(112) Coronavirus-Update: Das Virus ist noch nicht fertig mit uns
In der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update erklärt die Virologin Sandra Ciesek, warum sie ein Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen für falsch hält.
Auch wenn das Coronavirus und seine Folgen angesichts des Krieges in der Ukraine in den Nachrichten nicht mehr an erster Stelle stehen, die Pandemie ist trotzdem noch da. Und als wenn es im Moment nicht schon genug schlechte Nachrichten geben würde, steigen die Infektionszahlen in Deutschland vielerorts wieder an. Die bundesweite Sieben-Tage Inzidenz hat heute einen neuen Höchstwert erreicht. Wie geht das zusammen - Inzidenzhöchstwerte und Lockerungspläne? Ob wir trotzdem auf einen entspannten Pandemie-Sommer hoffen können, darüber spricht Wissenschaftsredakteurin Beke Schulmann in Folge 112 des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update mit der Virologin Sandra Ciesek.
Die zentralen Themen der Folge im Überblick - per Klick direkt zur Textstelle springen
Gründe für Rekordwerte bei Neuinfektionen - Mehr Kontakte und BA.2
Sinkende Zahlen in Dänemark trotz BA.2
Geringe Nachfrage nach Novavax-Impfstoff
Müssen wir mit einer Sommerwelle rechnen?
Andere Mittel im Kampf gegen die Pandemie
Ankommende Geflüchtete vor Infektionen schützen
Neue Mutation im Spike-Protein bei BA.2
Gründe für Rekordwerte bei Neuinfektionen
Beke Schulmann: Die Neuinfektionen steigen seit Tagen wieder an und sind so hoch wie noch nie in dieser Pandemie. Und weil da so viel zusammenkommt an Gründen, würde ich da gern einmal einen genaueren Blick mit Ihnen drauf werfen. Welche Gründe gibt es für so viele Neuinfektionen?
Also in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wird der Anstieg auf ausgelassene Karnevalsfeiern zurückgeführt. Aber das kann ja eigentlich nicht alles sein. In anderen Bundesländern steigen die Zahlen auch, obwohl da, wenn überhaupt, eher verhalten Fasching gefeiert wurde.
Sandra Ciesek: Ja, genau. Das lässt sich ganz gut festhalten, dass sich noch nie so viele Menschen angesteckt haben wie in diesen Tagen oder in den letzten Wochen. Ich glaube, jeder merkt das auch bei sich zu Hause, dass die Einschläge näher kommen. Übertrieben gesagt, hört man manchmal, dass viele sagen, ich kenne kaum noch jemanden, der nicht positiv war oder es gerade hat.
Und interessanterweise ist es aber bei uns im Institut noch ein bisschen anders. Wir haben wirklich nur ganz einzelne Fälle von Infektionen. Das zeigt aber auch, dass man, wenn man vorsichtig ist, immer noch dem Virus ein bisschen aus dem Weg gehen kann. Und grob gibt es für mich so drei Dinge, die für die aktuellen Entwicklungen verantwortlich sind.
BA.2-Anteil nimmt zu
Das ist zum einen die Variante BA.2, also der Anteil, den diese Variante einnimmt. Und der hat ja weiter zugenommen. Sie ist jetzt dominant geworden und ist im Vergleich zu BA.1 leichter übertragbar. Das wissen wir. Und was sie mit BA.1 teilt, ist, dass sich auch Geimpfte und Geboosterte mit dieser Variante infizieren können. Deshalb denke ich mal, ist das einer der Hauptgründe, dass die Zahlen jetzt wieder ansteigen.
Der zweite Grund ist das Verhalten. Das haben Sie eben angesprochen, dass natürlich mehr gefeiert wird, dass wieder mehr möglich ist. Wir gucken ja immer ein bisschen zurück bei den aktuellen Zahlen, ein bis zwei Wochen. Und da war nun mal Karneval, auch wenn es keinen kausalen Zusammenhang gibt, wenn man mit Bekannten oder Kollegen spricht. Eine Freundin von mir war zufällig in Köln bei einer Geburtstagsfeier zu Karneval und hat erzählt, dass es so eng war und in den Restaurants und Kneipen sich die Leute gestapelt haben. Das ist natürlich schwierig, wenn man das in so einer dynamischen Situation der Pandemie macht. Und das führt natürlich auch zu Infektionen.
Und der dritte Grund ist für mich so ein bisschen, dass die Bedrohung durch die Pandemie, wie sie wahrgenommen wird, auch im Angesicht der anderen Weltereignisse, des Kriegs, weniger stark wahrgenommen wird. Dass weniger stark wahrgenommen wird, dass es noch eine Bedrohung für den Einzelnen ist. Und deshalb wird es auch nicht mehr so ernst genommen.
Schulmann: Wir haben da in der Vergangenheit schon öfter mal den Effekt gesehen, dass die Menschen merken: "Oha, jetzt wird es doch eng für uns." Was Sie sagten, in meinem Bekanntenkreis stecken sich immer mehr Menschen an, dass die Leute dann sagen: "Na ja, okay, um uns selbst zu schützen fahren wir mal selbstständig die Kontakte runter, weil wir uns eben schützen wollen, nicht, weil es vermehrt Maßnahmen gibt". Sie sagen es, das scheint ja im Moment gar nicht der Fall zu sein. Also dieses gefühlte Risiko scheint extrem gesunken oder gar nicht mehr vorhanden zu sein
Werkzeuge in der Pandemie
Ciesek: Genau. Wenn man mal auf der Habenseite schaut: Wir haben Impfstoffe, die uns sehr gut schützen vor einem schweren Verlauf. Wir haben mittlerweile antivirale Medikamente, die wir einsetzen können. Seit Kurzem ist ja auch Paxlovid nun endlich in Deutschland verfügbar. Und das hat natürlich doch einiges von dem Schrecken genommen.
Und trotzdem gilt das natürlich nicht pauschal und es besteht immer noch ein Risiko, insbesondere für bestimmte Personen, gerade Ältere oder Menschen mit einem eingeschränktem Immunsystem oder natürlich auch Menschen mit Vorerkrankungen, die können sich darauf natürlich alleine nicht verlassen und sollten noch weiter genau abwägen und vorsichtig sein.
Die Dynamik der Pandemie
Insgesamt denke ich, zeigt sich noch an den aktuellen Entwicklungen, wie dynamisch eigentlich die gesamte Pandemie im Moment ist. Das Virus verändert sich munter weiter, wir kommen ja kaum im Labor hinterher, die Varianten anständig zu untersuchen und zu charakterisieren. Und dann kommt schon wieder die nächste Variante. Man hat im Labor das Gefühl, man rennt die ganze Zeit nur den Varianten hinterher, wenn man sich allein die letzten zwölf Monate anschaut.
Das Infektionsgeschehen kam auch kaum zur Ruhe in den letzten Monaten. Also die Infektionszahlen sind hoch und man hat immer wieder das Gefühl, dass die Pandemie mit Omikron vorbei wäre. Das ist sie aber sicherlich nicht, wenn man sich die täglichen Todeszahlen anschaut. Die, mittlerweile habe ich das Gefühl, auch nur noch so hingenommen werden. Aber wie gesagt, positiv ist, wir haben Medikamente und Impfstoffe und die haben wir im Kampf gegen dieses Virus. Das kann man dem entgegenstellen und die haben natürlich auch die Auswirkungen der Pandemie abgemildert.
Sinkende Zahlen in Dänemark trotz BA.2
Schulmann: Etwas Hoffnung macht da, finde ich, auch ein Blick nach Dänemark.
In Dänemark gibt es mittlerweile fast nur noch BA.2-Infektionen, aber da hat die Untervariante bisher keine neue Welle ausgelöst. Und auch den rückläufigen Trend der Infektionszahlen nicht wieder umgekehrt. Und das, obwohl fast alle Maßnahmen aufgehoben sind. Würden Sie sagen, das macht Hoffnung auch für uns?
Ciesek: Das ist schwierig einzuschätzen. Ich denke, dass bei uns erst mal die Zahlen weiter ansteigen werden, weil Dänemark uns einfach voraus ist in der Anzahl der Infektionen und auch pandemisch gesehen. Aber natürlich, wenn irgendwann ganz viele Menschen infiziert sind, werden die Zahlen auch wieder abnehmen. Und natürlich spielt auch da die Saisonalität mit rein. Also ich hoffe einfach, dass der Frühling schnell kommt und das Virus, die Vermehrung, weiter ausbremsen kann und da einfach deutlich mithelfen kann.
Wieder mehr Ältere infiziert
Schulmann: In Deutschland sind aber jetzt auch immer mehr Menschen aus diesen vulnerablen Bevölkerungsgruppen betroffen. In den vergangenen Wochen haben sich zum Beispiel wieder zunehmend über 60-Jährige infiziert. Müssen wir davon ausgehen, dass die Intensivstationen dann bald wieder an ihre Belastungsgrenzen kommen, weil sich wieder mehr über 60-Jährige infizieren?
Ciesek: Ich hoffe, dass das nicht passiert, weil erstens doch viele geimpft sind in dem Alter. Einige sind natürlich auch genesen in dieser Altersgruppe. Weil wir eben mittlerweile doch Werkzeuge an der Hand haben, die vermehrt eingesetzt werden, wie zum Beispiel die monoklonalen Antikörper oder Paxlovid, die einen schweren Verlauf verhindern können und sollen.
Saisonalität
Und ich hoffe natürlich auch, dass die Saisonalität uns hilft, dass die Zahlen nicht zu stark ansteigen in den nächsten Wochen. Und das sehen wir ja jetzt seit zwei Jahren, dass immer im Frühjahr, wenn es dann doch deutlich wärmer wurde, das Ansteckungsrisiko geringer war, weil viele Leute nach draußen gegangen sind.
Aber das soll nicht heißen, dass die Situation jetzt total entspannt sei. Ich denke schon, dass es immer auch lokal zu einer Überlastung kommen könnte. Zum Beispiel, wenn man sich überlegt, dass es zu Superspreader-Events in einer bestimmten Altersgruppe kommt, weil man da wieder alle Maßnahmen eingestellt hat, keine Masken mehr trägt und große Feiern bei Älteren zum Beispiel wieder durchführt. Da muss man sicherlich noch drauf achten, dass man gerade diese Altersgruppe weiter schützt, insbesondere wenn das Virus so stark zirkuliert wie jetzt.
Und ja, man muss einfach diese Immunitätslücken auch in dieser Altersgruppe oder generell schließen. Und auch, wenn die Krankenhäuser nicht flächendeckend überlastet sind, sind natürlich 200 Tote am Tag, jeden einzelnen Tag 200, für mich persönlich einfach viel zu viele, um das als harmlos oder irrelevant zu bezeichnen.
Geringe Nachfrage nach Novavax-Impfstoff
Schulmann: Sie haben jetzt gerade schon gesagt, die Immunitätslücken schließen. Da haben ja viele große Hoffnungen auf den Impfstoff von Novavax gesetzt. Der wird seit Ende Februar in Deutschland ausgeliefert und war einfach die große Hoffnung der Politik, dass sich viele bisher Ungeimpfte damit impfen lassen würden und dass dann auch die Impfquote deutlich steigen würde.
Da war die Rede von einem Gamechanger, weil man davon ausging, dass viele bisher Ungeimpfte zwar einen mRNA-Impfstoff prinzipiell ablehnen, sich dann aber doch mit einem proteinbasierten Impfstoff wie dem von Novavax impfen lassen würden. Und tatsächlich hatten das ja auch viele Ungeimpfte in Umfragen angegeben, dass sie sich dann doch mit einem proteinbasierten Impfstoff impfen lassen würden.
Die Hoffnungen sind jetzt allerdings geplatzt. Es gibt kaum Nachfrage. Und Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat das mal so ausgedrückt, dass die Novavax-Impfungen nicht wirklich erfolgreich seien. Haben Sie da mit einer so geringen Nachfrage gerechnet oder ist das auch für Sie überraschend?
Ciesek: Also mich hat das nicht wirklich überrascht. Wenn man mit den Menschen spricht oder mit denen in Kontakt steht, dann habe ich so grob zwei Gruppen wahrgenommen. Die eine Gruppe, die haben lange auf Novavax gewartet und waren einfach sehr zögerlich aufgrund dieser neuen mRNA-Technik. Viele von denen haben sich dann doch mit der Zeit, als die Infektionen ganz hoch waren mit der Delta-Variante und auch aufgrund von Nachteilen, die sie im öffentlichen Leben hatten, doch für eine Impfung entschieden.
Entweder mit mRNA-Impfstoffen oder mit Johnson und Johnson und wollten einfach nicht länger warten. Sie haben halt gesehen, dass der Impfstoff jetzt schon millionen-, milliardenfach weltweit verimpft wurde und sind dann sozusagen über ihren Schatten gesprungen und haben sich impfen lassen. Und wie groß diese Gruppe ist, kann ich nicht sagen, aber die gibt es auf jeden Fall. Und dann gibt es natürlich noch die andere Gruppe, die einfach für Argumente und Impfstoffe prinzipiell nicht zugänglich ist. Also die prinzipiell Impfungen ablehnen.
Und die brauchen dafür nicht mehr Zeit, um sich das zu überlegen, sondern sie lehnen es grundsätzlich ab. Ich glaube, da ist es auch egal, was das für ein Impfstoff ist, weil man die freiwillig dazu nicht bewegen kann. Zusammengefasst glaube ich, dass mehr Menschen Novavax gewählt hätten, wenn dieser Impfstoff früher verfügbar gewesen wäre. Der ist nur jetzt einfach so spät gekommen, dass die, die dafür offen waren, alle schon geimpft waren.
Schulmann: Generell scheint die Nachfrage nach Impfungen ja auch immer weiter zurückzugehen. Wie schätzen Sie das ein? Kann das auch daran liegen, dass gerade so viele Menschen erkrankt sind oder gerade erst erkrankt waren? Denn Infizierte oder vor Kurzem Infizierte, die können sich ja nicht sofort impfen oder boostern lassen.
Ciesek: Ja, das spielt sicherlich auch eine kleine Rolle. Aber ich glaube, sie gehen vor allen Dingen zurück, weil jeder, der eine Impfung wollte, die schon längst hat und sich impfen lassen hat. Deswegen gibt es kaum noch Nachfrage. Und auch in dem Einblick, den ich selber habe im Gesundheitswesen zum Beispiel, da gibt es ja jetzt eine kommende Impfpflicht in diesem Bereich, dass das auch wirklich nachgeprüft wird, auch bei Medizinstudierenden.
Und ich denke, die meisten von denen sind mittlerweile entweder geimpft oder, wie Sie sagten, genesen. Und es gibt einfach im Moment sehr wenig Nachfrage von Menschen, die noch gar nicht die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen oder sich impfen lassen haben.
Schulmann: Eine positive Nachricht gibt es dann vielleicht doch noch. Die Dosen von Novavax, habe ich jetzt gelesen, lassen sich etwa neun Monate im Kühlschrank aufbewahren und müssen dann nicht sofort verworfen werden, wenn sie nicht verimpft werden.
Das Ende der Maßnahmen?
Jetzt wird aber auch über das Ende der Maßnahmen diskutiert, denn eigentlich sollten ja nach dem 19. März alle Corona-Regeln aufgehoben werden. Das Infektionsschutzgesetz läuft jetzt am Wochenende aus. Aber weil die Infektionszahlen gerade alles andere als niedrig sind, soll es nun doch weiterhin Verhaltensregeln geben. Wie viele und welche, darüber wird noch gestritten. Welche Schritte bei Lockerungen und welche Abschaffung von Maßnahmen halten Sie denn für gangbar oder vertretbar?
Ciesek: Ja, also Maßnahmen gehören natürlich immer wieder auf den Prüfstand und sollten angepasst werden an die aktuelle Situation, an das Virus, das zirkuliert. Aber meiner Meinung nach ist das Ende aller Maßnahmen sicherlich falsch. Also ich kann das nicht wirklich für eine gute Idee halten, wenn man sich den aktuellen Stand anguckt, einmal der Infektionen, der Todeszahlen und wenn man sich auch die Dynamik anschaut.
Wir haben einfach keinen stabilen Zustand. Und auch, wenn man irgendein Datum versprochen hat oder sich ausgedacht hat: Das Virus hält sich da nicht dran und dem ist das ziemlich egal. Ich habe einen schönen Spruch gelesen: "Auch wenn wir denken, wir sind fertig mit dem Virus, das Virus ist noch nicht fertig mit uns." Das klingt ein bisschen brutal, aber das ist so.
Masken als Infektionsschutz
Wenn man jetzt mal das Beispiel der Masken nimmt. Ich denke, Masken sind so ein einfaches Werkzeug, das mittlerweile jeder im Schrank hat. Und das sollte man nicht bei den steigenden Zahlen und bei einer neuen Variante, die jetzt gerade dominant geworden ist, also BA.2, einfach aufgeben. Für mich ist einfach der Schutz der Infektion vor allen Dingen durch Masken gegeben und der Schutz vor einem schweren Verlauf durch die Impfung.
Und klar, die Impfung steht jedem zur Verfügung. Aber gerade in Innenräumen generell auf Masken zu verzichten, in einer Situation, wo wir im Anstieg sind und so hohe Zahlen hatten wie noch nie, ist natürlich jetzt nicht die beste Situation und es schränkt vor allen Dingen die Leute ein, die zur Risikogruppe gehören, weil die können sich so ja kaum mehr in der Öffentlichkeit frei bewegen, ohne Angst um sich zu haben. Weil es ist natürlich besser, wenn beide Seiten eine Maske tragen.
Und das sind dann natürlich die großen Verlierer. Also wenn jemand eine Chemotherapie bekommt oder Medikamente nehmen muss, weil er zum Beispiel Rheuma hat, und das sind gar nicht so wenige Menschen, die sind nicht isoliert zu betrachten, sondern die leben alle unter uns, das haben wir auch schon oft besprochen. Ich selber sage mir immer, dass mich selbst die Maske wenig beeinträchtigt. Und wenn ich da nur ein Menschenleben retten kann, so übertrieben gesagt, oder verhindern kann, dass jemand schwer erkrankt, dann trage ich die auch gerne im Supermarkt weiter.
Ich denke, das ist einfach nicht sinnvoll. Ich habe auch gelesen, dass es auch in ambulanten Arztpraxen keine Maskenpflicht mehr geben soll. Das halte ich für keine gute Idee in der aktuellen Situation. Das muss man, denke ich, immer genau gucken. Wie ist das Infektionsgeschehen? Wie ist die Dynamik? Wie sind auch die aktuellen Zahlen der Todesfälle? Und das wäre ein falsches Zeichen, das jetzt komplett einzustellen. Man kann da nur hoffen, dass, falls es eingestellt wird, die Menschen das aus Rücksicht vor dieser doch großen Risikogruppe trotzdem weiter machen würden.
Müssen wir mit einer Sommerwelle rechnen?
Schulmann: Gleichzeitig während dieser ganzen Debatten darum, was getan werden kann und auch um Lockerungen oder um einen möglichen "Freedom Day", wie das Ende aller Maßnahmen ja in England hieß, diesen Begriff höre ich jetzt auch in Deutschland vermehrt, wird ja auch schon über mögliche Sonderfälle spekuliert. Und weil Sie das vorhin schon angesprochen haben, dass Sie Hoffnung haben auf einen einigermaßen, was Corona angeht, milden Sommer.
Ich habe von verschiedenen Fachleuten gelesen, die sagen: Sollten wir jetzt stark lockern und keine Maßnahmen mehr einsetzen, wird der saisonale Effekt nichts ausrichten können. Dann wird es eine Sommerwelle geben. Wie schätzen Sie das ein? Wie wahrscheinlich ist das, dass die Infektionszahlen auch über den Sommer einigermaßen konstant bleiben, sodass wir im Sommer eben keine Entspannung erleben, was die Infektionslage angeht?
Ciesek: Generell finde ich es immer wieder verwunderlich, dass auch gerade Politiker davor warnen, die ja eigentlich genau dafür verantwortlich sind. Man kann ja nicht einerseits von einer Sommerwelle warnen und gleichzeitig die Masken abschaffen und diese Sommerwelle produzieren. Das ist für mich so ein gewisser Widerspruch im Moment in der Aktion der handelnden und verantwortlichen Personen, dass die praktisch gespalten wirken.
Und wenn man diese Gefahr sieht als Politiker, dann muss man ja auch irgendwas tun. Und auch das neue Gesetz für Infektionsschutz, das ist ja auch eine Frage: Ist das sinnvoll, die Verantwortung wieder auf die einzelnen Bundesländer zu übertragen? Das hatten wir ja alles schon in der Pandemie und haben gesehen, dass das nicht gut war, weil die Bevölkerung es dann kaum nachvollziehen kann.
Warum in der einen Stadt das gilt, und dann fahre ich in ein anderes Bundesland, in die Nachbarstadt, und da gelten ganz andere Dinge und das verwirrt die Leute ja eher. Das finde ich schwierig. Aber zu Ihrer Frage. Da muss man erst einmal definieren, was eine Sommerwelle eigentlich ist. Ich glaube schon, dass die Zahlen in den nächsten Wochen weiter durch BA.2 ansteigen, aber dass das nicht zu einer generellen Überlastung führen wird.
Ob jetzt eine eigene Sommerwelle kommt, unabhängig von BA.2, ist vor allen Dingen davon abhängig, ob eine neue Variant of Concern (besorgniserregende Variante/d. Red.) mit neuen Eigenschaften kommt. Das weiß ich nicht, das weiß keiner von uns. Und trotzdem hoffe ich auch noch mal auf die Saisonalität des Virus und dass die Leute sich einfach doch weiter ein bisschen achtsam verhalten und vor allen Dingen draußen aufhalten.
Vergleich mit Sommer 2021
Der Unterschied zum letzten Sommer ist einfach, dass wir es nun mit einer stärker ansteckenden Variante zu tun haben, die ja auch der Immunreaktion auf vorherige Varianten und auf Impfstoffe ein Stück weit ausweichen kann. Wir gehen einfach auf einem viel höheren Niveau der Fallzahlen in die warme Jahreszeit. Und wie sich das dann in Zahlen ausdrücken wird, müssen wir einfach sehen.
Der Wunsch nach weiteren Lockerungen ist natürlich psychologisch sehr gut nachvollziehbar. Das Risiko, dass sich das dann aber in höheren Fallzahlen widerspiegelt, ist natürlich da. Und was hier als tolerierbar angesehen wird, das ist, was die Politik entscheiden muss. Und dann muss sie auch entsprechend handeln, wenn sie da eine Gefahr sieht.
Andere Mittel im Kampf gegen die Pandemie
Schulmann: Wir reden jetzt immer viel über das, was möglicherweise bald nicht mehr getan wird. Was kann man denn jetzt überhaupt noch machen im Kampf gegen die Pandemie? Gibt es noch irgendwelche anderen Möglichkeiten, die wir bisher noch nicht in Betracht gezogen haben?
Ciesek: Ich denke, es gibt eine ganze Menge zu tun. Und das ist auch, was mich im Moment ein bisschen ärgert, dass man eigentlich gar nichts mehr hören will. Man hat ja im Moment das Gefühl, dass sich keiner mehr mit der Pandemie beschäftigen will. Und na klar, wir haben Werkzeuge, wir haben Tests, wir haben die AHAL-Maßnahmen, einen Impfstoff, wir haben auch ein paar Medikamente, aber da ist noch sehr viel Luft nach oben. Wir müssen dringend auch die nächste Zeit einfach nutzen, um uns zu verbessern. Und wenn man mal schaut, was kann man generell tun? Wir sind jetzt im dritten Jahr der Pandemie und zwei Faktoren sind hier besonders kritisch geworden.
Pandemie-Müdigkeit
Das eine ist diese Pandemie-Müdigkeit der Bevölkerung. Es hat niemand mehr Lust auf Beschränkungen oder auf die Maßnahmen, die man gegen Covid eingeführt hat. Und gleichzeitig werden wir eigentlich ja dauernd noch von dem Virus überrascht, wie es sich verändert, und gerade auch virologisch, wie schnell es sich doch noch anpassen kann. Und es ist ja nicht klar, welche Variante als Nächstes entstehen wird, weil sich die nicht alle aus einer Variante entwickeln, also so fortlaufend, sondern immer wieder vom Ursprungsvirus ausgehen.
Deswegen ist das für mich die größte Gefahr: neue Varianten, aber auch schwindende Immunität. Das heißt, wir sind zwar zum Großteil geimpft und haben eine Immunität, aber die bleibt ja nicht stabil. Das nimmt ja weiter ab und da haben wir bisher auch sehr wenig Erfahrung. Das muss man natürlich untersuchen. Wir haben auch eine Chance, nämlich diese steigende Immunität in der Bevölkerung, dass doch viele geimpft oder genesen sind. Und das ist eine Chance, dass es weniger Todesfälle und schwere Verläufe gibt. Und insgesamt, was kann man tun? Ich denke, das ist eine Menge.
Ziel-Definition
In den USA haben sich Wissenschaftler auch darüber Gedanken gemacht und die schlagen zum Beispiel vor, dass man sich ein genaues Ziel definiert, also eine Todeszahl, Todesrate, die akzeptabel ist. Und schlagen vor, dass man eine schwere Influenza-Welle nimmt, die Todeszahlen, und sagt, akzeptabel für uns wären zum Beispiel 0,5 pro eine Million Einwohner. Das wären auf Deutschland gerechnet ungefähr 40 Tote pro Tag, wenn man das analog zu den USA sieht, und dann wäre ein Normalzustand möglich. Da sind wir im Moment natürlich noch weit von entfernt.
Wenn man es mit unseren schlimmen Grippewellen vergleicht, werden es eher 60, 70 Tote am Tag. Aber das überhaupt mal zu definieren, finde ich gar nicht verkehrt oder schlecht. Und auch so ein gesellschaftliches Agreement dort zu finden, was ist eigentlich akzeptabel? Dann muss es noch klare Empfehlungen geben für die Öffentlichkeit, warum man welche Maßnahmen macht, die auch einheitlich sind, inklusive Therapieempfehlung. Ich merke das immer wieder, dass es doch hakt bei der initialen Versorgung.
Bei der Frage: Bekommt dieser Patient jetzt Paxlovid oder monoklonale Antikörper? Da müssen wir einfach viel besser werden, dass die Patienten sich selber melden und das noch breiter angewendet wird. Wir brauchen eine bessere Surveillance und die Überwachung der Infektionen. Also eine repräsentative Stichprobe, wie sie in Großbritannien vorhanden ist. Das haben wir bis heute nicht gebacken gekriegt, das einzuführen.
Mehr kostenloste Tests
Und wir brauchen Tests, die zur Verfügung stehen, auch zukünftig finde ich, unabhängig vom Einkommen. Es kann nicht sein, dass die, die sich das leisten können, testen können und die, die nicht so viel Geld haben, nicht die Möglichkeit haben. Wir brauchen bessere Luftqualität in Innenräumen. Da wird ja auch einiges immer mal wieder versucht, aber so systematisch, dass man sich um die Innenräume in Schulen kümmert und da die Luftqualität verbessert, das fehlt mir.
Schulmann: Das ist ja bisher nicht zustande gekommen.
Ciesek: Genau. Mir fehlt die Entwicklung von neuen Medikamenten. Wir haben zwar welche, aber die sind alles andere als super. Also ich würde sagen, die hätten eine Schulnote 3 bis 4, vielleicht eher eine 4. Und natürlich den leichten Zugang zu diesen Medikamenten, dass das nicht ein wahnsinniger Akt ist, da überhaupt ranzukommen. Wir brauchen forschungsmäßig eine Entwicklung von Impfstoffen, die auf der Schleimhaut einen Schutz bieten und möglichst breit gegen Coronaviren wirken. Wir brauchen insgesamt eine bessere Verteilung der Impfstoffe weltweit. Da haben wir immer noch große Lücken in Afrika zum Beispiel.
Soziale Ungerechtigkeiten
Wir müssen die sozialen Ungerechtigkeiten weiter ausgleichen, die gerade durch die Pandemie zutage gekommen sind, wie zum Beispiel den Zugang zu Tests und Medikamenten. Man muss hier mehr aufklären. Was auch wichtig ist für mich aus dem Gesundheitswesen, da habe ich, ehrlich gesagt, nicht das Gefühl, dass sich einer da ernsthaft drum kümmert im Moment. Wir müssen ja damit rechnen, dass Covid uns über Jahre jetzt beschäftigt und immer wieder zu Wellen führt.
Wir brauchen den Ausbau des öffentlichen Gesundheitswesens, aber auch der Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern, mehr Pflegepersonal. Da muss sich jemand drum kümmern. Wie kriegt man eigentlich bessere Löhne, Gesundheitsleistungen, Unterstützung bei Studiengebühren oder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen? Und ich denke, man sollte auch da noch mal über Digitalisierung sprechen, dass man einfach Arbeitsabläufe erleichtert und dann vielleicht mit dem wenigen Personal effizienter arbeiten kann.
Und im Notfall braucht man wahrscheinlich auch so einen flexiblen Pool an Pflegekräften. Die, wenn es irgendwo eng wird, in bestimmten Bereichen einfach zur Verfügung stehen können. Und was auch immer wieder kritisiert wird, da sind wir ja auch ein bisschen beteiligt, ist die bessere Kommunikation für die breite Öffentlichkeit, also dass einfach gegen Gerüchte und Fehlinfos konsequenter vorgegangen wird, die die Bevölkerung verunsichern. Und um jetzt zum Schluss noch mal auf die Schulen einzugehen, da kann man auch noch viel tun.
Schul-Nurses
Also neben der Verbesserung der Luft könnte man noch etwas machen: Wir haben hier in Hessen zum Beispiel zum Teil ganz unabhängig von Corona, Schul-Nurses, also Schulkrankenschwestern. Ich finde, das sollte eigentlich jede Schule haben, dass es da einfach einen Ansprechpartner gibt, der sich damit auskennt und die Unsicherheit nimmt und auch Schulungen in Hygiene machen kann.
Und man muss auch eigentlich, das verstehe ich bis heute nicht als Mutter eines Schulkindes, dass der Online-Unterricht nicht möglich ist, wenn Kinder krank sind, ganz unabhängig von Corona. Es gibt ja auch Kinder, die sich ein Bein brechen und drei, vier Wochen zu Hause sind. Warum gibt es nicht ein Online-Programm für jede Altersstufe, also jede Klassenstufe, wo man dann einfach direkt einsteigen kann?
Das muss ja nicht mal irgendwie auf Städteebene geregelt sein, sondern auf Landesebene oder sogar auf Bundesebene. Und ich denke, man hat leider das Gefühl, dass die Leute, sobald das nicht mehr das aktuelle Thema ist, das alles vergessen und ignorieren. Aber da gibt es so viel zu tun, was man machen kann. Also das sind jetzt nur so ein paar Beispiele.
Schulmann: Eine ganze Batterie an Möglichkeiten tatsächlich. Wir merken, es ist noch viel Luft nach oben.
Geflüchtete aus der Ukraine vor Infektionen schützen
Und in diese ganze Gemengelage in Deutschland kommen jetzt Tausende Geflüchtete aus der Ukraine. Diese Menschen, das will ich auch ganz deutlich sagen, die haben natürlich jetzt ganz andere Sorgen und bestimmt ist Corona eine der letzten Sachen, für die sie jetzt einen Kopf haben. Aber trotzdem steht auch für uns die Frage im Raum, wie wir diese Menschen jetzt am besten schützen können vor einer schweren Erkrankung oder auch vor einer Infektion.
Dazu muss man vielleicht auch noch sagen, dass die Impfquote in der Ukraine gering ist. Etwa 34 Prozent der Menschen sind vollständig, also zweimal geimpft, und nur zwei Prozent haben einen Booster bekommen. Das sind die Zahlen von Ende Februar. Und wir haben ja auch die Bilder gesehen. Die Menschen saßen dicht gedrängt in Bussen und Bahnen auf ihrem Weg nach Deutschland, teils tagelang. Deswegen geht auch Gesundheitsminister Lauterbach davon aus, dass, so sagt er, sehr viele Geflüchtete an Covid-19 erkrankt sind.
Und diese Zahlen seien teilweise besorgniserregend hoch. Wie schätzen Sie das ein bzw. vielleicht können Sie uns auch eine Einschätzung dazu geben, ob so furchtbare und traumatisierende Erlebnisse wie eine Flucht und dadurch auch extreme psychische und physische Belastungen sich auch noch verstärkend auswirken kann auf eine mögliche Infektion?
Ciesek: Ja, erst mal ist es richtig, dass die Impfquote in diesem Land sehr niedrig ist. Und dass da ja auch nicht unbedingt mRNA-Impfstoffe verwendet wurden, sondern zum Beispiel Sputnik. Das wurde, glaube ich, in der Ukraine häufiger verwendet. Und wir wissen, dass der weniger gut wirksam ist.
Schulmann: Es ist ein Vektor-Impfstoff.
Ciesek: Genau. Aber es gibt auch kaum vergleichende Daten dazu. Ich erwarte erst mal nicht, dass die Flüchtenden jetzt auf unser Infektionsgeschehen einen wahnsinnig großen Einfluss haben, weil das ja eh schon auf so hohem Niveau ist, dass das sicherlich nicht dadurch grundlegend beeinflusst wird, dass jetzt eine Gefahr für den Einzelnen hier von den Flüchtlingen ausgeht. Das muss man klar sagen. Und das ist sicherlich etwas, was bei unseren hohen Zahlen einfach unangemessen ist.
Schulmann: Genau. Ich hatte gelesen: Wenn man denkt, dass etwa hundert Infizierte pro Tag einreisen, dann entspräche das auf jeden Fall weniger als 0,1 Prozent der täglichen Neuinfektionen.
Ciesek: Genau. Es ist eher andersherum. Die Flüchtenden selber haben aus verschiedenen Gründen natürlich ein Risiko und sind anfälliger für eine Reihe von Infektionskrankheiten, darunter auch Covid-19. Und deswegen ist es ganz wichtig, dass wir hier raschen Zugang zum Gesundheitssystem bieten und dass die den erhalten. Dazu zählt natürlich auch der Zugang zu Impfungen generell.
Und natürlich, bei schwierigen Bedingungen auf der Flucht besteht das Risiko, sich zu infizieren. Sie haben gerade schon die Bilder erwähnt an den Bahnsteigen. Ich denke, wichtig ist einfach wie gesagt, dass die Leute hier Zugang zum Gesundheitssystem kriegen. Es gibt ja viele Leute, die auch privat Flüchtlinge aufgenommen haben. Da ist es sicher, wenn man einfach Antigentests macht regelmäßig in den ersten Tagen oder den ersten ein, zwei Wochen.
Und einfach eine Maske trägt, soweit das nötig ist. Und sich da einfach so verhält, wie man das ja auch eigentlich generell raten sollte. Und in den Erstaufnahmeeinrichtungen, zumindest für unser Bundesland kann ich das sagen, da wird das genau auch angeboten und untersucht. Also denen wird dann ein Impfangebot gemacht und da wird natürlich versucht, dieses Problem auch mit abzudecken.
Schulmann: Es ist ja auch so, dass die wirklich einen Anspruch auf eine Impfung haben.
Ciesek: Das ist genau richtig, die Stiko empfiehlt auch, dass man diese Impfung durchführt in den ersten Tagen. Am besten, wenn die Menschen hier in den Aufnahmestaaten ankommen, also in diesen Gemeinschaftseinrichtungen. Und dazu zählt nicht nur ein Angebot für Covid-19, sondern auch bei Erwachsenen zum Beispiel eine ganze Reihe andere Impfungen. Je nach Alter: Masern, Mumps, Röteln, Diphtherie, Tetanus, Polio, Pertussis (Keuchusten/d. Red.). Das sind ja auch alles Erkrankungen, wogegen man impfen kann und was nicht unbedingt der Fall ist, wenn man aus diesen Ländern kommt.
Schulmann: Welche Strategie kann die Menschen aus der Ukraine denn jetzt am besten vor Ansteckung und schwerem Verlauf schützen?
Ciesek: Ja, das sind die gleichen Maßnahmen wie bei uns auch. Die unterscheiden sich nicht wirklich. Am besten, man bringt sie schnell unter in kleinen Einheiten, in Familienverbünden und testet etwas großzügiger, um schnell Infizierte zu identifizieren, und trägt Masken. Und ich denke, was man auch beachten muss ist, dass es nicht nur Covid-19 gibt, sondern auch andere Erkrankungen, die in der Ukraine häufiger sind.
Tuberkulose-Fälle
Da wird auch in letzter Zeit ein bisschen drüber berichtet, über Tuberkulose-Fälle zum Beispiel. Aber da muss man auch sagen, für eine Übertragung von Tuberkulose-Bakterien, da haben ja viele Angst vor, da braucht man viel engeren und längeren Kontakt als bei Covid-19. Bei kurzem Kontakt besteht da kaum ein Risiko. Aber trotzdem, auch hier ist es natürlich wichtig, dass die Menschen, die etwa zum Beispiel schon an Tuberkulose erkrankt sind und hierherkommen, dass die einen raschen Zugang zum Gesundheitssystem bekommen, damit man das erkennt und behandeln kann. Und hier muss man einfach schnell und systematisch Hilfe anbieten.
Die Lage in Hongkong
Schulmann: Ich würde jetzt gern mit Ihnen auch noch auf ein anderes Land blicken und eine kleine gedankliche Reise antreten. Nach Hongkong, weit weg von uns und auch, was die Voraussetzungen angeht, kaum mit Deutschland zu vergleichen. Allerdings, vielleicht können wir doch die eine oder andere Erkenntnis auch für uns selbst daraus ableiten.
Corona schien in den vergangenen Monaten praktisch vergessen zu sein. Aber jetzt steht Hongkong vor einer massiven Omikron-Welle. Die Zahlen steigen seit Wochen und an einigen Tagen verzeichneten die Behörden dort mehr als 6.000 Neuinfektionen bei 7,4 Millionen Einwohnerinnen. Und die Zero-Covid-Strategie greift offenbar nicht mehr. Wie ist das zu erklären?
Ciesek: Ja, ich denke, in Hongkong ist das Besondere, dass es neben dem Anstieg der Infektionen, das sieht man ja eigentlich in fast jedem Land auf der Welt durch Omikron, auch zu einem Anstieg der Todeszahlen kommt. Und wenn man das mit anderen Ländern vergleicht, dann ist das relativ einfach zu erklären.
Niedrige Impfquote bei Älteren
Hongkong hat eine sehr niedrige Impfquote bei Älteren. Da sind nur ungefähr 30 Prozent der Älteren geimpft. Und da waren andere Länder deutlich erfolgreicher beim Impfen der älteren Bevölkerung. Es sind kaum Menschen geboostert und vor allen Dingen wurde da Sinovac als Impfstoff verwendet. Das ist auch ein anderer Impfstoff als der mRNA-Impfstoff, der nicht so gut wirksam zu sein scheint.
Schulmann: Jedenfalls gegen die neueren Varianten nicht mehr.
Ciesek: Genau. Und deshalb, wenn man sich die Zahlen anschaut: 86 Prozent der Todesfälle sind unter über 70-Jährigen, also bei der älteren Bevölkerung zu beklagen. Und anscheinend hatten die doch viele große Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen. Und das zeigt auch noch mal, wie wichtig es ist, die Strategie, die wir ganz am Anfang hatten, dass man zuerst die Alten und Pflegebedürftigen impft und da eine Priorisierung hatte. Denn es wurde ja auch damals überlegt, dass man zum Beispiel erst die mit vielen Kontakten, also die jungen Leute, impft.
Und da aber die Impfung vor allen Dingen vor einem schweren Verlauf schützt bei Omikron, ist es ganz wichtig, dass man da auf jeden Fall die Impflücken schnell schließt. Und das sollte uns eine Warnung sein, auch für alle Ungeimpften, die über 60 sind, dass Omikron nicht harmlos und ein Schnupfen ist. Sondern dass es, wenn man nicht immunisiert ist, insbesondere in diesem Alter eine doch große Gefahr ist. Und deshalb liegt das nicht primär an der Variante oder an irgendwas Besonderem, zumindest soweit man im Moment weiß, sondern vor allen Dingen daran, dass die Immunisierung in der älteren Bevölkerung so gering war und die jetzt mit Omikron, was so leicht übertragbar ist, einfach davon überrannt wurden.
Neue Mutation im Spike-Protein bei BA.2
Schulmann: Dazu kommt jetzt in Hongkong eine neue Mutation im Spike-Protein bei BA.2, die in vielen Sequenzierungen dort nachgewiesen wurde. Was ist zu dieser neuen Mutation schon bekannt?
Ciesek: Ja, ich habe das mal rausgesucht und anscheinend wurde diese Variante BA.2.2 genannt, also sie hat auch einen eigenen Namen bekommen. Und die findet sich nicht nur in Hongkong. Hier hat sie sich ziemlich dominant durchgesetzt. Aber wir finden die auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Großbritannien und in Singapur. Die Mutation an sich ist eigentlich erst mal in einer Region, die für die Antigenität, also für das Virus gar nicht so kritisch ist. Und die bisher auch nicht assoziiert ist mit einem Vorteil für das Virus, dass es zum Beispiel virulenter oder ansteckender ist.
Und deshalb wurde, habe ich gelesen, vermutet, dass es sich auch um einen Gründereffekt handeln könnte. Das heißt, dieser sogenannte Founder-Effekt, den haben wir hier schon mehrmals beschrieben, dass einfach vielleicht durch diese Altenheimausbrüche dieses Virus mit der Mutation ganz viele angesteckt hat und sie sich deshalb durchgesetzt hat. Ob das wirklich einen Vorteil hat gegenüber anderen Varianten, ist, wie gesagt, bisher nicht bekannt und wurde nicht in Verbindung gebracht.
Und auch die Region, wo diese Mutation ist, ist bisher nicht bekannt, dass die in einer anderen "Variant auf Concern" zu einem Phänotyp führte. Sodass man es sicherlich noch weiter untersucht und beobachtet, aber ich da jetzt erst mal nicht den Grund dafür sehe, dass in Hongkong die Zahlen so schlecht sind. Sondern dass es wirklich eher an der schlechten Impfquote liegt.
Schulmann: Das heißt, wir gehen auch erst mal nicht davon aus, dass diese Mutation ein Grund sein könnte für die große Zahl an Todesfällen.
Ciesek: Das denke ich nicht, dass das im Moment die Daten hergeben. Nein.
Rekombinante Viren
Schulmann: In diesem Zusammenhang würde ich gerne noch einen kurzen Abstecher machen mit Ihnen zu Mischvarianten. Vor Kurzem ploppte die Nachricht auf, dass in Zypern eine solche Rekombinate aufgetaucht sei, die sozusagen ein Zusammenschluss von Delta und Omikron war. Die wurde dann sehr schnell "Deltakron" genannt, aber viele Expertinnen sind davon ausgegangen, dass sie nicht im Menschen vorkam, sondern eben durch eine Verunreinigung bei einer Sequenzierung. Jetzt gibt es aber Daten auch aus Frankreich zu Delta-Omikron-Mischungen und es soll auch schon in Deutschland vorgekommen sein. Also war das doch nicht nur ein Laborfehler?
Ciesek: Ich denke, damals war das wahrscheinlich einer. Das wurde ja dann sehr gut nachempfunden. Aber das Preprint jetzt aus Frankreich, da waren sieben immunkompetente Personen, die waren fast alle sehr jung, unter 40, und da sieht es so aus, als wäre das schon ein doch solider Nachweis für ein rekombinantes Delta- und Omikron-Virus. Das ist wohl auch unabhängig voneinander entstanden. Also die sieben Personen hingen nicht zusammen.
Und das waren einmal die Linie Delta, also die AY4, und von Omikron BA.1 eine Rekombination. Und die wurde, wie gesagt, in mehreren Regionen in Frankreich identifiziert und ist wohl seit Januar 2022 im Umlauf. Man hat aber auch ähnliche Sequenzen in Dänemark und in den Niederlanden identifizieren können und ist da, glaube ich, noch ganz am Anfang, das zu verstehen und einzuordnen.
Schulmann: Sieben Personen klingt ja erst mal nicht nach so viel. Kommen dann solche Doppelinfektionen einfach wirklich selten vor? Oder müssen wir davon ausgehen, dass sie häufiger vorkommen, aber einfach selten entdeckt werden?
Ciesek: Ja, jetzt haben Sie schon verraten, wie das entsteht. Also wie kommt es zu einer Rekombinanten? Dafür braucht man in einer Zelle eine Doppelinfektion mit zwei Viren. Also eigentlich das Klassische, wo wir das kennen, ist Influenza. Da nennt man das Antigenshift. Das muss jeder Medizinstudent in der Virologie lernen. Das heißt, das ist ein Austausch von genetischen Informationen zwischen zwei verschiedenen Virus-Subtypen oder Virus-Arten und dazu muss aber das Virus-Genom segmentiert sein.
Das heißt, die einzelnen Segmente werden in der Zelle vermehrt und dann vertauscht und neu zusammengesetzt. Also Reassortment nennt man das. Wie gesagt, bei Influenzaviren kennen wir das. Das ist auch ein Grund, warum es alle paar Jahre zu Pandemien, weltweiten Pandemien durch Influenza kommt. Und das passiert bei Influenza meistens im Tier, im Schwein zum Beispiel oder im Vogel. Und da kommt es zu einer Doppelinfektion von den gleichen Zellen und dann können die ihre Gene austauschen.
Segmentierung als Voraussetzung
Und wie gesagt, Voraussetzung für dieses klassische Reassortment ist, dass das Genom segmentiert ist und einzeln Proteine hergestellt werden. Das ist aber bei SARS-CoV-2 nicht der Fall. Es gibt aber auch Viren, deren Genom aus nur einem einzigen Molekül, also RNA-Molekül bestehen, also die unsegmentiert sind. Und die können dennoch gelegentlich rekombinieren, wenn es zu einer Mehrfachinfektion kommt. Und das entsteht durch Brüche in der Nukleinsäure-Kette.
Das ist aber, wie man schon hört, eher selten, ein zufälliges Ereignis. Das entsteht einfach vor allen Dingen durch Zufall. Wenn natürlich jetzt die Infektionszahlen sehr hoch sind, also wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sich beide Viren gleichzeitig treffen, sehr hoch ist und die Anzahl der Infektionen hoch, ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, höher. Und es ist deswegen so ein bisschen abhängig von der Menge der zirkulierenden Viren. Es ist aber jetzt für SARS-CoV-2 kein klassisches Charakteristikum, sondern eher als selten einzuschätzen.
Schulmann: Das heißt, wenn Menschen eine Doppelinfektion erleben, dann rekombiniert sich das Virus nicht in jedem Fall.
Ciesek: Nein, das kann durch diese Brüche in der Nukleinsäure-Kette theoretisch passieren, aber das ist auch gar nicht so häufig. Also wenn man infiziert ist, sind ja nicht alle Zellen infiziert, dann ist man, glaube ich, ziemlich krank, wenn das so wäre. Also man muss nicht nur eine Doppelinfektion haben, sondern dann auch noch Zellen haben, die doppelt infiziert sind. Und dann noch diese Brüche in der Nukleinsäure-Kette. Und das ist, wie gesagt, eher für Influenza ganz klassisch, dass das passiert, weil es dieses segmentierten Genom hat, aber für SARS-CoV-2 möglich, aber jetzt nicht, dass das täglich passiert.
Schulmann: Und wie wirkt sich dann so eine Doppelinfektion auf den Krankheitsverlauf aus?
Ciesek: Das kann man gar nicht so sagen. Das hängt natürlich sehr von den virologischen Eigenschaften der Variante ab. Also wenn man jetzt zum Beispiel so eine rekombinante Variante hätte und die jetzt zum Beispiel Ursache eines Superspreader-Events wird und dann mehr als sieben betrifft, sondern ganz viele, dann ist es natürlich möglich, dass man das untersuchen könnte, ob die einen anderen klinischen Verlauf hat. Das haben wir ja im Moment nicht.
Ich habe gelesen, dass die WHO da jetzt Studien durchführen möchte zur Schwere und zur Übertragbarkeit dieses rekombinanten Virus. Und das ist sicherlich auch wichtig, das genau weiter zu untersuchen. Und da ist es ganz entscheidend, und das zeigt das auch noch mal, was können wir tun. Das war ja vorhin Ihre Frage. Wir müssen einfach eine Überwachung haben. Und was ich zum Beispiel auch sehr schade finde, ist, dass relativ heimlich, still und leise die Vergütung von Mutations-PCRs von der Regierung abgeschafft wurde. Und das führt natürlich dazu, dass die nicht mehr gemacht werden in den Laboren, nicht mehr so häufig, weil es kein Geld dafür gibt.
Und wir sequenzieren ja nur fünf bis zehn Prozent der Infektionen. Das reicht natürlich kaum aus, um solche seltenen Ereignisse wirklich zu monitoren. Und wenn man eine Mutations-PCR macht, dann fällt einem das eher auf, dass das Ergebnis nicht so richtig passt. Nur, das wird, wie gesagt, dadurch, dass es seit Mitte Februar nicht mehr vergütet wird, deutlich weniger oder fast gar nicht mehr gemacht. Und das sind so Dinge, wenn jemand Sachen nicht mehr hören will, dann wird die Zahlung eingestellt und wird nicht weiter gemacht. Das ist natürlich immer eine Gefahr. Da müssen wir einfach, denke ich, noch besser werden.
Schulmann: Kann man davon ausgehen, dass Rekombinanten einen Vorteil haben den ursprünglichen Varianten gegenüber?
Ciesek: Nein, kann man nicht. Das sind ja zufällige Ereignisse, wo jetzt diese Kette bricht und das kann man pauschal nicht sagen. Im Gegenteil, es kann genauso sein, dass die auch Nachteile haben und sich gar nicht so gut vermehren können zum Beispiel. Es ist eine Gefahr, sagen wir mal so, weil man natürlich im schlimmsten Fall dann hätte, dass sich die ungünstigen, für uns ungünstigen Eigenschaften des Virus vereinen. Genauso gut ist es aber, da es zufällig möglich ist, dass sich die für das Virus ungünstigen Eigenschaften vereinen und sich das nicht weiter vermehren kann und in dem Individuum bleibt. Und da die Kette, sag ich mal, zu Ende ist.
Schulmann: Zum Schluss würde ich gerne noch mit Ihnen über etwas sprechen, das einige Menschen in den letzten Tagen sehr verunsichert hat.
Zerstört SARS-CoV-2 T-Zellen?
Da geht es um eine Interpretation von Forschungsdaten, die da sagt: SARS-CoV-2 infiziere T-Zellen und schädige das Immunsystem, es sei also wie bei über die Luft übertragbarem AIDS. Und bevor wir auf diese Rückschlüsse kommen, vielleicht können wir damit starten, was die Studie eigentlich untersucht hat. Können Sie uns das etwas näherbringen?
Ciesek: Ja, diese Studie habe ich auch gelesen und auch auf Social Media gesehen. Und das ist wieder so ein schönes Beispiel, wo ich denke, dass wir, sage ich mal, da eine wichtige Funktion haben, das einzuordnen. Weil es wird ja immer gesagt, es sei ein "Nature"-Paper. "Nature" ist ja immer mit sehr viel Qualität verbunden und Vertrauen. Und das ist halt nicht in "Nature" erschienen, sondern in einem Untergruppe-Journal, "Signal Transduction and Targeted Therapy" heißt das. Das kennt dann schon wieder kaum jemand. Das ist trotzdem ein hochrangiges Paper, keine Frage.
Aber um es mal vorwegzunehmen, der Reviewer hat dann nicht oder die beiden Reviewer oder drei, ich weiß nicht, wie viele es waren, aber die haben nicht den besten Job gemacht. Und das erwartet man eigentlich schon bei so einem hochrangigen Verlag. Und was die gemacht haben, die haben in vitro geschaut, ob SARS T-Zellen infizieren und töten kann. Und das ist ein Grundlagen-Papier, also in vitro, nicht im wahren Leben nachvollziehbar. Beziehungsweise, das kann man nicht eins zu eins übertragen. Und auch die Schlussfolgerungen, die man daraus zieht, die sind nicht immer durch die Experimente gedeckt, die man da präsentiert bekommt.
Schulmann: Das heißt, das, was da behauptet wird, dass SARS-CoV-2 T-Zellen so angreift wie HIV, das ist nicht haltbar?
Ciesek: Genau. Ich kann ja ein bisschen erzählen. Also erst mal, dass Viren Lymphozyten infizieren können, ist ja nicht einmalig. Also klassischerweise können Masernviren das, auch Influenza kann das. Das ist also nichts Exklusives, wo man jetzt erst mal Panik haben muss. Und beim Masernvirus ist das ja klassisch, dass das dann zu einer transienten, also über Wochen dauernden Immunsuppression führen kann, dass man ja Superinfektionen bekommt.
Das ist schon mal etwas, was man bei SARS gar nicht so klinisch beobachtet, dass es ganz viele Superinfektionen oder Koinfektionen gibt mit anderen Bakterien. Und es gibt auch, das muss man auch sagen zur Einordnung, ganz viele Paper, die zeigen, dass das SARS-CoV-2 eben T-Zellen nicht infizieren kann. Und nur weil ein Paper das Gegenteil zeigt, haben jetzt alle anderen nicht unrecht, sondern man muss eigentlich erst mal, bevor man da Schlüsse daraus zieht, auf eine Bestätigung warten. Unabhängig, dass das noch andere Arbeitsgruppen so sehen und bestätigen können.
Jetzt aber noch mal zu dem Paper. Die haben T-Zellen von Patienten angeschaut und eine T-Zell-Linie, die im Labor verfügbar ist, immortalisiert, und haben da eine Replikation, also eine Vermehrung des Virus gesehen. Aber kaum wirklich eine starke Vermehrung. Die ist überhaupt nicht vergleichbar mit anderen Zellen, die infizierbar sind, klassischerweise. Und methodisch hat dieses Paper auch so ein paar Schwächen, muss man sagen. Das würde jetzt hier zu weit gehen, das zu erklären.
Durchflusszytometrie-Untersuchungen
Aber ein Beispiel ist, da gibt es so Durchflusszytometrie-Untersuchungen. Also die, es hören ja auch viele Leute zu, die aus dem Labor sind, und die, die Durchflusszytometrie machen, die können das auf den ersten Blick sehen: In der einen Abbildung, da gibt es eine Negativkontrolle. Das heißt, das sind die nicht Infizierten. Und da hat man die Einstellung, man muss immer dieses Gerät einstellen, bevor man die Messung macht, nicht gut kompensiert.
Also da sind halt positive Zellen, obwohl das ja negativ ist, also die Negativkontrolle. Das hat man nicht genug kompensiert und deswegen kann man die folgenden Zahlen oder Ergebnisse gar nicht richtig interpretieren. Und eigentlich hätte das ein Reviewer sehen müssen und das kritisieren müssen. Und wenn man dann so nicht gerade sauber eine Abbildung präsentiert kriegt, dann wundert man sich halt auch: Was ist denn mit dem Rest los?
Ich möchte jetzt nicht unterstellen, dass das alles nicht sauber ist. Aber es ist einfach nicht schön, sagen wir mal so. Eigentlich hätte das so gar nicht erscheinen können und hätte besser vom Reviewer überprüft werden müssen. Und man liest jetzt in den öffentlichen Medien darüber, das sei jetzt ein "airborne AIDS" und wird mit HIV verglichen. Und das ist natürlich, da kann ich mich, glaube ich, so weit aus dem Fenster lehnen, zu sagen, dass das der totale Quatsch ist, dass das sicherlich nicht so ist.
Das Paper sagt ja auch, dass das Virus vielleicht andere Rezeptoren als diesen klassischen ACE2 nutzen kann. Das ist interessant. Das sieht man auch in weiteren Arbeiten, ist aber wie gesagt in vitro. Und ob das in vivo wirklich eine Rolle spielt, wissen wir nicht. Und das sind so Sachen, die dann einfach weiter untersucht werden müssen von unabhängigen Gruppen, die das erst mal nachvollziehen müssen und für die Forschung interessante Ansätze sind.
Aber es zu übertragen auf einen klinischen Phänotyp, sage ich mal, ist völlig inadäquat und nicht gedeckt durch diese paar Experimente, die wir da sehen. Deshalb glaube ich, ist es wichtig, dass da Leute weiter dran arbeiten und das noch mal genau untersuchen, ob T-Lymphozyten zu einem gewissen Maß vielleicht infiziert werden können, wie sehr ausgeprägt das ist. Aber es ist für den Laien jetzt überhaupt nicht geeignet, um daraus irgendwelche Schlüsse für sich selbst zu ziehen oder Angst zu schüren. Das ist, glaube ich, ganz wichtig.