Nach Amoklauf: Hamburg setzt sich für schärferes Waffengesetz ein
Nach der Amoktat bei den Zeugen Jehovas in Hamburg-Alsterdorf am Donnerstagabend will sich Hamburg beim Bund für ein verschärftes Waffenrecht einsetzen. Innensenator Andy Grote (SPD) trifft sich in Bremen gerade mit den Innenministern und -ministerinnen der SPD-geführten Bundesländer, um darüber zu beraten. Auch in Hamburg sieht SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf Handlungsbedarf.
"Halbautomatische, schnell feuernde Waffen, wie sie der Schütze am Donnerstag eingesetzt hat, müssen besser kontrolliert werden. Die Behörden von Bund und Ländern müssen ihre Erkenntnisse enger austauschen", sagte Kienscherf NDR 90,3. Und auch die Frage nach der gesundheitlichen und psychischen Eignung für einen Waffenschein müsse neu gestellt werden, ergänzte Hamburgs SPD-Fraktionschef. Hamburg sei nach der Tat von Donnerstag in besonderer Verantwortung, das auf Bundesebene voranzutreiben.
Debatte über schärfere Waffengesetze
Bereits einen Tag nach dem Verbrechen hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigt, den Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes prüfen zu wollen. Man müsse überlegen, "wie wir mit dieser neuerlich furchtbaren Amoktat in Hamburg noch mal an den Gesetzentwurf gehen, um zu schauen: Gibt es noch Lücken, oder wo war er genau richtig?" Das hatte Faeser in den ARD Tagesthemen von Freitag gesagt.
Kienscherf: "Nicht alle Sportschützen unter Verdacht stellen"
Aber auch in Hamburg sieht Kienscherf Klärungsbedarf. Zu klären sei unter anderem, wie viele halbautomatische Waffen es hier gebe. "Ich glaube, da brauchen wir eine Bestandsaufnahme. Und dann muss man gucken, wie sind diese Personen überprüft worden", so der SPD-Politiker. Man dürfe jetzt nicht alle Sportschützen unter Verdacht stellen, aber man müsse jetzt einfach viel genauer hinschauen.
Linksfraktion fordert Aufklärung nach Amoktat
Die Linke in Hamburg fordert nach der Amoktat Aufklärung. Unter anderem geht es der Fraktion um die Frage, wie umfassend der 35-jährige Philipp F. tatsächlich mit Blick auf seinen Waffenbesitz überprüft worden ist. Denn anonyme Hinweise auf eine mögliche psychische Störung hatte es ebenso gegeben wie öffentlich einsehbare Internetaktivitäten, die zumindest Zweifel an seiner Zuverlässigkeit erlaubt hätten.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Unterdessen ermittelt vier Tage nach Amoktat in den Räumen der Zeugen Jehovas auch die Staatsanwaltschaft Hamburg in dem Fall - wegen möglicher religiös extremistischer Bezüge. Dabei geht es auch um die Frage, ob weitere Personen eine Mitverantwortung tagen. Am Donnerstag hatte der 35-jährige Täter in der Straße Deelböge im Stadtteil Alsterdorf sieben Menschen und dann sich selbst getötet. Zu den Toten zählt die Polizei auch ein ungeborenes Kind. Acht Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwebten in Lebensgefahr. Bis Sonntag lagen der Polizei keine weiteren Informationen zum Zustand vor allem der Schwerverletzten vor. Der Sprecher der Zeugen Jehovas, Michael Tsifidaris, hatte dem NDR Hamburg Journal gesagt: "Stand Sonntagnachmittag sagen uns die behandelnden Ärzte, dass die Schwerverletzten in stabilem Zustand seien". Sie befänden sich auf der Intensivstation.
Täter hatte seit Dezember einen Waffenschein
Der Täter hatte mehr als 100 Mal mit einer halbautomatischen Pistole geschossen. Seit dem 12. Dezember sei er im legalen Besitz dieser Waffe gewesen, hatte Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer bei einer Pressekonferenz am Freitag gesagt. Als Extremist war der Schütze nach Angaben aus Sicherheitskreisen nicht bekannt. Philipp F. war ein ehemaliges Mitglied der Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas, die er vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offenbar nicht im Guten verlassen hatte, wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde am Freitag sagten. Die Zeugen Jehovas hatten ihren Gottesdienst nach der Tat - auf Anraten der Sicherheitsbehörden - digital durchgeführt. Am Montag soll es einen runden Tisch mit Vertretern und Vertreterinnen geben, um die psychologische Betreuung der Betroffenen schnell und gut zu organisieren.
Kontrolle durch Waffenbehörde im Februar
Philipp F. war Sportschütze, hatte eine Waffenbesitzkarte und war erst kürzlich von der Waffenbehörde aufgesucht worden. Die Behörde hatte im Januar einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F. erhalten. Dieser wurde Anfang Februar von zwei Beamten der Waffenbehörde unangekündigt aufgesucht. Damals habe es keine relevanten Beanstandungen gegeben, die rechtlichen Möglichkeiten seien ausgeschöpft gewesen, sagte Meyer. Die gesamten Umstände hätten auch keinerlei Anhaltspunkte für die Beamten ergeben, "die auf eine psychische Erkrankung hätten hindeuten können".
Zuletzt war Philipp F. als eine Art Unternehmensberater tätig. Auf seiner Homepage verlangte er für seine Dienste ein Tageshonorar von 250.000 Euro. Außerdem vertrieb er ein Buch, das er selbst verfasst hatte und auf seiner Homepage als wichtigstes Werk neben der Bibel und dem Koran bezeichnete.