"Die Rolle von 'Fridays for Future' hat sich verändert"
Heute Nachmittag findet in Hamburg wieder ein Klimastreik statt. "Fridays for Future" rechnet mit 10.000 bis 15.000 Teilnehmenden. Annika Rittmann organisiert die Demo - wie auch schon den Klimastreik am 20. September 2019. Damals kamen etwa 100.000 Menschen. Was hat sich in diesen fünf Jahren getan?
Für Annika Rittmann sind diese Tage noch vollgepackter als sonst. An diesem Freitag steht eine weitere Klimaschutz-Demo in der Hamburger Innenstadt an. Da gibt es viel vorzubereiten, abzustimmen und zu besprechen. Gleichzeitig trommelt die 22-Jährige in jeder freien Minute für das Volksbegehren "Hamburger Zukunftsentscheid". So auch an diesem Donnerstagnachmittag, am Tag vor der Demo. Mit einer Handvoll Mitstreitern steht sie am Eingang zum "Reeperbahn Festival" auf dem Heiligengeistfeld. Bei sommerlichen Temperaturen geht es für sie darum, möglichst viele Musikfans zu überzeugen, bei dem Volksbegehren zu unterschreiben. Hamburg soll schon im Jahr 2040 klimaneutral sein, nicht erst 2045. So die Idee.
Für die Uni ist gerade eher wenig Zeit
"Eigentlich schreibe ich gerade meine Bachelor-Arbeit" erzählt Rittmann. Sie studiert Mensch-Computer-Interaktion an der Uni Hamburg. Aber das Ehrenamt bei "Fridays for Future" ist ihr nun mal sehr wichtig. Seit April 2019 engagiert sie sich dort. Sie erinnert sich gut an die ersten Klimaschutz-Demos. An die Aufbruchstimmung. An die vielen Aufgaben, die neu waren. "Anfangs wussten wir bei 'Fridays for Future' nicht, wie man eine Demo anmeldet oder eine Pressemitteilung schreibt", sagt Rittmann schmunzelnd. Inzwischen sei man da natürlich viel professioneller aufgestellt.
Greta Thunberg braucht es nicht mehr
Auch die Rolle der Klima-Bewegung habe sich verändert. "Vor fünf Jahren war Klimaschutz in der breiten Gesellschaft noch kein Thema. Inzwischen haben die Menschen verstanden: Wir müssen handeln, sonst wird es noch schlimmer." Die Ausgangslage sei also eine andere. "Unser Auftrag hat sich nun geändert: Wir müssen nicht mehr wachrütteln, sondern aufzeigen, wie wir Klimaschutz-Maßnahmen umsetzen können", so die Aktivistin.
Und noch etwas sei mit der Anfangszeit nicht zu vergleichen: "Vor vier oder fünf Jahren brauchten wir noch bekannte Gesichter wie Greta Thunberg, damit die Menschen zu den Demos kommen. Aber nun funktioniert die Bewegung auch ohne Berühmtheiten", so Rittmann.
"Die Menschen sind krisenmüde"
Zu den Demos von "Fridays for Future" kommen längst nicht mehr so viele Menschen. Sind die Deutschen klimamüde? "Nein, ich würde eher sagen: Die Leute sind krisenmüde", so Rittmann. Dass der Klimaschutz in der Liste der wichtigsten Themen bei Wählerinnen und Wählern in letzter Zeit abgerutscht ist, irritiert Rittmann nicht sonderlich. "Ob der Klimaschutz an Position 1 oder 3 steht, ist letztlich egal. Es ist nach wie vor ein wichtiges Thema, für das die Politik Lösungen finden muss."
Klimapolitik soll auch sozialverträglich sein
Lösungen zu finden, darum geht es auch bei dem Volksbegehren in Hamburg. Wie lässt sich ein bestehendes Gesetz verbessern, damit eine Klimaschutz-Politik erfolgreich ist? "Ob Hamburg 2040 klimaneutral wird oder erst 2045, ist gar nicht so entscheidend", meint Rittmann. "Viel wichtiger sind uns verbindliche Jahresziele, die der Senat erfüllen muss und die geprüft werden." Zudem soll sichergestellt werden, dass alle Klimaschutz-Maßnahmen sozialverträglich sind. Das meint, dass Menschen mit wenig Geld nicht auch noch durch Klimaschutz-Politik benachteiligt werden.
"Nicht so polarisierend wie bei Social Media"
Um Unterschriften für das Volksbegehren zu sammeln, spricht Annika Rittmann gerade viel mit Passanten in den verschiedenen Stadtteilen. "Die Gespräche sind vom Ton her ganz anders als in den Medien und bei Social Media: nicht so polarisierend, viel freundlicher", berichtet Rittmann. Innerhalb von drei Wochen müssen gut 67.000 Unterschriften zusammenkommen. Die 22-Jährige zeigt sich zuversichtlich, dass das zu schaffen ist. Dann würden die Hamburger und Hamburgerinnen bei der Bundestagswahl im Herbst 2025 auch noch über eine Neufassung des Klimagesetzes für Hamburg entscheiden.
Ein Bündnis mit ver.di und dem Mieterverein
Für Annika Rittmann ist die Volksinitiative, die auch von der Gewerkschaft ver.di und dem Mieterverein angestoßen worden ist, ein wichtiger Schritt. "Bei den Demos von 'Fridays for Future' haben wir ja auch immer konkrete Forderungen an die Politik formuliert. Aber hier ist das etwas anderes: Wenn wir am Ende mit dem Volksentscheid durchkommen, dann stehen unsere Forderungen wirklich im Gesetz." Man merkt ihr an, dass ihr diese Aussicht gefällt.