretisch ist?

Drosten: Ja, es ist absolut sinnvoll. Ich stimme damit von meiner eigenen infektionsbiologischen Einschätzung überein. Ich denke, dass viele beispielsweise Mitglieder der STIKO das auch so sehen würden. Nur es ist etwas anderes, ob man das jetzt biologisch so einschätzt oder ob es nun mal einen zugelassenen Impfstoff gibt, der so zugelassen wird, wie er von den Firmen beantragt wurde, weil ja hier Haftungsfragen dranhängen. Das ist der Punkt, also das Ganze kann man nicht einfach infektionsbiologischen einschätzen, sondern es geht hier ins rechtliche, politische hinein, in die Haftung. Da hat man eine andere Verantwortlichkeit, wenn man solche Entscheidungen macht oder solche Empfehlungen ausspricht. Darum finde ich es trotz der infektionsbiologischen Situation richtig, dass man die Impfstoffe eben so empfiehlt, wie sie auch zugelassen sind. Und dann so verabreicht, wie sie empfohlen sind. So ist das nun mal. Wir könnten da tatsächlich, wenn wir das machen würden, wenn wir also den absoluten politischen Willen hätten, das so zu machen, wenn die Politik fragen würde, wir wollen es so machen, wie können wir es am besten machen, dann denke ich, könnte die Wissenschaft darauf Antworten liefern. Dann würde ein Teil dieser Antwort sicherlich auch beinhalten: Bei dem einen oder anderen Impfstoff könnte man es wagen, gerade bei jüngeren Patienten, die sowieso eine bessere Immunantwort zeigen, die Dosen zu halbieren. Man würde damit die Bevölkerung wahrscheinlich deutlich schneller immunisiert kriegen und würde Monate von Wirtschaftsleistung heben. Das kann man so mal aus einer rein harten wissenschaftlichen Betrachtungsweise sagen. Aber wir sind hier nicht rein im Bereich der harten Wissenschaft, sondern wir sind auch in einer Gesellschaft, und da gibt es viele Interessen. Da gibt es schon auch unscharfe Abgrenzungen dieser Interessen gegeneinander. Man kann eben nicht immer davon ausgehen, dass alle an einem Strang ziehen, wie wir das an anderen Diskussionen in der Öffentlichkeit in den letzten Wochen schmerzhaft erfahren. Und deswegen wird man auch hier im Bereich des sicheren Fahrwassers bleiben müssen.

Hennig: Halten wir trotzdem als wissenschaftliche Grunderkenntnis fest: Der Effekt gegen die Ausbreitung der Varianten ist grundsätzlich größer nach allem, was wir wissen, wenn viele geimpft sind. Und damit auch gegen das Risiko durch Immunescape, und sei es nur mit einer oder nur einer kleinen Dosis. Ich möchte die Gelegenheit, dass wir über Impfstoffe so ausführlich reden, noch mal nutzen für einen sachdienlichen Hinweis. Uns erreichen weiter konkrete Fragen, auch immer zu AstraZeneca, zu Kontrollen und Prüfvorgaben. Mein Kollege Norbert Grundei hat in dem NDR Podcast "DIE IDEE" mit Klaus Cichutek gesprochen, dem Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts, das in Deutschland als Behörde für die Bewertung von Impfstoffen zuständig ist. Der erklärt das sehr aufschlussreich und im Detail, was wie geprüft und empfohlen wird. Also viel mehr, als Sie, Herr Drosten, das hier machen können, weil das ja gar nicht ihr Kernfachgebiet ist. Der Podcast "DIE IDEE" ist zu finden in der ARD-Audiothek.

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Neben Norbert Grundei wird der Schriftzug "Die Idee" gezeigt. © NDR Foto: Hendrik Lüders

DIE IDEE. Mit Norbert Grundei

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Drosten: Ja, wir haben sicherlich mit Klaus Cichutek einen Behördenleiter, wie wir ihn in seiner wissenschaftlichen Verankerung in nur sehr wenigen Ländern haben. Klaus ist tatsächlich ein absoluter Experte für dieses Thema.

Hennig: Die Impfperspektive, über die wir jetzt die ganze Zeit geredet haben, die ist sehr unmittelbar verbunden mit der Frage nach diesen Öffnungsszenarien, die immer im Gespräch sind. Und der Blick auf Modellregionen wie Tübingen oder das Saarland zeigt, auch da steigt die Inzidenz leider wieder. Und ein wichtiger Baustein für diese Modellregionen war ja der flächendeckende Einsatz von Schnelltests. Sind die in ihrer Funktion missverstanden worden als Öffnungsinstrument? Oder liegt es daran, dass man ihre Wirkung überschätzt hat? Was würden Sie sagen?

Einsatz von Selbsttests

Drosten: Ich glaube, dass die Wissenschaft da nichts über- oder unterschätzt hat. Ich glaube, dass die Politik im Moment da wieder das Ganze argumentativ einpreist. Also, dass man demnächst testen kann und dabei dann vielleicht auch verloren geht, dass testen nicht gleich testen ist. Es gibt, glaube ich, drei Anwendungsfelder für diese Antigentests, für die Schnelltests. Das eine ist die individuelle Testung beim symptomatischen Patienten. Das ist das Allerbeste. Also wenn jemand Symptome hat und man macht einen Antigen-Schnelltest bei dem oder bei der, dann kann man schon sagen, wenn der Test nicht positiv wird, obwohl Symptome vorliegen, dann ist das was anderes. Es gibt auch andere Erkältungsvirus, die solche Symptome machen. Und ich muss dazusagen, es gibt vielleicht eine neue Information, die ich hier auch mal sagen will, die ich in der Öffentlichkeit so noch nicht gehört habe, obwohl die sich in Fachkreisen so langsam auch verbreitet und durchsetzt. Und zwar: Wir kriegen jetzt immer mehr Erfahrung im täglichen Begleiten von auch frisch-diagnostizierten Patienten. Also wir haben Patienten im Labor, die sagen: Der Antigentest war positiv und jetzt will ich mich PCR-bestätigen lassen. Oder wir haben Patienten, da ist eine PCR-Untersuchung positiv aufgefallen, das sind aber Patienten, zum Beispiel Lehrer, die die auch Antigentests verfügbar haben. Das sind keine häufigen Situationen, aber im Laufe der Zeit, gerade wenn man ein Labor betrachtet, das Testzentren mitversorgt, und wenn man auch ein Labor betrachtet, das beispielsweise große Mitarbeiterbestände sowohl mit Antigentests als auch mit der PCR testet, kommt in letzter Zeit immer mehr der Eindruck auf, das mag sogar ein bisschen mit den Varianten zu tun haben, aber da bin ich mir nicht sicher, ob man das so sagen kann, dass der frühe Gewinn in der Diagnostik durch die Antigentests nicht so groß ist. Damit will ich sagen: Stellen wir uns vor, ich kriege heute Symptome. Heute ist Tag Null bei mir. Es ist Mittag oder Nachmittag und ich gehe erst mal nach Hause, weil ich an die Symptome noch nicht so ganz glaube. Ich fühle mich nicht so und vielleicht kratzt ein bisschen der Hals. Aber ich werde natürlich eine Nacht drüber schlafen und morgen, an Tag Eins, mache ich den Antigentest, der wird positiv sein. Da kann man sich relativ gut drauf verlassen. Wenn ich mich aber heute direkt bei Symptombeginn teste, dann gibt es doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Antigentest noch nicht positiv ist. Also am Tag Null, am Tag des Symptombeginns. Während die PCR, wenn ich sie gemacht hätte, die wäre schon seit zwei, drei Tagen positiv. Das ist relativ klar. Und die wäre gestern und vorgestern schon richtig fett positiv. Denn ich bin seit gestern und vorgestern schon infektiös. Das ist ja der normale Verlauf. Also ich bin ein bis zwei Tage vor Tag Null, vor Symptombeginn schon infektiös und die PCR ist schon richtig fett positiv. Und ich werde eigentlich ab morgen erst im Antigentest positiv. Das ist so meine Auffassung inzwischen von dem Zeitverlauf der Frühphase in den Diagnostiktests.

Hennig: Wir hatten ja eigentlich die Hoffnung aber auch, dass solche Antigen-Schnelltests eben schon kurz vor Symptombeginn zeigen, dass ich infektiös bin. Woran liegt denn das?

Funktion Antigen-Schnelltests

Drosten: Man kann da mechanistisch ein Modell liefern. Es ist nur im Moment relativ schwierig, das schon durch Studiendaten zu untermauern. Es ist ganz schwer, die Patienten so zu selektieren, dass man diesen Frühverlauf der Infektion schon richtig in Studien systematisch erfassen kann. Denn wer lässt sich zufällig an Tag minus Eins testen mit beiden Tests? Wann kommt das mal vor? Das ist das Problem. Selbst wenn das vorkommt: Wer von denen macht dann in einer Studie mit? Wer weiß, dass es überhaupt eine Studie gibt? Darum gibt es diese Daten noch nicht. Die werden in den nächsten Wochen bis Monaten natürlich zusammenkommen, weil jetzt diese blinden Testprogramme ausgerollt werden. Und weil im Frühverlauf immer mehr Patienten auffallen werden. Im Moment ist es so, ich kann das nur aus meiner beruflichen Praxis, aus meiner Handhabung und aus Gesprächen mit Kollegen, die noch viel mehr im Laborleben stehen als ich selbst, ableiten, die mir das immer mehr erzählen, dass es diese Konstellation gibt. Es besteht speziell bei den Antigentesten eine Lücke in der Frühphase der Sensitivität. Wir können uns das natürlich vorstellen, wie das mechanistisch funktioniert. Das Virus repliziert in der Schleimhaut. Diese Schleimhautzellen, die leben, und das Virus repliziert da drin und wird ausgeschieden von diesen lebenden Schleimhautzellen. Irgendwann sterben die Schleimhautzellen. Dann sind diese toten Schleimhautzellen voller Nukleokapsid-Antigen von dem Virus. Und dieses Nukleokapsid-Antigen, das liegt in diesen jetzt gestorbenen Schleimhautzellen im Überschuss vor. Wenn wir einen Abstrich machen, dann landen diese an der Oberfläche befindlichen toten Zellen voller Virus-Antigen an dem Abstrichtupfer vom Antigentest und werden dort getestet. Und das ist es, worauf wir eigentlich testen. Wir testen auf tote Zellen mit einem Überschuss von rumliegendem Virus-Antigen. Während schon zwei, drei Tage vorher die noch lebenden, frisch infizierten Zellen massenweise lebendes Virus rauspumpen, infektiöses Virus. Das passiert einfach vorher. In dieser Phase wird also das Antigen, das eigentlich ein Bauprotein des Virus darstellt, auch in frisch infektiöse Viruspartikel verbaut und bleibt nicht in den Schleimhautzellen liegen. In dieser Frühphase schmeißen wir das als Virus raus. In der späteren Phase bleibt das als Überschuss, als Bauschutt im Prinzip, in diesen abgeschilferten toten Zellen liegen. Und darauf testen wir im Antigentest, so kann man sich das erklären. Das ist alles vollkommen schlüssig. Nur, wie sich das verhält in den Verhältnissen der Tests, muss man von Krankheit zu Krankheit einfach ausprobieren. Und hier in der SARS-2-Infektion haben wir in dieser kleinen Lücke leider auch immer noch eine Ausprobierphase. Und das hat sich vielleicht durch die Virusvarianten auch noch mal anders dargestellt.

Hennig: Die Tests sind ja aber validiert worden, das haben ja auch Sie gemacht in der Charité zum Beispiel mit einer Anzahl Test. Warum konnte man das da noch nicht sehen?

Drosten: Na ja, so eine technische Validierung, die wir gemacht haben beispielsweise, die geht nur mit gelagerten Proben. Die kommen von Patienten, die erst mal PCR-getestet worden sind. Da sind wegen der Diagnostikverzögerung nur ganz, ganz wenige in der Frühphase dabei. Sie müssen sich klarmachen, wir haben ja solche Validierungsstudie, nicht nur wir, auch alle anderen Labore, machen müssen in einer Phase, als es praktisch gar keine Inzidenz gab und als es keine großen Quertestungsprogramme gab per PCR, sondern die Diagnostik zu der Zeit im Wesentlichen symptomgetrieben war. Es kommt immer zu diesen Verzögerungen. Wir sehen die Patienten typischerweise an Symptomtag Eins, Zwei oder erst Drei erstmalig in der PCR, erstmalig im Antigentest, weil es die einzige Probe ist, die früheste Probe, die wir von diesen Patienten haben. Wir kriegen nun mal keine Proben am Tag minus Eins. Die kriegen wir nur, wenn breite Screening-Programme laufen. Also wenn Programme laufen, wo man ohne Kenntnis der Symptome einfach Gruppen von Personen testet. Erste Voraussetzung. Zweite Voraussetzung: Es muss Prävalenz und Inzidenz da sein. Also das Virus muss auch wirklich im Umlauf sein. Also nicht wie am Anfang der zweiten Welle im Oktober, wo solche Studien vor allem gelaufen sind, sondern mitten in der Welle. Da findet man dann solche Patienten. Das wird alles kommen. Diese Daten werden kommen. Aber das ist ein Erkenntnisprozess, der, wenn man diese Tests relativ schnell auf die Straße bringt, erst mal aus der Berufspraxis kommt und dann hinterher mit klinischen Beobachtungsstudien formal belegt wird. Andersrum kann es in der jetzigen schnelllebigen Situation nicht laufen. Das müssen wir einfach anerkennen. Also wir haben diese kleine Sensitivitätslücke am Anfang. Es ist es nach wie vor so, wenn jemand symptomatisch ist, normalerweise ist er dann seit einem Tag symptomatisch, ist der Antigentest ein Supertest. Aber in dieser Screening-Situation werden wir immer auch die ersten ein, zwei oder sogar drei infektiösen Tage im individuellen Patienten übersehen, wenn wir nur mit dem Antigentest testen. Und das bedeutet für die nächsten zwei Szenarien eine wichtige Erkenntnis, also die Individualtestung ist davon gar nicht betroffen. Der symptomatische Patient ist der optimale Testpatient für den Antigentest. Das Screening, denken wir beispielsweise an die Schulen, ist davon auch nur in geringem Maße betroffen. Denn wenn ich 20 Schüler habe und ich teste die alle zweimal in der Woche mit Antigentests, dann mag das schon sein, dass ich in einzelnen Schülern die frische Infektion übersehe. Aber spätestens drei Tage später sind mehrere Schüler in der Klasse schon am mildsymptomatischen Tag Zwei, Drei, Vier. Und dann werden mehrere von denen positiv. Das heißt, in der Detektion von Klassen-Clustern oder anderen Gruppen-Clustern ist das nur ein geringer zeitverzögernde Effekt. Ich denke, dass dennoch auch die Antigenteste gerechtfertigt eingesetzt werden in den Schulen. Aber dass Infektionen übersehen werden durch Antigenteste, ist ja schon anekdotisch wissenschaftlich belegt aus Österreich beispielsweise, aus den Schultestungen dort. Wo man auch PCR mit Antigentest verglichen hat. Da wird gesagt, zwischen 40 und 60 Prozent der tatsächlichen Infektionen werden übersehen. Das ist aber nur auf Klassenebene, auf Cluster-Ebene kein Problem. Man findet das Cluster und in der Schultestung kommt es auf Cluster an.

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Hennig: Aber wenn ich zweimal in der Woche jetzt ins Schnelltest-Center gehe, weil ich der Pandemie-Eindämmung dienen will, auch im Sinne eines Screenings, dann ergibt das nach wie vor Sinn?

Lücken beim Antigentest

Drosten: Es ergibt immer Sinn, wenn das regelmäßig passiert und passieren kann. Nur eine Sache ist eben etwas gefährlich. Das ist das Passporting. Also die Vorstellung an der Kasse zu einem Veranstaltungssaal, an der Pförtnerloge zu einem Behördengebäude oder was auch immer wird ein Antigentest gemacht. Und dann bin ich ja wohl nicht infektiös. Also da ist es so, es ist nicht sinnlos, das zu machen. Es ist ganz klar so, mein infektiöser Verlauf geht von Tag minus Zwei bis Tag plus Fünf bis Sechs. Also man kann sagen, wir haben vielleicht so acht infektiöse Tage, davon liegen wahrscheinlich so zwei vor dem Tag des Symptombeginns. Nur der Antigentest wird erst am Tag nach Symptombeginn wirklich anschlagen. Das heißt, fünf von acht infektiösen Tagen verhindere ich mit dem Antigentest. Drei von acht infektiösen Tagen werde ich übersehen. Und dieser infektiöse Patient, möglicherweise mit beginnenden Gliederschmerzen, möglicherweise mit gar keinen Symptomen, läuft eben dann in dieser Veranstaltung herum und kann andere infizieren, die nicht geimpft sind. Das muss man einfach anerkennen. Rein qualitativ gibt es dieses Phänomen sicherlich, quantitativ in Form von klinischen Studiendaten, also wie hoch ist die Rate der Infektionen, obwohl sich alle getestet haben. Also da werden wir sicherlich noch bis Ende des Jahres darauf warten müssen, bis wir solche wirklich harten klinischen Studiendaten, Beobachtungsstudiendaten dann in der wissenschaftlichen Literatur finden können. Ich kann hier im Moment nur als Experte mit Berufserfahrung sagen: So sieht es leider aus. Diese Gefahren bestehen. Ich kann auch voraussagen, wir werden diese Gefahren später wissenschaftlich aufgearbeitet bekommen. Aber im Moment kann ich nur sagen, es ist nicht alles so simpel, wie das zum Teil in der Politik auch argumentativ verarbeitet wird, so nach dem Motto: Jetzt kann ja alles öffnen, weil wir haben ja jetzt Schnelltests.

Hennig: Jetzt haben wir diese Pflegeheimsituation bei dieser Eingangskontrolle ja nicht mehr so extrem, weil in Alten- und Pflegeheimen schon weitgehend durchgeimpft wurde. Für den individuellen Besuch ist das aber trotzdem noch eine wichtige Information. Wo wir schon immer wussten, dass es keine absolute Verlässlichkeit gibt, aber die ist noch mal eingeschränkter zu betrachten und als Öffnungsinstrument auch mit großen Unwägbarkeiten behaftet. Während wir hier aufgenommen haben, hat das Bundeskabinett seine Beschlüsse gefasst, die jetzt die ganze Zeit im Gespräch waren. Da ging es um das Stichwort Bundesnotbremse. Das betrifft zum Beispiel auch die Schulen. Und ein Beschluss, der da jetzt berücksichtigt wurde, ist tatsächlich der, dass Präsenzunterricht nur mit zwei Corona-Tests pro Woche gestattet werden soll. Bundesweit allerdings. Die Grenze liegt bei 200er-Inzidenz auf sieben Tage gerechnet für den Präsenzunterricht. Ist das vor dem Hintergrund der Tests, wie wir sie gerade besprochen haben, etwas, was im Moment noch viel bewirken kann, wenn die Schule jetzt nach den Ferien wieder losgeht?

Schnelltests in Schulen

Drosten: Ich glaube, dass wir nach den Ferien erst mal eine gute Situation haben werden. Wir haben erst mal eine gewisse Beruhigung gehabt, in dem in den Osterferien doch alle Schülerinnen und Schüler zu Hause waren. Aber man kann sich vielleicht überlegen, eine Inzidenz von 200, das ist natürlich eine Situation, wie wir sie vielleicht in England vor Weihnachten hatten. Da war die Inzidenz wahrscheinlich zeitweise noch höher, direkt vor Weihnachten. Und da haben wir dann in den Schulen vier Prozent momentane Infektionshäufigkeit gehabt. Das heißt, dass im Prinzip in jeder zweiten Klasse eine kleine Fallgruppe sitzt. Das ist natürlich eine Situation, bei der wahrscheinlich es sowieso schwierig wird, einen Schulbetrieb noch aufrechtzuerhalten, wenn man konsequent testet. Ich denke, der Korridor, der da für einen Präsenzbetrieb vorgegeben wird, bis hin zu 200er-Inzidenzen, dass man das abdeckt mit einer Testung, das ist wahrscheinlich der Bereich, wo man mit der Testung realistisch was bewirken kann. Wenn es deutlich drüber geht, dann wird man mit der Testung wahrscheinlich sowieso ständig positive Ergebnisse haben. Das heißt, da braucht man da auch nicht mehr testen. Dann muss man wahrscheinlich wieder schließen. Und der Übergangsbereich zwischen einem vollkommen ungebremsten Präsenzbetrieb und einer Handhabung, dass man immer irgendwo Quarantäne verhängen muss, das wird dieser Korridor sein zwischen 50 und 200. Insofern denke ich, ist das ein guter Anfang. Man muss das aber gegebenenfalls nachjustieren, weil zu viele unbekannte Größen dabei sind. Wir wissen einfach nicht ganz genau, in welcher Art und Weise sich jetzt die Infektionen hat in Deutschland in die Schülerjahrgänge umverteilt. Diese Daten sind nicht präzise vorhanden.

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Grafische Darstellung eines Coronavirus © COLOURBOX Foto: Volodymyr Horbovyy

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Testung in Betrieben

Hennig: Das Kabinett hat auch eine Testpflicht in Unternehmen auf den Weg gebracht. Allerdings mit einem Test pro Woche. Nach dem, was wir gerade gesprochen haben, ist das möglicherweise aber nicht ausreichend. Gerade wenn die Aussagekraft der Schnelltest geringer ist, als man das ursprünglich angenommen hat.

Drosten: Da kann man einfach sagen, je größer die zusammenhängende Gruppe von Leuten ist, die man da einmal die Woche testet, desto sicherer und wahrscheinlicher ist es, dass man ein Cluster entdeckt. Auch da wird man wahrscheinlich nachjustieren müssen, wenn man deutlich kleinere Gruppen hat. Da muss man natürlich das Beispiel der Schule nehmen und sagen, dass die Klassengröße von 20 bis 30, da will man also jetzt zweimal in der Woche testen. Da muss man dazurechnen, an bestimmten Arbeitsstätten wird körperlich gearbeitet, mehr geatmet. Das heißt, da ist höhere Infektionsgefahr. Solche Faktoren muss man mit einfließen lassen. Aber auch da kann man nachjustieren. Ich finde es erst mal ganz besonders wichtig, dass überhaupt eine Testung vorgeschrieben wird. Das ist absolut wichtig und das ist natürlich ein wirksames Werkzeug, auch wenn es bei einem Infizierten nur den größten Teil der infektiösen Tage erkennt. Was dann wichtig ist: dass auf einen positiven Test auch wirklich sofort unverzüglich reagiert wird. Indem man einen positiven Test nicht erst mal zur Disposition stellt und sagt: Mal sehen, ob das stimmt. Jetzt beantragen wir mal eine PCR bei diesen Patienten. Oha, nach zwei Tagen stellen wir fest, das war ja wirklich positiv. Jetzt fangen wir mal an, alle anderen in der Umgebung zu testen, die in Kontakt waren und stellen fest, da sind jetzt auch Positive dabei. Bis dahin ist eine Woche vergangen und man hat ein laufendes Cluster nicht kontrolliert. Was man machen muss, ist, bei dem ersten positiven Fall gleich die Annahme treffen, hier liegt ein Cluster vor und Isolationsmaßnahmen oder Quarantänemaßnahmen verhängen. Das wird die Schwierigkeit sein, hier die Stringenz zu wahren.

Hennig: In dieser Bundesnotbremse sind verschiedene Sachen beschlossen worden, die wir in den vergangenen Tagen auch schon gehört haben. Also private Zusammenkünfte bleiben beschränkt auf einen Haushalt plus eine weitere Person. Es gibt eine nächtliche Ausgangssperre, bei einer höheren Inzidenz von 100. Und auch Geschäfte und Kultur und Freizeiteinrichtungen müssen bei einer Inzidenz von 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen geschlossen bleiben. Das ist aber nicht das, was die Intensivmediziner meinten, als sie von einem rigorosen Lockdown gesprochen haben. Oder?

Drosten: Nein, das ist das auf keinen Fall. Ich denke, dass man anhand der sich jetzt einstellenden Situation in den Krankenhäusern auch noch mal anders reagieren muss. Das ist im Moment einfach meine Erwartung. Dennoch sind ja solche Beschlüsse, die jetzt gefasst werden, auch länger tragfähig. Man muss auch vorwärts denken, vorausschauend denken. Und da gibt es einfach immer so eine Rückfallbasis. Wenn die jetzt mal so beschlossen ist, dann kann man sich daran erst mal festhalten. Aber sicherlich muss man in allernächster Zeit da auch noch mal anders reagieren. Ich erwarte jetzt nicht ohne Weiteres, dass man damit die Situation in der Intensivmedizin kontrollieren kann.

Hennig: Das heißt, es ist ein erster Schritt, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange, sagen Sie.

Drosten: Wahrscheinlich muss man auch kurzfristigere Reaktionen noch machen.

Hennig: Wir haben noch ein virologisches, oder besser gesagt ein immunologisches Thema zum Schluss. Beim Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus geht es um die Bildung von Antikörpern, aber auch nachhaltig um die zelluläre Immunantwort. Und da gibt es nach und nach in der Forschung immer mehr Erkenntnisse. Zur Rolle der T-Zellen, die ein Teil des Immungedächtnisses sind, gibt es jetzt auch ein Preprint aus der Charité, Herr Drosten, daran waren Sie auch beteiligt in der Virologie. Jetzt muss man dazusagen, normalerweise ist das nicht wissenschaftsjournalistische Praxis, eine noch nicht von anderen Forschern begutachtete Studie sich von einem der Autoren erklären zu lassen. Die Pandemie hat aber so ein bisschen die Vorgaben und das Tempo, wie wir Dinge besprechen, natürlich verändert. Aber ich schicke hier vorweg als wichtigen Claim: Diese Studie hat noch nicht das Peer-Review-Verfahren durchlaufen. Trotzdem können wir hier vielleicht unter Vorbehalt darüber sprechen, gerade weil Sie uns das erklären können, was Sie da genau gemacht haben. Es geht um Kreuzreaktivität in der Studie, die eine Erklärung dafür liefern könnte, warum geschätzt ein Fünftel der Infizierten keine oder nur sehr schwache Symptome entwickelt bei einer Coronavirus-Infektion? Und möglicherweise auch für die hohe Wirksamkeit der Impfstoffe, schon nach der ersten Dosis. Es geht einmal mehr um die Frage nach dem Immungedächtnis durch eine Infektion mit anderen Coronaviren. Da haben Sie sich den Mechanismus angeguckt, der hinter der Reaktion der T-Zellen auf das SARS-2-Virus steckt. Vielleicht können Sie uns das Paper ein bisschen näherbringen. Es geht um CD4-Zellen, T-Gedächtniszellen.

Bildung von Antikörpern und Immunantwort

Drosten: Ja, genau. Es geht um T-Zellen. Das ist eine Studie, bei der unser Institut einen erheblichen Teil beigetragen hat. Allerdings war unser Teil daran eher, sicherzustellen, dass ein Patient, der in die Studie reinkommt, gut charakterisiert wird. Dass man sicher sagen kann, ob der jetzt wirklich SARS-2 hatte, wie lange das her ist, ob und in welcher Art er oder sie auch vorher Kontakt beispielsweise mit anderen Coronaviren hatte. Also diese generelle Sicherstellung der untersuchten Patienten. Die Gruppe von Andreas Thiel, also eine Spezialgruppe im Bereich der Immunologie, die hat eigentlich die Kernarbeit gemacht. Also was hier gefragt wurde, ist: Gibt es eigentlich einen Schutzeffekt durch eine vorherige Infektion mit einem Erkältungs-Coronavirus? Wir haben ja vier Stück davon, vier Erkältungs-Coronaviren, die zirkulieren in der Bevölkerung. Jeder von uns hat die schon gehabt. Und nützt es uns eigentlich was, wenn wir die für den Schutz gegen SARS-2 vorher mal gehabt haben? Also das ist eine Studie, die vergleicht wie die T-Zell-Reaktivitäten, und ich sage Reaktivitäten, nicht T-Tell-Schutz, das wissen wir nicht, ob das alles wirklich einen Schutz ist, wie die T-Zell-Reaktivitäten sich zwischen nicht Exponierten unterscheiden, also solchen, die das SARS-2-Virus bis jetzt nicht getroffen haben und SARS-2-Genesenen. Es sind hier jeweils um die 60 Patienten, die am Anfang der Studie miteinander verglichen werden. Zum Teil sind das in anderen Untergruppen dann sogar noch mehr Patienten. Ich will hier ein bisschen abkürzen, denn sonst wird das hier ein sehr langer Abschnitt des Podcasts werden. Das ist also eine komplexe, große Studie. Man macht zunächst mal ein Eingangsbefund, wo man sieht: Es gibt keine wesentliche Kreuzreaktivität gegen die Erkältungs-Coronaviren, wenn man SARS-2 hinter sich hat. Das ist einfach nicht so. Und es ist auch nicht so bei beim ersten Hinschauen, dass man bei Nicht-Exponierten eine große Reaktivität gegen das SARS-2Virus findet. Wenn man dann aber genauer schaut, dann sieht man, dass bei Patienten, die dieses SARS-2-Virus noch gar nicht hinter sich haben, dennoch an einem bestimmten Teil, und das ist der S2-Teil des SARS-2 Oberflächenproteins, des Spike-Proteins, also der Teil, der eigentlich die Stelze dieses Glykoproteins darstellt, eine Reaktivität besteht der T-Zellen.

Hennig: Also der Stiel dieses lolly-förmigen Proteins.

Drosten: Genau, da scheint es also eine Stelle zu geben, die dann im Rahmen der Studie eingegrenzt wird. Und diese Stelle, die zeigt zunächst ein Anfangssignal. Wenn man dann genauer hinschaut, also wenn man Patienten nimmt, bei denen man dieses Anfangssignal schon gesehen hat, und denen die T-Zellen aus dem Blut rausnimmt und die in Reinform bringt, dann sieht man, dieses Signal wird immer deutlicher. Wir können diese T-Zellen aus den Patienten isolieren. Und wenn wir diese isolierten T-Zellen jetzt mit Untereinheiten dieses S2-Proteins zusammenbringen, dann sehen wir, es stellt sich eine Reaktivität ein gegen ganz bestimmte Einheiten. Dieses S2-Teils, nicht des S1-Teils wohlgemerkt, sondern des S2-Teils. Das ist eigentlich der Teil, der für die Immunreaktion gar nicht so wichtig ist, wo das Immunsystem nicht so drauflosgeht. Also nicht die rezeptorbindende Domäne, sondern nur so eine Baudomäne von dem Spike-Protein. Da finden wir aber für einen ganz umschriebenen Bereich einen kleinen Abschnitt, gegen den T-Zellen von einer ganzen Gruppe Patienten reagiert, obwohl sie dieses SARS-2-Virus noch nie gekannt haben, dem noch nie begegnet sind.

Hennig: Also denen, die keine Infektion durchgemacht haben.

Drosten: Richtig. Die haben eben doch Zeichen für erfahrene T-Zellen, Antigen-erfahrene T-Zellen. Deren T-Zellen haben mit einem Antigen Kontakt gehabt, das in dem SARS-CoV-2 vorkommt. Man kann eine Gegenkontrolle machen. Alle, also sowohl die Unexponierten als auch die Genesenen haben erfahrene T-Zellen gegen allgemeine Pathogene, also Influenzavirus, Adenoviren, CMV, was landläufig in der Bevölkerung vorkommt. Da haben wir alle das gleiche Level von erfahrenen T-Zellen in der Studie, egal ob unexponiert oder genesen. Die Genesenen selbst, die haben auch erfahrene T-Zellen gegen die S1-Domäne. Und das ist ja die, wo es eben wirklich darauf ankommt. Also da findet auch die Rezeptorbindung statt. Und dagegen haben aber die nicht-exponierten Patienten keine erfahrenen T-Zellen.

Hennig: Das heißt, es gibt das allgemeine Immungedächtnis, weil das Immunsystem ja immer dazulernt und dass das konkret dazulernt, weil es mit SARS-2 schon zu tun gehabt hat, kann man übersetzt sagen?

Das Immunsystem lernt, altert aber auch

Drosten: Bei den Genesenen, genau. Das haben die Genesenen noch zusätzlich dazugelernt. Es gibt hier einen interessanten Befund. Und zwar diese Häufigkeit von erfahrenen T-Zellen und auch die Aktivität dieser erfahrenen T-Zellen, die nimmt mit dem Alter ein bisschen ab. Das ist einfach das Altern des Immunsystems. Während wir schon unser Leben lang immer wieder Kontakt mit diesen Coronaviren haben, wird es mit der Stringenz unserer Immunantwort mit dem Alter schlechter, also mit Affinität unserer T-Zellen. Das haben wir in der Vergangenheit schon mal an Hand von einem anderen Paper besprochen, aus der Gruppe von Alexander Scheffold. Das wird damit erklärt, dass wir eine gewisse Immunalterung haben. Unsere Lernfähigkeit bei den T-Zellen wird mit der Zeit etwas erschöpft. Und auch die Reaktionszeit-Verschiedenheit der T-Zellen nimmt ab.

Jetzt nimmt man diese SARS-Coronavirus-2-reaktiven T-Zellen von fünf exponierten Spendern. Also man nimmt Personen, die SARS-2 nie hatten, und testet deren T-Zellen und sieht: Aha, diese hier, die reagieren kreuz. Und die wollen wir uns mal greifen. Das sind also Patienten, die haben eine ganz schöne, gut sichtbare Kreuzreaktivität von vornherein. Jetzt bringt man nach einer Kurzkultur diese isolierten T-Zellen mit Peptiden zusammen, die die Sequenz der S2-Domäne des Spike-Proteins abbilden. Das macht man für eine feinere Lokalisation, für ein Finden des sogenannten Epitope, also der erkannten Stelle. Man fragt, welche Stelle genau in S2 wird denn jetzt von den T-Zellen erkannt, die hier kreuzreagieren. Es gibt zwei solcher Peptide, die liegen direkt nebeneinander auf der Sequenz und überlappen sich. Und es ist wohl der Überlappungsbereich, der hier stimuliert wird. Von der Vorstellung, das sind also so Peptide von zwölf bis 15 Aminosäurenlängen, die hier für so eine Stimulation notwendig sind. So, jetzt können wir mit diesem Peptid einen Test machen. Wir finden T-Zell-Reaktivität und wir vergleichen wieder bei Genesenen und Nicht-Exponierten, also Leuten, die das Virus nicht gekannt haben, und machen einen T-Zell-Reaktivitätstest gegen dieses jetzt gefundene Kern-Peptid, das wir identifiziert haben als das wahrscheinliche Epitop im S2, das kreuzerkannt wird von T-Zellen, zwischen den einzelnen Coronaviren kreuzerkannt wird. Und wir finden bei 22 Genesenen in der Hälfte davon so eine Kreuzreaktivität. Das heißt, nicht alle Genesenen haben eine Aktivität. Also es ist nicht so, dass jeder Genesene gegen dieses Epitop reagiert. Das ist ja jetzt nicht ein äußerst immundominantes Epitop zum Beispiel in der Rezeptorbindungsdomäne. Wo wir also wissen, da kommt es wirklich für die Immunelemination drauf an, wenn man genesen ist, dann muss man dagegen auch reagiert haben. Hier haben wir eher einen Nebenschauplatz der Immunologie, der bei manchen Genesenen sicherlich mitreagiert hat, aber gleichzeitig wahrscheinlich nicht der Grund war oder der alleinige, dominierende Grund für die Elimination des Virus bei diesen Genesen. Und dann sieht man, bei 48 nicht Exponierten findet man immerhin in 20 Prozent auch eine Reaktivität.

Hennig: Kann man da einen Zusammenhang sehen mit der Immunantwort auf eine SARS-2-Infektion? Oder zumindest eine Korrelation, also wenn der Organismus sich besonders gut gegen SARS-2 wehren kann, konnte man dann auch diese T-Zell-Reaktion besonders gut beobachten, die offenbar durch eine zurückliegende Infektion mit einem anderen Coronavirus angeschoben wird?

Erkenntnisse zu reaktiven T-Zellen

Drosten: Wenn man 17 relativ frische Infektionsfälle nimmt, also 17 Leute, die man in ihrer frischen SARS-Infektion beobachten konnte und wo man auch frühe Proben hat, wo man praktisch am Tag oder am Tag danach beim Symptombeginn gleich Blut abnehmen kann und T-Zellen präparieren kann, Antikörper testen kann, also so wirklich den ganzen Infektionsverlauf verfolgen kann und jetzt dabei auch auf die Reaktivität gegen dieses gefundene Kern-Peptid, also gegen dieses Epitop in S2, testet, dann findet man bei zehn von 17 Infektionsfällen, die man verfolgen kann, dass die reaktiven T-Zellen gegen dieses Kern-Peptid ganz stark zunehmen. Also wieder so eine Rate, etwas mehr als die Hälfte der Patienten haben eine sehr starke Zunahme an reaktiven T-Zellen. Man findet etwas anderes, was noch interessanter ist, nämlich Antikörper. Also bei diesen Patienten findet man nicht nur T-Zellen, sondern auch Antikörper gegen dieses Peptid und die sind auch schon sehr früh da. Die sind schon nach Tag Drei bis Neun nach der Infektion da. Das ist eigentlich für eine primäre Bildung von Antikörpern zu früh. Das dauert normalerweise deutlich über zwei Wochen. Dieses frühe Vorhandensein von Antikörpern sagt uns, dass das wirklich ein valides Epitop ist, dass diese Patienten, diese zehn von 17 Patienten schon vorher gekannt haben, bevor sie sich ihre SARS-2-Infektion erstmalig geholt haben, müssen sie das schon von zurückliegenden Coronavirus-Infektionen, Erkältungs-Infektionen gekannt haben, dieses eine Epitop. Auch kann man sagen, wenn man die Patienten unterteilt in solche, die sehr starke ELIZA-Reaktionen haben, also sehr starke, ganz normale Antikörperreaktionen gegen das SARS-2-Virus und das jetzt in einer ganz anderen Domäne, in S1, also in dem wichtigen Teil von Spike, wenn man da jetzt schaut, solche Patienten, die eine sehr starke ELIZA-Reaktivität haben, und solche, die eine eher schwache Reaktivität haben, dann ist das korreliert. Dann findet man eben bei denjenigen, die eine besonders gute Reaktivität gegen dieses vorbekannte Epitop haben, auch dann eine besonders gute S1-Reaktivität. Also wenn man am Anfang schon so S2-spezifische T-Zellen hatte, dann macht man offenbar auch eine bessere Immunreaktion.

Hennig: Und wenn man Geimpfte anschaut?

Drosten: Dann sieht man auch da, diejenigen, die ganz besonders gut gegen dieses S2-Peptid reagieren, da sieht man auch eine bessere Impfreaktion. Und man sieht sogar, unter der Impfung werden sogar Antikörper gegen dieses S2-Peptid gebildet. Denn in dem Impfstoff ist ja das ganze Spike-Protein drin. Und da kommt es also zu einer sehr frühen Re-Stimulation. Ich sage wirklich jetzt Re-Stimulation mit der Vorsilbe „Re“, weil es eben offensichtlich so ist, dass da schon ein T-Zell-Epitop vorbekannt war, das auch in der Vakzine vorkommt.

Hennig: Also Kreuzreaktivität, weil man schon mit anderen Coronaviren Kontakt hatte, könnte mit dem hohen Teil asymptomatischer Infizierter zusammenhängen. Also womöglich günstig für den Infektionsverlauf.

Drosten: Ich denke, man muss es so sagen: In der Bevölkerung gibt es einen gewissen Anteil - anhand einer sehr kleinen Unterstudie hier in der Studie, könnte man so mit 20 Prozent schätzen, aber das müssen natürlich zukünftige Studien dann erst beantworten, wie groß dieser Anteil wirklich ist. Aber es gibt so einen Anteil, sagen wir mal über den Daumen gepeilt von 20 Prozent in der Bevölkerung, die haben solche kreuzreaktiven T-Zellen. Also bei denen gibt es eine gewisse vorbestehende Gedächtnisfunktion von T-Zellen gegen ein Virus, das sie eigentlich noch gar nicht gesehen haben, nämlich gegen SARS-2. Wir haben beispielsweise die Beobachtung, dass ungefähr 20 Prozent aller Erwachsenen einen milden bis asymptomatischen Verlauf haben. Da sind die Grenzen fließend. Entweder so mild, dass man es nicht ernst nimmt und bei einer Befragung sagt: Ich hatte keine Symptome. Oder man hat wirklich keine Symptome gehabt. Dieser Anteil wird in immer wiederkehrenden Studienergebnissen mit 20 Prozent geschätzt. Jetzt haben wir hier ausgerechnet: 20 Prozent in der Bevölkerung, die diese kreuzreaktiven T-Zellen haben. Könnte sein, dass es da eine gewisse Verbindung gibt. Ich will aber nicht sagen, dass das ursächlich ist. Das würde viel zu weit gehen. Das würde nämlich wirklich implizieren, dass da ein Schutz vorliegt.

Was aber auch noch eine interessante Beobachtung ist, ist, wir haben gerade schon gesagt, diese Kreuzreaktivität nimmt mit dem Alter ab. Diese kreuzreaktiven T-Zellen, die kommen seltener vor, je älter die Probanden waren in der Studie. Und es ist ja auch in der Bevölkerung so, dass wir mit zunehmendem Alter schwerere Verläufe haben. Auch eine geringfügig höhere Viruslast haben bei den älteren, sehr alten Patienten gerade, und dass auch die Immunantwort schwächer ausfällt und auch ein bisschen länger auf sich warten lässt. Also alles das geht ein bisschen hiermit einher.

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Kein Nestschutz gegen SARS-2 für Neugeborene

Es gibt sogar noch eine interessante Beobachtung bei Kindern. Bei Kindern, gerade bei jungen Kindern haben wir ganz, ganz milde, fast immer asymptomatisch Verläufe bei SARS-2, während die Neugeborenen anscheinend nicht so gut gegen eine SARS-2-Infektionen geschützt sind. Während wir einen Nestschutz bei allen möglichen Infektionserkrankungen haben, das kommt über Antikörper von der Mutter, über die Plazenta und auch ein bisschen über die Muttermilch, übrigens sind unsere Neugeborenen im ersten Lebensjahr gegen viele Infektionserkrankungen geschützt, haben wir die Beobachtung, dass neugeborene Kinder gegen SARS-2 nicht gut geschützt sind. Ab dem ersten Lebensjahr ist das dann viel besser. Da geht es plötzlich los, dass die Verläufe asymptomatisch sind. Wir haben in diesem Muster, die Durchseuchung mit den Coronaviren, also die kleinen Kinder ab dem ersten Lebensjahr kriegen Coronavirus-Infektionen. Vorher sind sie geschützt. Und vielleicht bauen sie da ihre kreuzschützende T-Zell-Antwort auf. Das mag schon sein, das ist aber jetzt alles nicht bewiesen. Das sind alles interessante Forschungslinien, denen man hinterher gehen muss. Und ich glaube, das ist jetzt ganz wichtig zu wissen, dass wir vielleicht aus diesem Grunde hier bei den Jüngeren eine gute Situation haben. Und dass vielleicht dieses alte Krankheitsprofil bei SARS-2 sich dadurch mit erklärt, dass wir eben doch diese kreuzreaktiven T-Zellen haben. Wir haben aber eine Situation, die überhaupt noch nicht vergleichbar ist mit unserem Wissensstand, beispielsweise bei Influenza.

Hennig: Wo man sagen kann, man kann schon von Kreuzschutz tatsächlich sprechen, weil Sie genau diese Unterscheidung gemacht haben.

Drosten: Genau. Bei der Influenza wissen wir natürlich viel mehr. Hier ist eben wichtig, sich klarzumachen, wie die Kreuzreaktivität und der Kreuzschutz bei Influenza aussehen, vor allem im Übergang von einem endemischen Virus. Da zirkulieren manchmal sogar mehr als ein endemisches Virus. Und dann ein pandemisches Virus, das als neues Virus daherkommt, da ist immer die Frage, wie neu ist denn so ein pandemisches Influenzavirus? Das muss man natürlich im Prinzip für jedes Pandemie-Virus wieder neu beantworten. Aber man kann da ein paar generelle Wissensstände schon berichten, die uns helfen, das Ganze einzuordnen. Und zwar ist es hier so: Wir haben bei der Influenza nicht nur bekannte CD4-Zell-Epitope, sondern auch CD8-T-Zell-Epitope. Das sind also die wirklich effektiven, schützenden Epitope. Das sind die zytotoxischen T-Lymphozyten, die also wirklich virusbefallene Zellen abräumen und definitiv Influenzavirus stark kontrollieren, wenn die vorliegen.

Hennig: Wir haben das schon mal vereinfacht, glaube ich, formuliert als Helferzellen und Killerzellen. Kann man das so sagen?

Drosten: Ja, genau. Das wären hier die Killerzellen. Und diese Epitope, die liegen vor beispielsweise in bestimmten konservierten Domänen im Stilbereich des Hauptoberflächen-Proteins, des Hämagglutinins bei Influenza. Das sind wirklich konservierte Domänen, die sind auch zu erwarten in einem kommenden pandemischen Virus. Und dann haben wir auch solche Domänen, solche Epitope in anderen Proteinen des Influenzavirus, vor allem Matrix-Protein, aber auch das andere Oberflächenprotein, das manchmal im Fall eines neuen pandemischen Virus noch nicht einmal ausgetauscht wird, das also vom alten Virus behalten wird. Auch bei Matrix-Proteinen und auch bei anderen inneren Strukturproteinen des Virus, das muss man wissen, ist es so, dass bei einem pandemischen Virus nicht immer ein vollständiger Austausch erfolgt, sondern diese pandemischen Influenzaviren speisen sich aus einem gemeinsamen Genpool, der zwischen Schweinen und Menschen existiert. Manchmal kommt ein neues pandemisches Virus mit einer alten inneren Proteinausstattung daher. Und all den reaktiven, schon dem Immunsystem der Bevölkerung bekannten T-Zell-Epitopen, die da noch Rolle spielen. Und das sind dann CD8-Epitope. Dazu kommt noch, wir wissen bei Influenza, es gibt sogar auch kreuzreaktive Antikörper, die eine Schutzwirkung haben. Also das sind sehr belastbare Daten. Und wir können eben sagen, bei Influenza gibt es, wenn ein pandemisches Virus kommt, immer eine sehr gute Wahrscheinlichkeit, dass die Bevölkerung in Wirklichkeit schon einen Hintergrundschutz von den bis dato zirkulierenden endemischen Viren hat.

Hintergrundschutz bei Influenza, aber nicht bei SARS-2

Und hier bei SARS-2 haben wir eine ganz andere Situation. Man mag jetzt, wenn man diese Arbeit hier bespricht, "Hurra" schreien und sagen: Es gibt ein kreuzreaktives T-Zell-Epitop. Aber als jemand, der mit ein bisschen allgemeiner Kenntnis über Influenza sich das Ganze betrachtet, würde ich sagen: "Oh, es gibt nur ein einziges. Das ist nicht gut, das ist echt wenig. Also, das hätte ich nicht gedacht. Ich hätte gedacht, es gäbe mehr." Wobei als Corona-Virologe würde ich dann auch wieder sagen: Nö, finde ich auch wieder gar nicht so unwahrscheinlich, weil die Erkältungs-Coronaviren nicht so nah verwandt mit SARS-2 sind, wie die einzelnen Influenzaviren untereinander verwandt sind, die sind sowieso schon näher miteinander verwandt. Das kann man alles zusammenmischen. Ich hätte mir mehr gewünscht. Und insgesamt sagt mir das nur, was ich die ganze Zeit auch schon anhand von anderen Daten erahnt habe, nämlich dass dieses Virus einfach ziemlich einzigartig und neu ist für den Menschen. Und dass wir deswegen alle relativ ungeschützt sind dagegen.

Hennig: Das heißt, das T-Zell-Gedächtnis hat im Fall von Influenza, weil sich die Viren aus einem gemeinsamen Genpool bedienen und sich ähnlicher sind, mehr Möglichkeiten anzugreifen, während es bei SARS-2 aus diesem Immungedächtnis heraus nur so ein kleiner Molekülabschnitt ist.

Drosten: Ja, so kann man es sagen. Das hat eine wichtige Konsequenz für die Pandemiekontrolle. Während man eben klassischerweise mit epidemiologischem Lehrbuchwissen oder Erfahrung von vergangenen Pandemien sagen kann, eine Mitigierungsstrategie, also eine Abschwächungsstrategie bei einer kommenden Pandemie ist dann so zu formulieren, dass man sagt: Die Risikogruppen schützt man. Ansonsten überlässt man das Virus dem wohl bestehenden Immungedächtnis in der allgemeinen Bevölkerung und sagt, die werden schon nicht so schwere Verläufe haben. Alle hatten schon mal Kontakt mit anderen Influenzaviren. Und jetzt lässt man es durchlaufen. Also letztendlich, was hinterher gewissen Überlegungen zur Erreichung von Herdenimmunität steht. Das kann man eben nicht so einfach übertragen von Influenza. Also Pandemie ist nicht Pandemie. Wir haben hier keine Influenza-Pandemie vor uns, sondern wir haben eine ganz spezielle Pandemie, auf die die klassische Lehrbucherfahrung in der praktischen Epidemiologie einfach keine Erfahrungstatbestände vorzuweisen hat. Und deswegen ist es einfach vollkommen voreilig, hier für eine Durchseuchung zu argumentieren.

Hennig: Da sind wir bei dem berühmten Grippe-Vergleich und der Frage, warum Epidemiologen, die sich sehr gut mit Influenza auskennen, möglicherweise nur begrenzt was über SARS-2 sagen können. Ich habe jetzt schon mal kurz darüber nachgedacht, wie das mit Impfstoffen denn dann aussieht in diesem Vergleich, wo wir ihn jetzt doch mal aufmachen, den Influenza Vergleich. Gegen Influenza wird ja viel mit Totimpfstoffen geimpft. Das war ja auch eine große Hoffnung bei SARS-2, vor allem für so Länder des globalen Südens, weil Totimpfstoffe einfach herzustellen sind, einfach in der Logistik, im Transport. Nun ist auch gerade die chinesische Impfstoffentwicklung ein bisschen in der Debatte. Da geht es um Totimpfstoffe. Welche Rolle können die denn vor diesem Hintergrund der Erkenntnis spielen bei SARS-2 noch?

Totimpfstoff weniger wirksam

Drosten: Ja, das ist interessant. Also da gab es gerade in den letzten Tagen sogar Pressemeldungen, dass George Gao, also der Leiter des Chinas CDC, wohl auf einer Konferenz gesagt hat, dass einige der chinesischen Impfstoffe, und damit meint er sicherlich die Totimpfstoffe - in China sind drei oder vier verschiedene hergestellt worden - die werden ja auch weit verwendet, also beispielsweise in der Türkei und vielen anderen Ländern außerhalb von Europa. Die sind aber weniger wirksam. Also die haben Wirksamkeiten im Bereich von 50 Prozent und nicht im Bereich von 70 Prozent, also 50 Prozent gegen die klinisch-offensichtlichen Verläufe. Das ist natürlich wenig. Das ist etwas, wo man dann sagen muss, das müsste wahrscheinlich kombiniert werden mit anderen Vakzinen als Zweitdosis. Das hat der George Gao gesagt. Das erklärt sich aus diesem Hintergrund. Also Influenzaimpfung funktioniert ja ganz ähnlich. Das sind ja auch die sogenannten Spaltimpfstoffe. Da wird also Virus im Hühnerei gezüchtet und mit chemischen Substanzen inaktiviert. Und diese Virusteile, also dieses inaktivierte tote Virus, das wird dann verimpft. Und die Reaktivität auf diese Totimpfstoffe reicht auf Bevölkerungsebene eigentlich meistens bei Influenza aus. Das liegt unter anderem daran, dass wir da eine gewisse Hintergrundimmunität haben. Selbst bei einem pandemischen Influenza-Virus kann man auf solche Spaltimpfstoffe setzen. Da gibt es also Belege dafür, dass das funktioniert. Während man jetzt eben bei SARS-2sieht, das scheint nicht so gut zu funktionieren. Zumindest scheint es nicht so hohe Wirksamkeit zu haben. Und das ist natürlich damit auch erklärbar, dass wir hier eben weniger Hintergrundkenntnis, Hintergrundgedächtnis in unserem zellulären Immunsystem gegen verwandte Viren haben. Es gibt nun mal keine so richtig verwandten Viren. Unsere Erkältungs-Coronaviren sind nicht nahe genug verwandt mit SARS-2, um diesen zusätzlichen Pusch, diesen Unterstützungseffekt für einen einfachen Totimpfstoff zu liefern.

Hennig: Das liegt daran, weil der ein sehr einfaches Prinzip hat, weil der sehr pauschal gegen diversifizierte Viren vorgeht? Oder wie genau kann man das erklären?

Drosten: Der Totimpfstoff hat alle Proteine des Virus vorliegen. Auch diejenigen, die nicht so wichtig für die Immunreaktion sind. Das heißt, das Immunsystem wird da auch ein bisschen abgelenkt. Dann ist es aber auch vor allem so, das ist keine Virusreplikation, das heißt, die Stimulation der Immunreaktion funktioniert hier nicht gut. Da wird ja einfach nur Protein injiziert und man muss Adjuvantien dazutun, also Reizstoffe.

Hennig: Impfverstärker.

Drosten: Ja, Impfverstärker kann man auch sagen, die Immunzellen anlocken, die aber nicht eine Immunreaktion machen, die so ist wie bei einer natürlichen Infektion, sondern eher so wie bei einer Entzündung. Das ist ein Unterschied, sodass man also eine etwas, ich will nicht sagen fehlgeleitete Immunreaktion, aber eine andersartige Immunreaktion bei diesen Totimpfstoffen hat. Wenn da ein spezifisch gereiftes Immungedächtnis vorliegt, dann wird sicherlich diese Reaktionsrichtung des Immunsystems durch diese Gedächtnis-T-Zellen in die richtige Richtung geleitet, obwohl man nur so einen Totimpfstoff verabreicht hat. Wenn jemand komplett naiv ist, also kein vorbestehendes Immungedächtnis bei den T-Helferzellen hat, dann wird wohl die Immunreaktion, auch eher in eine nicht so optimale Ausprägungsform gehen und auch nicht stark genug ausfallen. Also so kann man sich vielleicht erklären. Ich glaube, echte Experten, die raufen sich jetzt schon die Haare, wenn sie zuhören. Hoffentlich hören sie nicht zu. Aber ich sage das jetzt einfach mal so.

Hennig: Dafür verstehen wir Laien es dann besser. Das heißt aber, dann muss man möglicherweise auch noch mal neu über die globale Impfstoffverteilung nachdenken, denn die setzt ja auch auf Totimpfstoffe.

Drosten: Ich glaube, die globale Impfstoffverteilung setzt auf alle Impfstoffe, die verfügbar sind. Natürlich ist ein Totimpfstoff viel besser als kein Impfstoff. Und auch bei 50 Prozent Effektivität gegen einen klinischen Verlauf ist das etwas, das man nicht missen möchte. Dann setzt die globale Strategie aber schon auch sehr stark beispielsweise auf Adenovirus-basierte Vakzinen. Und ein Thema, das man auch mal ansprechen muss. Es ist natürlich so, es gibt eine große Ungerechtigkeit. Also ich glaube, 75 Prozent aller verfügbaren Impfstoffe werden im Moment von einer ganz kleinen Gruppe von Ländern verbraucht. Man möchte natürlich an alle Länder des globalen Südens auch Impfstoffversorgung gewährleisten. Da gibt es laufende Programme, das wird kritisiert, dass das halb halbherzig läuft. Ich würde mich qualitativ auch dieser Kritik anschließen. Ich glaube, alles andere wäre eine falsche Sichtweise oder eine Sichtweise, die die Realität verkennt.

Zu der Realität gehört aber natürlich auch dazu, dass das Altersprofil in vielen Ländern des globalen Südens anders als in Industrieländern gelagert ist. Gerade wir in Deutschland, wir sind eine der ältesten Bevölkerungen überhaupt, müssen natürlich auf die Vakzinierung der Bevölkerung ganz anders achtgeben als andere Bevölkerungen. Da gibt es große Unterschiede, selbst zwischen uns und den USA. Selbst in den USA ist das Bevölkerungsprofil deutlich jünger und die Betonung auf die Vakzinierung als Strategie gegen die Pandemie kann in den USA etwas geringfügiger ausfallen als bei uns. Man darf das nicht alles über einen Kamm scheren. Genauso muss man sich bei allem Bedauern über dieses schlechte Funktionieren der internationalen Impfstoffversorgung immer klarmachen, dass viele Länder des globalen Südens sehr, sehr junge Bevölkerungen haben und sicherlich in wesentlichen Teilen aus diesem Grund auch bis jetzt keine sehr schwere Situation mit SARS-2 erlebt haben. Das kann aber sich auch alles ändern. Ich denke, man muss dafür sorgen, auch bei einem jüngeren Altersprofil, dass Impfstoffkontingente bereitgestellt werden. Ich will nur ein Beispiel sagen: Indien. Auch in Indien ist ein sehr junges Bevölkerungsprofil. Wir haben dennoch eine zunehmend schwierige Situation, gerade im westlichen Teil von Indien, wahrscheinlich auch in Verbindung mit einer Immunescape-Variante. Wir hatten in Indien schon eine sehr starke Durchinfektion. Und jetzt plötzlich sehen wir doch auf einmal sehr schwere Fälle bei Jungen, die zum Teil nachinfiziert werden, zum Teil zweitinfiziert werden, sehr hohe Sterblichkeitsraten. Also man darf das nicht vernachlässigen, dass eben auch Länder des globalen Südens Impfstoff brauchen.

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NDR Info | Das Coronavirus-Update von NDR Info | 13.04.2021 | 17:00 Uhr

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Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?